1. Oktober 2018
Magazin

„Es muss jetzt entschieden werden!“

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INTERVIEW DES MONATS 

„Es muss jetzt entschieden werden!“

Sagen Sie mal …
… Klaus Mader, Klimaexperte

So häufig wie in diesem Jahr wurde lange nicht über das Wetter geredet. Grund genug für den KLÖNSCHNACK, einen Experten vom Deutschen Wetterdienst zum Gespräch zu treffen.

„Vielleicht sind Sie nur ein schlechter Zuhörer. Es kann durchaus geregnet haben, nur über Ihrem Garten nicht.“
„Vielleicht sind Sie nur ein schlechter Zuhörer. Es kann durchaus geregnet haben, nur über Ihrem Garten nicht.“
Herr Mader, wie werden Wetter und Klima klar abgegrenzt?

Wetter ist der kurzzeitige Verlauf der einzelnen Wetterparameter etwa von Tagen bis zu wenigen Wochen. Das Klima hingegen beschreibt den durchschnittlichen Verlauf des Wetters über einen langen Zeitraum (Jahrzehnte).

Wetter ist ein höchst komlexes Geschehen. Wetterprognosen sind entsprechend schwierig. Warum liegen Sie manchmal völlig daneben, aber Klimaprognosen werden über große Zeiträume abgegeben?

Die Methodik von Wettervorhersagen und Klimaprognosen sind völlig unterschiedlich. Beim Wetter werden viele Wetterparameter gesammelt und dann in die Zukunft gerechnet. Für eine Klimaprojektion ist der Anfangszustand der Atmosphäre nicht maßgebend. Eher werden die Wirkungen auf das zukünftige Klima über Zeiträume mehr als 100 Jahren anhand angenommener Vorgaben („Szenarien“) berechnet.

Das erklärt die unterschieldliche Qualität von Wetterberichten und Klimaprognosen?

Heute ist eine Sieben-Tage-Vorhersage genauso gut, wie zum Besispiel 1968 eine 24-Stunden-Prognose. Da hat sich in der Vorhersagegüte enorm viel getan. Trotzdem gibt es natürlich auch Fehlprognosen. Oft interpretiert der Zuhörer die Vorhersage aber auch falsch. Wenn sie zum Beispsiel hören, „am Nachmittag Schauer und Gewitter“ und bei Ihnen scheint die Sonne, zweifeln Sie an der Qualität des Berichtes. Die Berichte beziehen sich jedoch auf ein mehr oder weniger großes Gebiet. In diesem Gebiet kann es durchaus geregnet haben, nur eben nicht über Ihrem Garten. So ist die Vorhersage durchaus als richtig zu werten, auch wenn es bei Ihnen trocken blieb. Wer es möglichst genau wissen möchte, sollte Medien nutzen, die lokale Vorhersagen für einen kleinen Vorhersagebereich veröffentlichen, zum Bespiel für Hamburg und nicht für ganz Deutschland. Für die Einschätzung der aktuellen Wettersituation können Sie auf das Wetterradar schauen und erkennen, wo gerade Regengebiete durchziehen. Die Klimaprognosen zeigen dagegen einen Trend einiger weniger Wetterparameter auf. Als Vorgaben dienen dabei unter anderem Schätzungen der zu erwartenden Änderung der Strahlung durch den weltweiten zeitlichen Verlauf der Konzentrationen klima – relevanter atmosphärischer Spurengase, die Konzentration von Aerosol mit seinem Einfluss auf den Strahlungshaushalt und externe Antriebe wie zum Beispiel dem Strahlungsantrieb der Sonne. Die Szenarien basieren auf Annahmen über zukünftige gesellschaftliche und technologische Entwicklungen.

„Wir können nicht wissen, wie viel fossile Brennstoffe wir 2050 noch verfeuern.“

Nun wurde seit Mai, seitdem wir dieses ungewöhnliche Wetter genießen, ständig über dieses Thema gesprochen und berichtet. Wie haben Sie das als Experte erlebt?

Im Jahr 2003 hatten wir einen ähnlich warmen Sommer. Damals habe ich es nicht so empfunden, dass das Thema in der Öffentlichkeit in Hinblick auf den Klimawandel so stark thematisiert wurde, obwohl damals viele Menschen besonders in Südeuropa gestorben sind. Das Bewusstsein, dass der Klimawandel diese Katastrophen erzeugen kann, ist zunehmend in den letzten Jahren von der Öffentlichkeit wahrgenommen worden. Die Art und Weise, wie mancherorts der Klimawandel dramatisiert worden ist, kann natürlich infrage gestellt werden. Fakt ist, die Menschen müssen wachgerüttelt werden. Deutschland war z. B. in den 90er Jahren Vorreiter bei Katalysatorfahrzeugen. Wäre das nicht immer wieder ins Gespräch gebracht worden, würden wir heute noch mit deutlich umweltschädlicheren Autos durch die Gegend fahren. Beim Klimawandel ist es so, dass sich unser heutiges Tun erst in vielen Jahren auswirken wird, deshalb müssen die Politiker schon heute handeln.

Wird der Sommer nächstes Jahr also wieder so warm?

Es kann genauso gut sein, dass der nächste Sommer kühler wird oder sich normal verhält. Entscheidend ist, dass der Temperaturverlauf im Durchschnitt seit Beginn der Industrialisierung vor etwa 150 Jahren nach oben zeigt.

Nun gibt es auch Theorien, die besagen, dass sich bei uns auch ein arktisches Klima einstellen könnte.

Dies ist ein Bereich, in dem sich Wissenschaftler streiten. Entscheidend ist bei der kalten Variante das Verhalten des Golfstromes. Gelangt dieser durch das Einbringen von Süßwasser der abschmelzenden Grönlandgletscher nicht mehr nach Nord- und Mitteleuropa, so hätten wir in Deutschland Temperaturverhältnisse wie auf Neufundland. Klimaforscher und Ozeanografen arbeiten Hand in Hand, um derartige Phänomene besser einschätzen zu lernen.

Bäckerei Hartmut Körner e.K.

Wie weit werden diese Szenarien von der Politik gesteuert? Kommt der Naturschutz eventuell doch erst an zweiter Stelle?

Ich habe das Gefühl, dass die Politiker langsam begreifen, dass es ein Thema ist, das ernst genommen werden muss. Die Wirtschaft, besonders derzeit in den USA und China, hat ein Interesse daran, die Klimaängste klein zu halten. Den meisten Politikern der wirtschaftlich starken Länder wird mehr und mehr bewusst, dass man jetzt etwas tun muss.

Machen wir nicht einen Denkfehler, wenn wir davon ausgehen, dass wir hier wesentlichen Einfluss auf die Erderwärmung nehmen, wenn gleichzeitig in China und Südamerika unglaubliche Mengen von C02 in die Luft entlassen werden?

Würden wir in Deutschland kein CO2 mehr in die Luft blasen, würde das im Weltmaßstab in der Tat nur wenig ändern. Hier bringe ich wieder das Beispiel des Katalysators. Früher gab es in Ländern wie Frankreich noch länger Autos ohne Kat zu kaufen als in Deutschland. Heute haben alle neuen PKW Katalysatoren. Es muss also Länder mit Vorbildfunktion geben. Das gilt auch beim Thema Erderwärmung. Hier kann die Wirtschaft eine große Rolle mitspielen und den Klimaschutz mit vorantreiben. Etwa bei der Windkraft oder der Solarenergie.

Angenommen, Sie könnten diktatorisch bestimmen, was würden Sie unter dem Aspekt Erderwärmung und Klima ändern?

Die Entwicklung geht in die richtige Richtung und die Politiker sind auf dem richtigen Weg. Das Problem ist: Wenn etwas zum Klimaschutz getan wird, kostet das viel Geld. Auch das Geld der Bundesbürger. Trotzdem muss der Klimaschutz weiter vorangetrieben werden. Wir sind in der Pflicht.

Umwelt- und Naturschutz kommen sich mitunter ins Gehege …

So etwa bei den Windkrafträdern. Wenn man an Vögel und Fledermäuse denkt, gibt es schon verschiedene Interessen. Ebenso gibt es auch unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Einfügung von Windparks in das Landschaftsbild.

Klaus Mader auf dem Dach des über 100 Jahre alten Gebäudes des Deutschen Wetterdienstes, der einstigen Navigationsschule Hamburg
Klaus Mader auf dem Dach des über 100 Jahre alten Gebäudes des Deutschen Wetterdienstes, der einstigen Navigationsschule Hamburg
Muss man im Umwelt- und Klimaschutz mit Verboten arbeiten oder kann die Politik auf Einsicht setzen?

Manchmal müssen die Menschen zu vernünftigem Verhalten angehalten werden. Des Weiteren muss man auch Überzeugungsarbeit leisten. Ein Beispiel aus meiner Praxis: So freue ich mich jeden Morgen, wenn meine Badezimmerbeleuchtung früher 240 Watt verbraucht hat und heute sind es nur noch 20 Watt bei gleicher Lichtausbeute.

„Die Politiker haben begriffen, dass Klimaschutz ein ernstes Thema ist.“

Was kann der Einzelne im Alltag für das Klima tun?

Er sollte einfach umweltbewusster sein. So reicht es etwa, nur fünf Minuten zu duschen statt einer Viertelstunde. Oder das Licht auszuschalten, wenn es nicht gebraucht wird. Das Gleiche gilt für den Fernseher und andere Stromfresser. Man kann mit Bahn und Bus fahren, Fahrgemeinschaften bilden und weniger Müll produzieren. Es gibt also eine ganze Reihe einfacher Dinge, die im Alltag für den Klimaschutz getan werden können.

Nun ist das Thema Ökobilanz ein sehr schwieriges Thema. So kann ein aus Neuseeland eingeflogener Apfel umweltverträglicher sein als ein Apfel aus dem Alten Land, der monatelang gekühlt wurde.

Auch hier habe ich ein gutes Beispiel: Der norddeutsche Joghurt schmeckt genauso gut wieder süddeutsche. So werden die Produkte nur ausgetauscht und sorgen für einen riesigen Lkw-Verkehr, der nicht nötig wäre.

Wie wir das Gespräch begonnen haben, möchten wir es mit dem Wetter beenden: Wie wird das Wetter im kommenden Herbst?

Bei der Temperatur werden wir nach der Jahreszeitenprognose wahrscheinlich bis in den Dezember hinein leicht über dem Schnitt liegen.

Herr Mader, der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.


Fragen: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de
Fotos: louisa.heyder(at)kloenschnack.de
Mollwitz Masivbau GmbH

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