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Blutgrätschen und taktische Fouls
Kommentar im Juni
Taktische Fouls sind im Fußball an der Tagesordnung und wir meinen, die Konsequenzen mit der gelben und roten Karte zu kennen. Aber kennt denn der Fußball keine Körperverletzung und ist dort das allgemein anerkannte Recht vollkommen ausgeschaltet?
Die klare Antwort lautet: NEIN, auch im Fußball gelten die Regeln des Strafrechts und auch ein Fußballer kann sich gegenüber seinem Mitspieler schadensersatzpflichtig machen.
Wir wären aber keine Juristen, wenn nicht zu dem klaren NEIN ein ABER käme. Bei Sportarten mit Körperkontakten wie dem Fußball handelt es sich um „gefahrgeneigte Tätigkeiten“. Bei solchen geht man davon aus, dass der später verletzte Mitspieler zuvor schlüssig in eine Körperverletzung eingewilligt hat, sofern es sich um einen adäquaten Ablauf des Spiels handelt.
Aber wo ist denn nun die Grenze zum straf- und zivilrechtlich Erlaubten? Ist die Grenze bereits erreicht, wenn sich ein Spieler nicht regelkonform verhält? Letzteres kann nicht zutreffend sein, sonst wäre jeder Spieler, der eine gelbe Karte erhält, automatisch ein Straftäter. Es würde den Charakter des Fußballspiels als kampfbetontes Spiel von Grund auf ändern, wenn ein Spieler – statt regelmäßig „draufzuhalten“ oder „durchzuziehen“ – nunmehr in vornehmer Zurückhaltung, quasi in Watte gepackt, den Ballbesitz oder eine Torchance aufgibt, um die Gefährdung des Gegenspielers zu minimieren. Tatsächlich herrscht im Fußballsport ein weltumspannender Konsens, dass Verletzungen zwar unerwünscht, aber unvermeidlich sind und daher – quasi als schicksalhafte Fügung – hingenommen werden.
Auch wenn daher objektiv eine Körperverletzung vorliegt, wird daher regelmäßig eine Einwilligung hierzu vermutet.
Demnach stellt sich die Frage, inwieweit eine Einwilligung bei einer vorsätzlichen Körperverletzung aus Übereifer, Unüberlegtheit, krankhaftem Ehrgeiz oder falsch verstandenem Stolz vorhanden ist? Diese Abgrenzung ist nicht ganz einfach. So ist das sog. „Revanchefoul“ im Fußball verboten, jedoch eine oft zu beobachtende Praxis, die bisweilen als probates Abschreckungsmittel für andere „Ruppsäcke“ oder als Denkzettel verstanden und von einigen Fußballspielern gutgeheißen wird. Es mag nicht intolerabel verwerflich sein, aber nach dem Gedanken des „Fairplays“ verpönt und nicht sozialadäquat. Dementsprechend wird es mindestens als eine „grobe Unsportlichkeit“ angesehen und kann somit eine Körperverletzung sein.
Für die Einwilligung ist demnach auf die sportliche Compliance abzustellen. Von den beteiligten Sportlern wird aus Gründen der sportlichen Compliance – in Übereinstimmung mit Ethik und Moral – dem „sportlichen Verhalten“ der Vorrang vor dem Strafanspruch des Staates eingeräumt.
Also immer schön fair bleiben, ansonsten ergeht es unseren Spielern wie einem Kreisligaspieler, der vom OLG Hamm (Urt. v. 22.10.2012, Az. I-6 U 241/11) für eine „Blutgrätsche“ zum Schadensersatz von 50.000,00 EUR verurteilt wurde.
Nun wünsche ich uns allen spannende, ereignisreiche und faire Spiele.