7. April 2015
Magazin

Das Ende eines Pastorenlebens

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LESER SCHREIBEN – Stellungnahme

Das Ende eines Pastorenlebens

GASTKOLUMNE: Pastor Helmut Plank zu seinem Ruhestand

Blankeneses Pastor Helmut Plank geht in den Ruhestand. Der um – triebige evangelische Geistliche kommentiert seine Gedanken beim Abschied vom Kirchen-Altar.

Helmut Plank, seit 1977 Pastor in Blankenese
Helmut Plank, seit 1977 Pastor in Blankenese
Die Idee, Ihnen diesen Artikel zu schreiben, kommt von Klaus Schümann. Er meinte, ich könne an die „KLÖNSCHNACK-Gemeinde“ schreiben. Alle lesen den KLÖNSCHNACK. Also ein Artikel an alle. Thema: s.o. Kurzes Erstaunen. So dramatisch war es dann doch nicht gemeint – aber die Richtung stimmt. Ich habe heute noch 53 Tage. Dann endet – zumindest die Dienstzeit.

Ich bin kein Blankeneser. Immerhin aber sind meine Frau und ich seit 1977 an der Kirche am Markt.

Wie ist das, wenn man seinen Dienst beendet? Ich kann die Frage nicht beantworten. Es liegt noch so viel auf meinem Schreibtisch. Die Ideen sind nicht abgestellt. Wir leben mitten in der Gemeinde, im Dorf – und es ergeben sich jeden Tag neue Anknüpfungspunkte. Ostermontag wird es die sogenannte Entpflichtung vom Dienst geben. Danach kann ich vielleicht mehr sagen.

In meinem Kopf habe ich das Datum, aber was es bedeutet, hier die Schlüssel der Kirche abzugeben? Was es bedeuten wird, nicht mehr Ansprechpartner zu sein für Schönes und Schweres von Alt und Jung? Wie ich damit umgehen kann, dass sich bestimmte Dinge jetzt wirklich nicht mehr ändern lassen, Versäumtes sich nicht mehr nachholen lässt, Schuld bleibt?

Indem ich das schreibe, wird das Schlucken merkwürdig schwer. Und falls Sie zu denen zählen sollten, denen ich eher eine Last war, bitte ich auch jetzt noch ernstlich um Entschuldigung.

Vielleicht kennen Sie das auch: Wenn es um solche eher schwierigen Dinge geht, dann zählen wir auf, was der andere alles Gutes getan hat. Ich darf das auch hören, aber mir fallen dann unwillkürlich irgendwelche von diesen nicht aufholbaren Zeiten ein. Die wiegen für mich viel schwerer als die vermeintlichen Guttaten.

Und was ist da schon? Ich will meine Gaben gar nicht unter den Tisch stellen. Aber beim Zurücksehen war für mich das Schönste an meinem Beruf, da sein zu dürfen. Irgendwie mitten darin. Auch mitten in einem großem Wohlwollen hier in Blankenese, für das wir sehr dankbar sind. Mitten in der Kirche, im Ort. Dann kommt jemand und hat eine Idee, um etwas Neues zu versuchen, Altes neu zu machen, in der Kirche, am Ort – und dann – im Gespräch miteinander, in den Häusern mit offenen Türen – da können sich Herzen und Hände öffnen und so oft auch Portemonnaies. Da sein, den Dank und die Herausforderung spüren, Räume öffnen. Da sein mit offenen Ohren. Zeit geben, mitgehen. Ein Stück jedenfalls. Und Feiern. Gottesdienst feiern.

„Falls Sie zu denen gehören, denen ich eine Last war, bitte ich ernstlich um Entschuldigung…!“
Ein wichtiger Aspekt dabei: Was ich an Wesentlichem weitergeben kann – das ist ja etwas, was ich gar nicht habe. Verstehen Sie? Wir sprechen in der Kirche in diesem Zusammenhang von Segen, vom Himmel, von Gott, vom Glauben. Und wir meinen: Leistung ist nötig und wertvoll. Aber da gehört mehr zu unserem Leben, das nämlich, was wir selber schaffen können. Was uns irgendwie gegeben ist, wie eine Begabung. Die gilt es anzunehmen, zu pflegen, sie mit anderen zu teilen. Die Liebe ist so eine Gabe, die Hoffnung – und da, wo man es erfahren darf, auch Vergebung. Nichts davon kann ich mir selber erarbeiten.

Das Schönste und manchmal auch Schwierigste an unserem Glauben: Ich gebe etwas weiter, worüber ich gar nicht verfüge: Ein Mensch ist gestorben. Was kann ich da schon sagen?! Ich nehme von dem, was mir gar nicht gehört und zeichne den Himmel weit über aller Enge und Trauer. Ein Ehepaar wünscht sich die Trauung – und ich spreche ihnen – mit leeren Händen – den ganzen Segen Gottes zu. Oder den Taufsegen. Ein Segen, der nie endet. Klar, der Segen kann im Alltag aus dem Blick geraten. Stimmt.

Das Schönste unseres Glaubens aber – wohl allen Glaubens auf dieser Erde – ist, dass wir vor allem eigenen Tun geliebt sind und Geliebte bleiben – in guten und schweren Zeiten! „Von Gott“ sagen wir ganz mutig. Aus dieser Überzeugung hat Jesus gelebt. Ihm glaube ich seinen Gott. In seiner Überzeugung lebe ich. Will ich leben. Und das wollte ich weitergeben.

Ich habe das in der Gemeinde mit anderen tun dürfen: Mit den Kollegen, dem Kirchengemeinderat, mit Mitarbeitenden, mit Freunden, mit der Gemeinde, mit Fremden. Dann kann die Freude geteilt werden. Und es wird miteinander gelitten, gerade dann, wenn die Hände sich gar nicht füllen wollen – mit Himmel. Wenn nur Fragen bleiben, Gott fern scheint. In solcher tragenden Gemeinschaft durfte ich leben.

Pastoren gehen ja nicht in Rente. Bei uns spricht man von Emeritierung. Das Wort bedeutet u.a. auch „ausgedient“ oder „unbrauchbar werden“ … Das klingt schon sehr nach dem ursprünglichen Titel von Klaus Schümann. Dann doch lieber in Pension gehen und ein Ruhegehalt beziehen … Oder aber: Weiter mit offenen Händen leben. Mal sehen, was da nach den 53 Tagen hineingelegt wird – und was sich teilen lässt. Wo auch immer.

Helmut Plank

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