GESUNDHEIT
Der Kampf mit dem eigenen Körper
Essstörungen
In aller Ruhe und mit Freude mit der Familie oder Freunden unbeschwert ein gemeinsames Essen zu genießen, ist nicht jedermann vergönnt.
Etwa 1,5 Prozent der Frauen und 0,5 Prozent der Männer in Deutschland leiden an einer Essstörung. Für sie bestimmt das Thema Essen das gesamte Leben. Im Asklepios Westklinikum Hamburg behandeln Ärzte und Therapeuten auf der psychosomatischen Station, an die auch eine Tagesklinik angeschlossen ist, junge Erwachsene und adipöse Patienten mit Essstörungen. Es gibt drei unterschiedliche Formen der Essstörung, die alle im Rissener Krankenhaus therapiert werden: die Magersucht (Anorexia Nervosa), bei der dem Körper kaum noch Nahrung zugeführt wird, die Ess-Brech-Sucht (Bulimia Nervosa), bei der Patienten nach Essattacken erbrechen, Abführmittel zu sich nehmen oder massiv Sport treiben, sowie die Binge-Eating-Störung, bei der es zu unkontrollierte Essanfällen kommt, die häufig zu starker Adipositas führen. Auch Mischformen sind möglich.
„Die Ursachen für Essstörungen sind sehr unterschiedlich“, sagt Oberarzt Dr. med. Helge Fehrs. „Es findet eine Verschiebung von psychischen Problemen auf eine körperliche Ebene statt, Patienten tragen innerseelische Konflikte also durch den Körper aus. So können sie Gefühle mit ihrer Essstörung regulieren.“
Für die meist sechs- bis achtwöchige stationäre Therapie gibt es unterschiedliche Behandlungen mit verhaltens- und tiefenpsychologischen Ansätzen, wie Einzel- und Gruppenpsychotherapien, bei denen persönliche Probleme angesprochen werden. Bei Kreativtherapien sowie Kunst- und Gestaltungstherapien gelingt dem behandelnden Therapeuten der Zugang zum Patienten nicht durchs Sprechen, sondern durch praktische Handlungen.
Eine wesentliche Rolle spielt die Körperpsychotherapie. „Viele Essgestörte haben häufig eine verzerrte Wahrnehmung vom eigenen Körper, eine Körperschemastörung“, erklärt Fehrs. Magersüchtige halten sich für zu dick und versuchen, weiter abzunehmen, Adipöse halten sich für normalgewichtig, sehen keinen Handlungsbedarf, etwas an ihrem Essverhalten zu ändern und nehmen gegebenenfalls weiter zu. Mittels der Therapie sollen Patienten wieder ein realistisches Körperbild zurückerlangen. Patienten unterschreiben mit den Ärzten außerdem einen speziellen Behandlungsvertrag, nach dem beispielsweise Magersüchtige pro Woche 500 bis 1.000 Gramm zunehmen sollen. Gelingt dies, wird die Zunahme mit immer weiteren freien Stunden außerhalb des Klinikgeländes belohnt, was zu mehr Eigenverantwortung führt.
Da Patienten häufig die Zeit direkt nach dem stationären Aufenthalt am schwersten fällt, unterstützt die Tagesklinik dabei, das Geübte im eigenen Alltag umzusetzen und im gewohnten Umfeld nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.
Warnzeichen für eine beginnende Essstörung können übertriebene Beobachtungen des eigenen Körpers, Kommentare über den eigenen Körper und dessen angebliches Falschsein sowie Diäten bereits im Kinder- und Jugendalter sein. Präventiv gegen Essstörung kann ein liebevolles, verständiges, interessiertes Umfeld wirken, das gerade bei jungen Menschen keine kommentierenden und abwertenden Bemerkungen über das Gewicht macht. „Besser sollten Angehörige dann eine Orientierung über die gegessenen Mengen geben, als konkret über das Gewicht zu sprechen“, rät der Experte.
Autorin: louisa.heyder(at)kloenschnack.de