3. Juli 2018
Magazin

„Erst einmal die Welt angucken“

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INTERVIEW DES MONATS 

„Erst einmal die Welt angucken“

Sagen Sie mal …
Paula Schlimper, Christianeum-Absolventin

Gerade das Abitur bestanden, traf die Christianeum-Absolventin den KLÖNSCHNACK zum Gespräch im „Marktcafé“ ihres Vaters Michael Heveker. Nun geht sie erst einmal auf Reisen.

„Die sind unter 18 Jahre und haben wenige Möglichkeiten. Deshalb ist das Gap Year bei uns so beliebt.“
„Die sind unter 18 Jahre und haben wenige Möglichkeiten. Deshalb ist das Gap Year bei uns so beliebt.“
Paula, vor gerade mal 24 Stunden hast Du (Der Interviewer kennt seine Gesprächspartnerin von klein auf.) erfahren, dass Du das Abitur bestanden hast. Wie fühlst Du Dich jetzt?

Mir ist eine Last von 100 Kilo von den Schultern gefallen. Obwohl ich nicht gezweifelt habe, dass ich das Abitur schaffe.

Wie sieht Dein weiterer Weg aus?

Es war für mich von vornherein klar, dass ich eine Ausbildung machen werde. Das hätte ich theoretisch auch mit einem Realschulabschluss machen können.

Hast Du Dir klargemacht, dass Du rund 50 Jahre Berufstätigkeit vor Dir hast?

Das will man sich gar nicht klarmachen (lacht). Erst einmal werde ich reisen. Wenn ich zwischendurch in Hamburg bin, werde ich Praktika machen oder jobben. Ansonsten werde ich mir erst einmal die Welt angucken.

Wo liegen Deine nächsten Ziele?

Als erstes liegt eine Woche Barcelona vor mir. Dann mache ich einen Monat Interrail durch Europa. Paris, Madrid, Valencia über die Côte d’Azur nach Italien und dann wieder zurück nach Hamburg.

Wie ist die Tendenz bei Deinen Mitschülerinnen, gleich studieren oder erst einmal reisen?

In meiner Stufe sind viele sehr jung. Die sind unter 18 und haben wenige Möglichkeiten. Deshalb ist das Gap Year (Überbrückungsjahr, Red.) bei uns so beliebt.

Es gibt also eher wenige, die ganz schnell studieren und Geld verdienen wollen?

Gerade die, die ein sehr gutes Abi gemacht haben, wollen erst einmal was von der Welt sehen, bevor wir uns ins Arbeitsleben stürzen.

Die Generation der ganz straighten Abiturienten ist vorbei?

Das hat auch mit dem Alter zu tun. Eine Freundin von mir hat gerade auf der Rudolf-Steiner- Schule Abi gemacht. Das macht man dort erst nach 13 Jahren. Dementsprechend älter sind die Absolventen. Die fangen jetzt direkt an zu studieren, weil sie sich bereit fühlen zum studieren. Sie haben viel mehr und festere Tendenzen, was sie machen wollen.

Bäckerei Hartmut Körner e.K.

Welche Rolle spielt das Thema Geldverdienen in Deiner Generation?

Wir haben uns mit diesem Thema auch im Unterricht beschäftigt. Es gibt ein Fach, in dem man lernt, wie etwa eine Steuererklärung gemacht wird oder den Plan zu erstellen, was muss ich verdienen, wenn ich Kinder und ein Auto haben will.

„Warum muss ich diese Fächer in mein Zeugnis einbringen?“

Wie geht es nach Deinem Gap Year mit Dir weiter?

Das steht noch nicht ganz fest. Als ich neulich einen Monat in Kapstadt war, hat sich bei mir im Kopf so viel getan. Ich bekam immer wieder neue Ideen, was ich machen möchte. Deshalb lasse ich mir alles noch offen. Erst einmal will ich gucken, wohin das Reisen mich am Ende führt.

Was hat sich in Deinem Kopf konkret getan?

Ich habe meinen Eltern lange gesagt, dass ich mich überhaupt nicht studieren sehe. Nach Kapstadt sehe ich das anders, weil ich das dortige Studentenleben kennengelernt habe. Als ich mir die dortige Uni angeguckt habe, kam die Idee, doch zu studieren.

Paula Schlimper im Gespräch mit Helmut Schwalbach
Paula Schlimper im Gespräch mit Helmut Schwalbach
Was sah von Kapstadt aus hier in Deutschland anders aus?

Dort war viel weniger drumherum um mich. Ich konnte mich nur um mich selbst kümmern. Dabei konnte ich ohne Druck von außen über mich nachdenken. Freie Entscheidungen waren dort eher möglich als hier. Die Richtung meines Weges hat sich nicht verändert, doch in Kapstadt habe ich eine Uni für Communications Design gefunden, die mir gefällt.

Schule treibt vielen die Bereitschaft zum Lernen vorübergehend aus?

Pauschalisieren kann man das nicht. Es gibt für mich aber Fächer, bei denen ich nicht sehe, warum ich sie in mein Abi-Zeugnis einbringen muss.

Welche Fächer sind das?

Für mich zählt Mathe dazu, auch andere naturwissenschaftliche Fächer. Für mich sind sie nicht wichtig. Ich hätte gern andere Schwerpunkte in der Oberstufe gesehen.

Welche Rolle spielt bei Deinen Mitschülern das Thema Freiwilliges Soziales Jahr?

Das spielt eine große Rolle. Einige haben schon während der Schulzeit an internationalen Projekten teilgenommen. Andere Organisationen kamen an die Schule und haben für ihre Projekte geworben. Ein Drittel meiner Stufe macht so etwas oder Ähnliches.

Du bis schon sehr jung sehr weit gereist.

Richtig. Seit ich fünf bin fährt mein Papa jedes Jahr einmal nach Indien mit mir. Dadurch habe ich eine ganz andere Kultur erlebt. Eine Kultur, die mich mitgeprägt hat.

Was beeindruckt Dich an Indien besonders?

Die Art der Menschen hat mich früh begeistert. Sie sind immer freundlich und anderen gegenüber offen. Sie gucken nie befremdlich, nehmen andere freundlich auf. Das hat mich geprägt und ich habe mir früh vorgenommen, das auch hier so zu leben.

„Ich habe in Indien viel Armut gesehen.“

Dann hast Du auch früh gesehen, was es bedeutet, arm zu sein.

Ich habe viel Armut gesehen. Das hat auch mein Bewusstsein gestärkt, zu sehen, was wir hier haben. Es ist gut, sich mal kurz ins Bewusstsein zu rufen, wie wir hier leben. In diesen Ländern kämpfen viele Menschen ums tägliche Überleben.

Kennst Du und Deine Generation etwas wie Zukunftsangst?

Einige bekommen von zu Hause viel Druck, machen sich dadurch viel Stress. Doch richtige Zukunftsangst kennt meine Generation nur in wenigen Fällen. Mal abgesehen davon, dass viele noch keinen festen Plan haben.

Ausgeprägt ist bei Deinen Mitschülern der Aspekt Welt angucken. Was steckt denn hinter diesem Wunsch?

Vielen gehen die Elbvororte, das Christianeum besonders, ein wenig auf die Nerven. Man lebt wie in einer kleinen, realitätsfremden Welt, wie in einer Blase, in der man acht Jahre sitzt. Dabei ist die Welt doch ganz anders.

Wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt, darf ein Mensch mal träumen. Hast Du Träume?

Wir sprechen häufig über dieses Thema. Doch gerade weil im letzten Jahr bei mir viel geplatzt ist, habe ich zur Zeit keine Träume. Jetzt habe ich mich erst einmal aufs Jetzt fokussiert. Vielleicht kommen demnächst während des Reisens ein paar Träume.

Wie sieht es mit einem Lebensplan aus? Drei Kinder im Reihenhaus in Pinneberg?

In meinem Alter wird sich noch so viel ändern. Da hat es wenig Sinn, einen Lebensplan zu entwerfen. Vielleicht treibt mich die Liebe an einen Ort, von dem ich noch nie etwas gehört habe.

Paula, wir danken für das Gespräch und wünschen Dir eine erlebnisreiche Zeit auf Deinen Reisen.


Gespräch: Helmut Schwalbach, Louisa Heyder (Fotos)

www.kloenschnack.de

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