MARITIMES HAMBURG
Die Romantik kehrt zurück
Hafen Hamburg
Seien wir ehrlich: Die Zahlen sind ernüchternd. Von den euphorischen Prognosen aus dem Jahr 2010 will im Hafen niemand mehr etwas wissen. Damals sagten Statistiker 25 Millionen umgeschlagene Standardcontainer (TEU) voraus, aber heute ist klar: Von denen werden etliche in Rotterdam landen. Der Umschlag liegt derzeit, sieben Jahre nach der großen Party, bei knapp 9 Mio. pro Jahr. Für 2030 erwartet die städtische Kristallkugel nun einen Wert zwischen 16,4 und 18,1 Mio. TEU. Auf die Kommastelle genau, versteht sich.
Eine bestimmte Zahl entwickelt sich auf dem Hafengelände jedoch prächtig: die der betriebsfremden Personen. Egal, welche Gruppe man heranzieht – Touristen, Kreuzfahrer, Tagesurlauber –, das Bild ist positiv. Zwischen 2006 und 2016 stieg die Zahl der Übernachtungen in Hamburger Hotels und Pensionen um knapp 86 Prozent. Allein 2016 kamen 6,6 Millionen Gäste, füllten die Schlange zum Miniaturwunderland und machten „Ah!“ und „Oh!“ im Nieselregen vor der Elbphilharmonie.
Die Silhouette des Hafens hat sich ob diesem Ansturm deutlich gewandelt. Wo um das Jahr 2000 noch merkantile Kargheit vorherrschte, steht nun ein buntes Potpourri aus Jung und Alt, Nützlich und Schön. „Rickmer Rickmers“ und Elbphilharmonie sind die Platzhirsche und freuen sich auf Neuzugänge wie den Flying P-Liner „Peking“ (die Viermastbark wird derzeit restauriert und liegt dann ab 2019 im Hafen). Stichwort Potpourri. Nicht nur Besucher merken es, auch in Hamburg spricht es sich herum: Dem touristischen und vor allem dem musealen Hafen fehlt noch etwas der Plan. Zwischen Wirtschafts- und Kulturbehörde ist man sich einig, dass es noch mehr Touristen werden sollen, allein über den genauen Kurs herrscht Uneinigkeit. Das zeigte sich besonders bei der Planung des „Deutschen Hafenmuseums“.
Probsts Kritik widersprach kurz darauf der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs (SPD) unter dem Schlachtruf „Kurs halten!“ Auch Kahrs sieht in dem 50er Schuppen den perfekten Standort, will die Bundesmittel jedoch nicht wieder hergeben, sondern das neue Museum mit allem was sonst noch zur Verfügung steht (u. a. Archivbestände der Museen) planen, bauen, eröffnen, kurz: durchziehen.
Tatsächlich ist das bestehende Hafenmuseum schon jetzt sehenswert. Zunächst der Standort: Es befindet sich mitten im ehemaligen Freihafen auf dem letzten und denkmalgeschützten Gelände eines Kaizungenensembles, dessen Struktur vor mehr als 100 Jahren angelegt wurde.
Teile der Ausstellungen im Hafenmuseum wirken aber noch improvisiert (das Museum wird im Wesentlichen von Ehrenamtlichen betrieben) und ungeordnet. Das hat Charme, macht aber eben auch deutlich, was sich hier mit 120 Mio. Euro bewirken ließe
Das neue Deutsche Hafenmuseum könnte zunächst per Schiffslinie 62 an den städtischen Fährverkehr angebunden werden. Später könnte es Impulse geben zum Sprung über die Elbe.
„Damit würde das Deutsche Hafenmuseum einen Prozess antreiben, der ohnehin schon im Gang ist“, schreibt Kahrs in der „Zeit“. „Die Verlagerung des Hafens Richtung Westen, die Entwicklung des Kleinen Grasbrooks und die Öffnung von Wilhelmsburg und der Veddel zu einem neuen großen Wohngebiet.“
Zukunftsmusik, gewiss, aber das war lange Zeit auch die Elbphilharmonie.
Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de