MEINE MEINUNG
Für das Leben Sinn gewinnen!
Frie Bräsen. Fasten
Fasten bedeutet Verzicht auf liebgewordene Angewohnheiten, oft mit Genuss verbunden, wie essen, trinken, naschen, rauchen, fernsehen, im internet surfen usw. Fasten in der Passionszeit ist vor allem die Übung, von sich selber und dem eigenen Lebensstil einen Abstand zu gewinnen.
Das Fasten verfolgt im christlichen Kontext keinen Selbstzweck; mit Abstand wird nicht nur das Selbst betrachtet, sondern auch Gott, der in Jesus Christus Mensch wird. Und dieser Weg des Göttlichen auf unserer Erde führt durch Höhen und Tiefen, durch Freudiges und Trauriges, durch Heilung und Leiden, durch Schuld und Vergebung, durch Leben und durch Tod – Jesus begleitet Menschen durch alle Farben des Lebens und führt selber dieses Leben als Mensch bis in die letzte Konsequenz. Das Leiden und der Tod sind keine Schönheitsfehler eines unvollkommenen Lebens, sondern sie sind fester Bestandteil und gehören dazu. Wenn Leiden und Tod erfahren werden, ist es eine große Herausforderung für jede und jeden, dies anzunehmen, ohne den Glauben zu verlieren, dass das Lebendige die bestimmende Kraft ist und bleibt, auch wenn es in den Grenzerfahrungen anders scheint.
„Das Leiden und der Tod sind keine Schönheitsfehler eines unvollkommenen Lebens, sondern sie sind fester Bestandteil …“
In Zeiten der Kirchen- und Theologiegeschichte wurde der Tod Jesu als Opfertod für die Sünde der Menschen erklärt, als habe Gott ein solches Opfer zur Wiedergutmachung nötig, als müsse ein Opfer den Ausgleich herstellen zwischen dem guten Gott und dem bösen Menschen. Diese Erklärung des Kreuzes stützt sich aus meiner Sicht eher auf ganz menschliches Gerechtigkeitsverständnis, das auf Ausgleich und Wiedergutmachung basiert und mit einer gehörigen Portion von Rache und Vergeltung einhergeht. Das Grundverständnis von Gottes Nähe zu den Menschen erschließt sich aber durch Vergebung und Gnade, so auch sein Tod am Kreuz. „Jesus ist für uns Menschen gestorben!“ Wenn der Satz seine Richtigkeit hat, dann in dem Sinn, dass damit seine liebevolle Zuwendung in ihrem vollen Ernst offenbar wird.
Und doch bedeutet das Kreuz auch eine Offenlegung der Widersprüchlichkeit unseres Lebens, wir sind nicht nur Leidtragende, sondern wir sind auch solche, die anderen Leid zufügen. Wir brauchen Vergebung, die wir anderen schenken und die wir für uns selber annehmen können. Wir versuchen, einen guten Eindruck zu machen, mühen uns, gut zu sein, und verdecken damit unsere Grenzen und unsere Unzulänglichkeiten. Die Betrachtung der Leidensgeschichte Jesu will uns nicht anklagen, sondern uns ermutigen, ehrlich mit uns selber zu sein, uns selber zu betrachten und nicht anklagend mit Fingern auf andere zu zeigen. Das Fasten schafft Abstand und hilft so, zu einer nüchternen Betrachtung des eigenen Lebens zu gelangen, um Sinn neu zu gewinnen. Frie Bräsen