MEDIEN
Der Kitt der Region
GASTKOLUMNE: KATY KRAUSE Lokaljournalismus

„Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts phantasievoller als die Sachlichkeit. Und nichts Sensationelleres gibt es in der Welt als die Zeit in der man lebt!“, schrieb Egon Erwin Kisch. Er gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Zu Recht. Denn Kisch (1885–1948) erkannte, was heute umso wichtiger erscheint. Es kommt nicht darauf an, worüber man schreibt, sondern wie man es schreibt. Leidenschaft, Sachlichkeit und der Wille zur Wahrheit sind das Rüstzeug eines Journalisten. Aber den richtig guten Reporter erkennt man daran, dass er erleben will. Er ist nah an den Geschichten und vor allem nah an den Menschen. Genau das zeichnet den Lokaljournalisten aus.
Durch Globalisierung und Digitalisierung verbreiten sich Nachrichten heute irrsinnig schnell – egal ob sie wahr sind oder nicht. Die Verbreitungswege sind zahlreicher geworden. So erreicht man auf der einen Seite mehr Menschen, aber die Aufmerksamkeitsspanne ist auch deutlich niedriger geworden. Wenige nehmen sich die Zeit, die Quelle zu prüfen, teilen so ungewollt über soziale Medien „Fake-News“, die auch als politische Waffe fungieren. Deshalb braucht es Medien, denen wir vertrauen. Und Vertrauen braucht Nähe.
Wären wir Journalisten näher dran gewesen, hätten wir während der Flüchtlingskrise ein besseres Bild abgegeben. Wir hätten die Ängste derer besser gespürt, die sich politisch und medial abgehängt fühlten und sich abwandten. Damals ging viel Vertrauen verloren. Wir müssen Acht geben, dass wir den Anschluss an bestimmte Gruppen nicht verlieren.
Da ist es gut, dass es Medienhäuser gibt, die in Nähe investieren. Das Hamburger Abendblatt verfügt nun über eine Regionalredaktion in Blankenese. Von hier aus wird die neue Elbvororte-Seite bestückt. Aus der Region für die Region. Ein Pilotprojekt. Eine Tür weiter sitzen die Kollegen vom KLÖNSCHNACK. Ich erwähne sie nicht, weil wir alle zu einem Unternehmen gehören, sondern weil das Stadtteilmagazin jeden Monat den Beweis antritt, dass Lokaljournalismus seine Berechtigung hat. Denn noch bevor der KLÖNSCHNACK druckfrisch in der Redaktion landet, stehen Leser am Empfang, um sich ein Exemplar zu holen. Das ist Leser-Blatt-Bindung.
Es bedeutet nicht den Tod des Journalismus, wenn die Menschen nicht mehr zur Zeitung greifen. Es ist egal, in welcher Form die Geschichte beim Leser landet. Tödlich dagegen ist es, wenn die Journalisten nicht mehr auf die Straße gehen, aufhören hinzusehen, zuzuhören, wenn sie nicht mehr der Sachlichkeit dienen und nicht mehr die Wahrheit suchen.
Katy Krause