NATUR
Einigen blutet das Herz
Wenn Bäume gehen müssen
Hamburg gilt als eine der grünsten Städte Europas. Einige Hanseaten sprechen gar von „grüner Hölle“, wenn sie mit dem Boot elbabwärts unterwegs sind. Das viele Grün hat tatsächlich einige Schattenseiten – im wahrsten Sinne des Wortes.
Hamburg meint zudem, ohne ein Nachbargesetz auskommen zu können, hat sich jedoch eine der strengsten Baumschutzverordnungen gegeben.
Der Grundstückseigentümer darf aber nicht von sich aus lossägen, sondern muss zunächst formlos eine behördliche Entscheidung beantragen. Sie wird nur für die Zeit vom 1. Oktober bis 28. Februar erteilt, also außerhalb der Wachstumszeit (Bundesnaturschutzgesetz).
Nicht immer zeigen sich Anwohner oder andere Naturfreunde einsichtig oder gar fachlich versiert.
„Kahlschlag am Mühlenberg“, so Ludger Weiß auf Facebook. Der Querschnitt sieht, soweit er das bei Dunkelheit erkennen könne, „ganz gesund aus“. Gleichzeitig wird aus dem „Kahlschlag“ ein Baum, der „im Dunkeln nicht richtig zu erkennen war, weil das zersägte Holz auf zwei Stellen verteilt war“. Trauer unter Baumfreunden herrschte kürzlich in Othmarschen am Beseler Platz/Reventlowstraße. Vier Kastanien mussten gefällt werden. Krankheit und sich wegen der Wurzeln hebende Pflastersteine wurden vom Amt als Grund genannt. „Jetzt ist nichts mehr zu machen“, so Sabine Scheefe. Resigniert gibt die Geschäftsfrau ihren Widerstand gegen den Baumtod auf.
Auch unterirdisch droht Ungemach: Wachsen Wurzeln zum Nachbarn, so darf der diese auch ohne Fristsetzung selbst abschneiden – ohne den Baum zu gefährden. Will der Nachbar eine Kostenerstattung, so muss er zuvor die Möglichkeit geben, die Wurzeln selbst zu stutzen. Laub und Nadeln sind „gewöhnliche Emissionen“ und müssen geduldet werden. Werden jedoch Regenrinnen und Abflussrohre verstopft, so greift der nachbarliche Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, und die Sachlage kann auch Einfluss auf eine behördliche Entscheidung haben. Eine Vielzahl von Gerichtsurteilen belegen diese Erfahrungen.
Trotz aller Fällaktionen bleibt Hamburg einer der grünsten Städte Europas. Auch wenn es mal einen Baum vor der Haustür erwischt.
Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de