SEGELN
Eine unglaubliche Geschichte
Das Schicksal des Katamarans „BeGoodToo“
In Blankenese klingelt das Telefon. Doris Rodatz erfährt von ihrer in Schottland lebenden Tochter Unglaubliches: Fast auf den Tag genau drei Jahre nach einer Rettung aus dem tosenden Atlantik (300 Seemeilen vor Virginia), spült das Meer das Wrack des Schiffes zweier Blankeneser vor der schottischen Küste wieder an.
Der Zufall wollte es, dass ein schottischer Fotograf den kieloben gestrandeten Katamaran auf den Hebriden entdeckte. Sein Foto schmückt die Doppelseite zu Beginn dieser unglaublichen Geschichte.
Der KLÖNSCHNACK traf Doris Rodatz. Für uns beschreibt sie die Geschichte einer gescheiterten Karibik-Reise:
„Unsere Jungfernfahrt zu den britischen Jungferninseln…“
8. Januar 2014
Endlich – es kann losgehen! Einen Tag nach einem heftigen Blizzard hatten wir unseren Segel-Katamaran „BeGoodToo“ (Prototyp Alpha 42) mit sieben Monaten Verspätung in New Jersey, Liberty Harbor, in Empfang genommen. Unsere Jungfernfahrt konnte beginnen.
Eigentlich war der Plan, an der Ostküste den Intracostal Waterway bis nach Cape Hatteras hinunter zu segeln und von dort aus quer rüber. Hank hatte einen Wetterbericht, der uns sicher fühlen ließ. Er schlug vor, den direkten Weg zu nehmen – also nicht den Intracostal Waterway.
Als wir starteten war es bitterkalt, doch nach drei Tagen hatten wir den Golfstrom erreicht. Die Temperaturen stiegen und wir genossen zwei weitere wunderschöne Segeltage, bevor sich das Blatt wendete.
Wir waren zu langsam, und ein Sturm überraschte uns mit 9 bis 10 Windstärken, die die Wellen zu sechs Meter Höhe auftürmen ließen. Als es wieder ruhiger wurde, waren wir dankbar und wägten uns in Sicherheit. Am nächsten Tag wurden wir von einem weiteren, viel heftigeren Sturm mit Böen bis zu 12 Beaufort und acht Meter hohen Wellen heimgesucht.
Eine Teak-Stufe im Cockpit wurde aus ihrer Verankerung gerissen und flog über Bord. Später stellten wir fest, dass der Generator außer Gefecht gesetzt war. Eine Maschine hatte ihren Geist aufgegeben, die zweite Maschine lud die Batterien nicht mehr. Somit hatten wir keinen Strom. Da wir Wasser aufnahmen, mussten wir es manuell über Bord pumpen, denn die automatischen Lenzpumpen arbeiteten nicht mehr.
„I’m ready when you’re ready…!“
Schließlich entschlossen wir uns, über Satelliten- Telefon die US Coast Guard um Hilfe zu bitten. Uns wurde mitgeteilt, dass am nächsten Tag ein noch heftigerer Sturm angesagt war und es sei die Aufgabe der US Coast Guard, „… keine toten, sondern lebendige Körper aus dem Wasser zu bergen…“ Ein Schiff in der Nähe hätte uns aufnehmen können, aber das war auf dem Weg nach Israel und die Entfernung war uns doch etwas zu weit. Es wurde vereinbart, dass die US Coast Guard uns am nächsten Morgen um 9 Uhr mit dem Helikopter bergen würde. Eine Rettungsaktion in der Nacht wäre zu riskant gewesen.
An diesem Abend brachen wir unsere Regel, beim Segeln keine alkoholischen Getränke zu uns zu nehmen und öffneten einen wunderbaren Grand Cru, den wir eigentlich lieber zu einem anderen Anlass getrunken hätten.
14. Januar 2014
Tatsächlich um Punkt 9 Uhr hörten wir das Begleitflugzeug. Einige Augenblicke später erschien auch der Helikopter. Als per Funk nach der Wassertemperatur gefragt wurde, war mir klar, dass wir alle ins Wasser springen mussten, denn der Hubschrauber konnte uns wegen der Masthöhe natürlich nicht vom Boot direkt aufnehmen.
Einer nach dem anderen sollte mit der Winde hochgezogen werden. Ein Rettungsschwimmer wurde abgeseilt und nahm unseren Journalisten (als Versuchskaninchen) in Empfang. Er wurde in einem Rettungskorb hochgezogen. Da Wind und Wellengang zunahmen, wurde angeordnet, dass alle weiteren Personen mit einer Schlinge hochgezogen werden sollten, um die Rettungsaktion zu beschleunigen.
„Mein erster Gedanke war, sofort dorthin zu fliegen, um mir das Wrack anzusehen …!
Ein dreistündiger (!) und mein erster Hubschrauberflug stand uns bevor – in triefend nassen Klamotten. Und es war kalt! Auf halber Strecke landeten wir zum Auftanken auf der USS Ross, bevor wir dann endlich auf der US Coast Guard Airbase in Elisabeth City, North Carolina landeten.
Ein Schwarm von Menschen begrüßte uns, und einige eifrige Rotes-Kreuz-Mitarbeiter konnten es kaum erwarten, sich um uns zu kümmern. Sie dachten wohl, wir seien schwer enttäuschte Überlebende, aber wir waren total gesund, nicht traumatisiert und in sehr guter Verfassung. Alles, was wir wirklich wollten, war eine heiße Dusche und trockene Klamotten.
Ich bekam einen Anruf von meiner Tochter, die in Schottland lebt. Ihr Mann hatte in den BBC News gehört, dass BeGoodToo auf der schottischen Hebriden-Insel Uist gestrandet ist.
Ich konnte es nicht fassen. Beinahe auf den Tag genau drei Jahre später …!
Unglaublich!
Mein erster Gedanke war, sofort dorthin zu fliegen, um mir das Wrack anzusehen. Doch bald änderte ich mein Vorhaben, denn eigentlich hatte ich mit dieser Geschichte schon abgeschlossen.
Ich stehe in Kontakt mit Jef Martin, dem Fotografen, der das Wrack von BeGoodToo entdeckte. Er hat mir einige Fotos geschickt. Das schönste von ihnen habe ich vergrößert in meinem Flur hängen und jedes Mal, wenn ich daran vorbeigehe, denke ich an unser Abenteuer mit BeGoodToo.
Ich bin sicher, dass ich irgendwann einmal nach Uist reisen werde, denn das Gefühl lässt mich nicht los, dass diese Insel vielleicht irgendetwas für mich bereit hält …
Doris Rodatz