GESCHICHTE
Der Architekt
Zwischen Hitler und Onassis
Eindrucksvoll belegen lässt sich dieser Vorwurf mit Modellen, Plänen und Entwürfen aus den Jahren zwischen 1937 und 1945 …
In Hamburg und speziell in den Elbvororten ist Cäsar Pinnau ein bekannter Name. Seine Werke zeigen auch heute noch, fast 30 Jahre nach seinem Tod, Präsenz. Er schuf zahlreiche Villen im Hamburger Westen, aber auch das markante Hamburg Süd- Haus an der Willy-Brandt-Straße, die Oetkar-Werke in Hammerbrook und selbst in Hamburgs maritimem Wahrzeichen, der „Cap San Diego“ ist seine Handschrift zu finden: Pinnau entwarf die bis heute originalgetreu erhaltene Inneneinrichtung.
Wären nur diese Werke geblieben, dann gälte Pinnau heute als wandlungsfähiger, seriöser Vertreter seiner Zunft. Sein pompöses Arbeitszimmer könnte als Schrulle abgetan werden.
Tatsächlich aber hat Pinnau innerhalb der Architekten-Zunft einen durchwachsenen Ruf. Ihm wird vorgeworfen, den Lockungen klassizistischer Architektur allzu weit gefolgt zu sein.
„Pinnau spürte Ablehnung, konnte sich letztlich aber auf seinen Stallgeruch verlassen ….“
In der Rückschau, nach dem Krieg, zeigte Pinnau keinerlei Reue über seine Arbeit im Machtzentrum der NS-Diktatur. Über die Gründe ist viel spekuliert worden und eine präzise Antwort wird sich nicht mehr finden lassen. Einen Anhaltspunkt gibt jedoch das folgende Projekt, mit dem Speer Pinnau beaufragte: Die „Nord-Süd-Achse Berlin“. Des Führers heißer Architekturtraum sollte sich 40 Kilometer lang durch die Hauptstadt ziehen.
Vorgesehen waren ein neuer Bahnhof, eine gewaltige, 290 Meter hohe Kuppelhalle, Paläste, Ministerien und ein riesiger Hotelkomplex mit Schwimmbad, Oper, Theater, ausgelegt für Tausende. Einer der Architekten sollte Cäsar Pinnau sein.
„Mit der Bekanntschaft des griechischen Reeders erfüllte sich eine frühe Sehnsucht Pinnaus …“
Kleine Korrektur: Eine Suggestivkraft, der sich kaum ein Betrachter entziehen kann. Die Verführung des Größenwahns funktioniert noch heute. Man ist sich ihrer bewusst, das ist der einzige Unterschied.
Nicht ein einziger Plan der Nord-Süd-Achse wurde tatsächlich gebaut. Wir dürfen dennoch vermuten, dass Pinnau die Nazi-Zeit als einen Höhepunkt seiner Laufbahn angesehen hat. Daher auch die Weigerung zur Reue, zur späten Einsicht.
Nach dem Krieg gelangte Pinnau rasch durch das Verfahren der Entnazifizierung und ließ sich erneut in Hamburg nieder. Seine unrühmliche Vergangenheit als NS-Architekt war hier aber durchaus bekannt. Pinnau spürte Ablehnung, konnte sich letztlich aber auf seinen Stallgeruch verlassen. So wie ihm zeitlebens Name und moralische Vorstellungen seiner Auftraggeber egal gewesen waren, so gleichgültig zeigten sich auch Hamburger Kaufleute, wenn es darum ging, eine Pinnau-Villa, ein Pinnau-Bürohaus zu bekommen. Pinnaus Auftragsbücher füllten sich rasant und sein Stil passte sich mit erstaunlicher Geschmeidigkeit dem Geschmack des hanseatischen Establishments an.
Mit der Bekanntschaft des griechischen Reeders, dessen Reichtum noch heute sprichwörtlich ist, erfüllte sich eine frühe Sehnsucht Pinnaus. Bereits als Schüler und Student – offenbar hatte die klassizistische Linie da noch nicht ihre volle Wirkung entfaltet – zeichnete er schwärmerische Skizzen von Landhäusern in südlichen Gefilden, mit Tusche koloriert. Das „Landhaus am Cap Formentor auf Mallorca“ (1931) ist eine sanfte Studie, die Größe mit Weichheit verbindet. Der Betrachter sieht ein idyllisches Ensemble, direkt am Wasser, mit Schwimmbad und Marina.
Onassis besaß all das und wollte mehr. Pinnau entwarf Landhäuser, Hotels, das Interieur von Yachten und etablierte sich so als vollwertiger Teil des internationalen Jetsets. Dieser beschränkte sich in den 60er Jahren auf wenige hundert Personen, die manchmal buchstäblich über den Wolken verkehrten. In der Höhe. Über dem Profanen.
Autor: tim.holzhauser(at)kloenschnack.de