4. Mai 2015
Magazin

… als die Lampe brannte 


HISTORIE 

… als die Lampe brannte 

Was Hamburg sein „Starclub“, war Blankenese seine „Kurbelwelle“ 

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FOTO: © PRINTINGSOCIETY-FOTOLIA.COM 

„Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei“, jubelte das Starclub-Eröffnungsplakat, als in der Großen Freiheit die Beat-Ära begann. Kurz zuvor beganndie Epoche in Blankeneses Bahnhofstraße mit der Kurbelwelle.

Komm, wir gehen noch in den Club“, hieß es unter jüngeren Leuten Anfang der sechziger Jahre in Blankenese. Gemeint war ein „Privatclub“ in einem ehemaligen Luftschutzkeller namens „Kurbelwelle“ in einem Hinterhof der Bahnhofstraße. Vorausgesetzt die Lampe brannte, womit eine Bürolampe mit Schwungarm gemeint war, die im Eingang des Kellers den Besuchern entgegenleuchtete.

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Kurbelwellen-Eintrittskarte
Ein heute rührend anmutender Versuch, Licht ins Dunkel der Blankeneser Veranstaltungsszene zu bringen. Zunächst kam man hier jeden Dienstagabend zusammen, um sich „über die niedergeschriebene geistige und schöpferische Kunst zu unterhalten“. Auch politische Diskussionen und Kunstpräsentationen fanden im Keller statt, aber ganz besonders war er „der“ Partykeller der Jugend in Blankenese. Der Keller wurde mit Latten verschalt, mit Matratzen und Altmöbeln eingerichtet und ein altes Klavier wurde die schmalen Stufen heruntergeschleppt. Im Winter mussten Decken mitgebracht werden. Doch da der Keller stets gut besucht war, wurde es bald von selbst warm.

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Dixieland-Session 1961
Der Eintritt betrug 50 Deutsche Pfennige. Dienstags: Literaturabend, stets gut besucht, man musste aber pünktlich da sein. Mittwochs dann war man nie sicher, ob das vorgesehene Programm auch wirklich ablief. Donnerstags und sonnabends wurde gejazzt oder der damals entstehende Beat gepflegt. Sonntags war Teestunde, wobei jeder mit Kerzen, Tee, Zucker und Knabbereien zur Gemütlichkeit beitragen sollte: „Eigene Tasse nicht vergessen!“ Jährlich gab es zur Karnevalszeit einen „Lumpenball“, aber auch Klassenfeste wurden im alten Luftschutzkeller gefeiert, dessen Bunkergeruch noch Manchen in der Nase sein mag.

Später wurden in bescheidener Menge Getränke im Club verkauft (Bier: 0,80 Pfennig) und für die Beköstigung „schnitzten“ die jungen Frauen aus rohen Kartoffeln Pommes frites, die vor Ort in Öl gebacken wurden. Ein absolutes Novum im an Bratkartoffeln gewöhnten Blankenese jener Zeit.

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Eingang mit Lampe
Junge Beschäftigte des Hamburger Flugzeugbaus („HFB“, heute Airbus) hatten um 1961 den ungenutzten Luftschutzkeller in der Bahnhofstraße 7-9 angemietet und somit, etwa zeitgleich mit der Gründung des Star-Clubs auf der Großen Freiheit, einen der ersten Grundsteine für ein neues gesellschaftliches Leben der aus der grauen Nachkriegsgesellschaft sich befreienden Jugend gelegt.

Wieso der Name „Kurbelwelle“, wo es doch auch Vorschläge wie „Eierschale“ oder gar „Badewanne“ für den Clubnamen gegeben haben soll? Auf die Idee kam „Miki“, einer der Clubgründer, nachdem die Kurbelwelle seines VW-Busses nach einer Reparatur im Keller herumlag.

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Das Logo
Ursprünglich nur als Literaturtreffpunkt geplant, entwickelte sich der Club bald zu einem kleinen Musikzentrum, wo u.a. „Hoochi Coochie Man“ nach Muddy Waters auf dem Klimperkasten gespielt wurde. Sehr rege waren auch die politischen Diskussionen, die in dieser zarten Blume des Blankeneser Geisteslebens gepflegt wurden. So erschien 1962 während der Kuba-Krise Ralph Giordano im Keller und verkündete, dass der „3. Weltkrieg“ bevorstehe, eine These, der die beteiligten Diskutanten nicht uneingeschränkt zustimmten.

1966 war dann wirklich Schluss. Offenbar war der Mietvertrag nicht erneuert worden bzw. die Jugend zog es mehr in Richtung Reeperbahn, wo zahlreiche neue Lampen leuchteten. Vorher wurde noch der Klimperkasten auseinandergenommen und alle, die am Clubleben beteiligt waren, nahmen zur Erinnerung je einen Hammer des Klaviers als materielles Kulturerbe mit.

Auch heute brennt im Hinterhof der Blankeneser Bahnhofstraße 7-9 keine Lampe mehr. Der Keller ist weg, das Haus abgerissen, eine Art Mondlandschaft liegt in der inneren Region zwischen Bahnhofstraße und Auguste-Baur-Straße. Querelen beim Bauvorhaben, heißt es, verhindern seit Jahren den Fortgang – das Gegenteil der Idee des Blankeneser Literaten-Clubs, wo alle mit dazu beitrugen, die Kurbelwelle in Schwung zu halten, indem sie sich selbst mitdrehten. Claus Deimel

Wir bedanken uns bei Claus H. Eggers, Erke Kurmies und Helmut Schliffke für zahlreiche Informationen. Weitere Begebenheiten und Abbildungen sind entnommen den Beiträgen von Claus Bandilla und einem mit „ds“ zeichnenden Autor in „Blankenese. Monatsschrift des Blankeneser Bürgervereins. Jahrgang 1963“ (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, X 11184,

http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN670034223

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