EINZELHANDEL
Das Brot des Bäckers
Knackiges aus der Backstube
Oft nehmen Literatur und Film vorweg, was erst Jahre später überdeutlich wird. So wie in dem Film „Das Brot des Bäckers“, 1974 das Filmdebüt des Regisseurs Erwin Keusch. „Was Moby Dick für den Walfang, ist dieser Film für das Brotbacken“, zitierte später die „Financial Times“ aus dem Buch „Der Neue Deutsche Film“.
Was sich damals in dem mit dem Bundesfilmreis ausgezeichneten Streifen abzeichnete, kann heute im Hamburger Westen an vielen Ecken beobachtet werden. Nach wie vor stehen Bäckermeister, ihre Gesellen und Lehrlinge mitten in der Nacht in der Backstube, kneten und formen den oft tags zuvor angesetzten Teig auf ganz traditionelle Art zu Broten und Brötchen. So wird heute noch in der Bäckerei Körner das Brot „Kleiner Max“ verkauft. „Das Brot geht auf meinen Urgroßvater zurück, der es damals für seinen Sohn, meinen Großvater, erfand und buk“, so Bäckermeisterin Sabine Möller. Sie führt die Bäckerei Körner heute in vierter Generation.
Im Regal lagern Käsestangen, „Roggensaft-Brot“ und „Frühlingsbrot“.
„Was Moby Dick für den Walfang ist, ist dieser Film für das Brotbacken“
Für den Hamburger Kunden ist die Vielfalt in Sachen Brot und Brötchen besonders ausgeprägt. Hinzu kommt, dass jeder Bäcker oder auch die Ketten ihre Brötchen anders nennen. Da gibt es „Weltmeister“, „Knackfrische“, „Sonnenkrüstchen“, „Goldjungs“ und „Stadt-Crosser“. Ähnlich der oft aberwitzigen Sommelier-Prosa in der Weinbranche feiert das Bäckerhandwerk skurrile Wortschöpfungen, um ihre Backwaren über den Tresen reichen zu können.
Brötchen-Namen, ähnlich der Sommelier-Prosa
Fast alle produzieren dabei auf traditionelle Weise. Wie etwa die „Bäckerei & Konditorei Dutz“ in Sülldorf, die ebenfalls in Sülldorf beheimatete Bäckerei Hansen und Gaues aus Hannover. Seit Gaues im vergangenen Jahr in Blankenese eröffnete, bilden sich besonders an Sonnabenden im Geschäft lange Schlangen. Ob das kleine Geschäft von Effenberger in der Blankeneser Bahnhofstraße das spürte, muss unklar bleiben. Fest steht, dass im Backhus die Schlangen deutlich kürzer wurden, seit auch in Hannover für Hamburger gebacken wird.
Manchem Elbvorortler wird die Vielfalt an Bäckereien inzwischen zu groß. Geht es um die Einkaufsstraßen des Hamburger Westens klagen die Kunden gern über zu viele Bäckereien. Die Dichte an Maklern, Banken, Bäcker und Apotheken wird häufig kritisiert. „Das ist schon ein wenig eintönig“, so eine Passantin an der Blankeneser Bahnhofstraße. Was Kritiker dabei vergessen: Die Nachfrage regelt das Angebot. So lange ein Geschäft gewinnbringend läuft, wird der Unternehmer es betreiben.
Wenn das Angebot dabei so vielfältig ist wie bei den Bäckereien, kann sich der Käufer freuen. In anderen Stadtteilen ist die Situation längst nicht so erfreulich. Wo überwiegend nach Preis gekauft wird, dominieren Supermärkte und Discounter mit industriell gebackenem Brot den Markt.
Oxbrot und Sylter Weißbrot, Krusten- und Frühlingsbrot
Möglich wird das billige Brot, weil es aus Fabriken kommt, die Teig formen und auf Backstraßen halbfertig backen. Danach werden die Teiglinge schockgefrostet und tiefgekühlt in die Supermärkte geliefert. Erst dort werden sie dann zu „frischen Broten“ aufgebacken.
Noch einmal zum „Brot des Bäckers“. Wer diesen Film je gesehen hat, wird anschließend ganz anders ins Brot beißen, als der Discounter-Käufer. Wer sich dann noch klar macht, dass viele Bäcker bereits morgens um 2 Uhr in der Backstube stehen, wird das Handwerk mehr schätzen als die Männer und Frauen, die sich in schicken Büros sitzend absurde Namen für die Backwaren ausdenken.
Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de