VERKEHR
Ein Dorf wächst
Jubiläen
Es hätte auch ein Dorf bleiben können, jene Ansammlung von Fischerhäusern am Hochufer, die heute auf den Namen Blankenese hört. So wie im Wilden Westen Nordamerikas die Eisenbahn für Entwicklung und Wachstum verantwortlich war, so brauchte es auch westlich von Hamburg die Kraft der Dampfmaschine. Am 19. Mai 1867, also vor genau 150 Jahren, wurde die Strecke Altona–Blankenese eröffnet und läutete eine Zeitenwende ein. Blankenese, das davor aus Hamburger Sicht allenfalls ein reizvolles aber abgelegenes Ausflugsziel war, zügig erreichbar nur über den Elbstrom, rückte nun in praktische Reichweite. Möglich war nun auch ein geregelter Berufsverkehr in Richtung Altona und Hamburg. Die Grundstückspreise stiegen, die Einkommen wuchsen und natürlich änderte sich die Bevölkerung. Viele repräsentative klassizistische Villen – abseits der noch älteren „Perlenkette“ der Elbchaussee – entstanden in jenen Jahren. Die Taktung der Züge war anfangs übersichtlich. Zunächst pendelten täglich vier Personenzüge der Altona-Kieler Eisenbahngesellschaft zwischen Blankenese und Altona. Die Verlängerung der Strecke bis nach Wedel erfolgte erst 1883. Das Dampfzeitalter währte bis 1908. In dem Jahr kam die S-Bahn und fuhr parallel zum noch immer mit Dampf betriebenen Güterverkehr auf der Strecke. Nach Wedel hielt sich das Dampfzeitalter noch Jahrzehnte länger. Erst 1954 rollte die erste S-Bahn in Richtung Schleswig-Holstein. Der Güterverkehr fuhr bis 1997.
Der Zar verkauft Alaska an die USA. Das Kapital von Karl Marx erscheint. In Paris wird die Weltausstellung eröffnet – das Jahr 1867 ragt in politischer wie wirtschaftlicher, kultureller wie wissenschaftlicher Weise hervor. Und hinterlässt auch in Blankenese bis in die Gegenwart reichende Spuren. So ist es sicher kein Zufall, dass mit dem Blankeneser Bahnhof und dem Amtsgericht zwei wichtige Marken gesetzt werden.
Damals wie heute gerieten Menschen mit dem Gesetz in Konflikt. Denn manchmal schlägt das Leben Purzelbäume. Gründe hierfür gibt es viele. Mal geht eine Liebe verloren wie ein Schal oder Regenschirm. Oder die Geschäfte laufen schlecht. Menschen greifen dann zu alkoholischen Getränken oder Rauschkraut. Bei anderen sind die Wünsche größer als das Portemonnaie. Sie stehlen, betrügen, rauben. Einige benutzen grobes Werkzeug oder auch nur ihre langen, listigen Finger. Wieder andere fallen im Straßenverkehr unangenehm auf, fahren zu schnell, prügeln auf Widersacher ein oder machen sich nach einem Unfall einfach davon.
Auch Wirtschaftsbosse und Politiker wollen gelegentlich Ansehen und Macht auf eine Art vergrößern, die der Gesetzgeber nicht goutiert. Werden diese Missetaten aktenkundig, schreibt der Staatsanwalt eine Anklageschrift. Richter und Angeklagte, Zeugen und Staatsanwälte treffen sich dann im Gericht.
Das ist heute so wie vor 150 Jahren. Als am 1. September 1867 das Königlich-Preußische Amtsgericht in Blankenese eingerichtet wurde, war das Selbstverständnis der Obrigkeit eine gänzlich andere als heute. Wobei die Zeugnisse aus dieser Zeit rar sind. Die zuverlässigste Geschichtsquelle für die ersten 40 Jahre des Bestehens des Amtsgerichtes seien die „Norddeutschen Nachrichten“, so steht es in der Festschrift anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Amtgerichtes. Wobei diese Zeitung erstmals 1879 erschien. Entsprechend selten sind die Quellen der ersten Jahre.
Die Wertschätzung dieser Arbeit seitens der Hamburger Justizbehörde hält sich in Grenzen. Für Festschrift und Veranstaltungen stellte die Behörde 750 Euro bereit. Dr. Torsten Bartels, derzeitiger Direktor im Amtsgericht Blankenese: „Damit kann man nicht viel anfangen.“
Autoren: Tim Holzhäuser (Bahnhof) Helmut Schwalbach (Gericht)