1. September 2016
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Ein Gewinn für unser Leben  

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KOMMENTAR

Ein Gewinn für unser Leben  

GASTKOLUMNE: Blankenese bekommt ein Hospiz

Die Theologin Clarita Loeck (65) ist Vorsitzende des Blankeneser Hospiz e.V.
Die Theologin Clarita Loeck (65) ist Vorsitzende des Blankeneser Hospiz e.V.
Eine Idee wird endlich Wirklichkeit: Seit nunmehr zehn Jahren verfolgt der Blankeneser Hospizverein das Projekt, in Blankenese ein christliches Hospiz zu gründen. Seit drei Jahren gibt es auch eine Stiftung als Bauherrin dieser ehrgeizigen Unternehmung.

Ein Hospiz – das ist inzwischen allgemein bekannt – ist ein Ort, an dem Menschen mit unheilbaren Erkrankungen ihre letzte Lebenszeit verbringen. Dort werden sie gepflegt und umsorgt, manche Wünsche werden ihnen erfüllt und alle Angehörigen oder Freunde, die dem Schwerkranken lieb und wichtig sind, können rund um die Uhr bei ihnen sein.

In Blankenese entsteht nun ein solches Hospiz für den Hamburger Westen – der Geist der Nächstenliebe soll dort spürbar sein und ist grundlegend für die Mitarbeitenden.

Aber was macht ein solches Haus mit der Gesellschaft und was macht es mit seiner Umgebung, mit den Blankenesern? Mitten im Zentrum – direkt hinter der Kirche wird eine Herberge eröffnet, die zehn Sterbenden einen Platz für ihre letzte Lebensphase bietet. Dort wird man also dem Tod begegnen. Dort, wo sich das pulsierende Leben des bekannten Vorortes abspielt, werden die Bürger – wie es ein Choral ausdrückt – mitten im Leben von dem Tod umfangen sein. Das fühlt sich für manche Menschen wie eine Provokation an, denn nicht jeder möchte sich mit dem Sterben auseinandersetzen oder der Tatsache begegnen, dass wir alle eines Tages diesen Weg gehen werden.

„Keinen Abschnitt des Lebens wollte man in der Blankeneser Gemeinde ausblenden…“

Doch im Hamburger Westen gibt es überraschend viel positive Resonanz. Großspender, Schulkinder oder Marktbeschicker haben den Bau zu ihrer Sache gemacht. Ob zu Beerdigungen oder zu besonderen Geburtstagen, zu goldenen Hochzeiten oder Jubiläen – die Bürger finden viele Anlässe, das 4,5 Millionen teure Projekt finanziell zu unterstützen.

Aber nicht nur die notwendige monetäre Unterstützung ist bemerkenswert, auch die aktive Hilfe der Ehrenamtlichen. Seit der Gründung des Hospizvereins wurden schon elf Kurse für Sterbebegleitung angeboten. Jeweils von Januar bis November werden Interessierte in hundert Stunden und einem zusätzlichen Praktikum ausgebildet. Danach sind sie qualifiziert, um den Sterbenden im häuslichen Bereich oder im Pflegeheim und später auch im Hospiz zur Seite zu stehen. Über 100 Ehrenamtliche haben diese Ausbildung bereits absolviert, viele von ihnen sind aktive Begleiter geworden.

Auto Wichert
Seit Beginn der Arbeit dieses ambulanten Hospizdienstes gelingt das, was die Initiatoren erreichen wollten: Es sollte ein Bogen geschlagen werden von der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen über das Engagement für junge Familien und ältere Menschen bis hin zur letzten Lebensphase. Keinen Abschnitt des Lebens wollte man in der Blankeneser Gemeinde ausblenden. Diese Vision scheint nun Wirklichkeit zu werden. Im Juni feierten 150 Gäste und Aktive in der Godeffroystraße 29 Grundsteinlegung und Richtfest.

Längst ist das Gebäude direkt hinter der Kirche am Markt aus der Erde gewachsen. Mit dem Größerwerden ist aber auch bei manchen das Bewusstsein und die Erkenntnis gereift, dass in dem neuen Haus ab Frühjahr 2017 tatsächlich Menschen sterben werden. Vielleicht würden manche Blankeneser dann lieber einen Bogen um das Hospiz machen, um nicht trauernden Angehörigen oder gar einem Leichenwagen zu begegnen.

Die Patienten der Arztpraxis aber, die ihren Sitz im gleichen Gebäude hat, können diesen Bogen nicht machen. Zwar gibt es für den Arztbesuch einen extra Eingang und die Stiftung sorgt dafür, dass der Betrieb des Hospizes so diskret verläuft, wie es nur möglich ist.

Aber das Haus lässt sich nicht verstecken und das sollte auch niemand wollen. Stattdessen werden uns allen die Gedanken zugemutet, dass der Tod zum Leben gehört und dass auch wir einmal sterben werden. Das wusste schon der biblische Psalmdichter, als er schreibt: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden!“ Lebensklug.

Wer auf die vielen positiven Erzählungen und Erfahrungen der aktiven Hospiz-Begleiter hört, der wird begreifen, dass diese Tätigkeit ein Gewinn sein kann und Schule machen sollte. Die Ehrenamtlichen betonen häufig, dass der nahende Tod sehr eng zum Leben dazugehört.

So wie das Emmaus Hospiz mitten in unser lebendiges Dorf gehört.

Clarita Loeck 

Buchbinderei Erdmann

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