1. Dezember 2016
Magazin

Für jeden vergeudeten Euro haben Bürger gearbeitet

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DER HAUPTSTADTBRIEF

Für jeden vergeudeten Euro haben Bürger gearbeitet

Das „Schwarzbuch 2016/17“ erfasst 110 Beispiele von Steuergeldverschwendung. Besonders schlimm sieht es bei staatlichen Unternehmen aus | Von Reiner Holznagel

Eine wachsende Mehrheit in Deutschland hält die allgemeine Steuer- und Abgabenlast für zu hoch. Auch die persönliche Belastung wird überwiegend als zu hoch eingeschätzt. Parallel dazu nimmt der Anteil jener Befragten ab, die sowohl die allgemeine wie die eigene Belastung als angemessen empfinden.
Eine wachsende Mehrheit in Deutschland hält die allgemeine Steuer- und Abgabenlast für zu hoch. Auch die persönliche Belastung wird überwiegend als zu hoch eingeschätzt. Parallel dazu nimmt der Anteil jener Befragten ab, die sowohl die allgemeine wie die eigene Belastung als angemessen empfinden.
Im Frühjahr 2016 startete das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine auf mehrere Jahre angelegte Werbekampagne, um die Bürger für das Thema Energieeffizienz zu erwärmen. Unter dem Motto „Deutschland macht‘s effizient“ sollen 45 Millionen Euro ausgegeben werden. Das Ministerium übertrifft mit diesem Betrag vergleichbare Kampagnen aus jüngster Zeit deutlich – etwa die des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für den Mindestlohn und für das Renten-Paket, die 1,3 Millionen Euro und 1,1 Millionen Euro gekostet haben.

So hochgradig überflüssig die Kampagnen aus dem Arbeitsministerium waren, so wenig hat auch die Energiepolitik Werbung verdient – im Gegenteil. Die Bürger sehen sich über die hohe EEG-Umlage ohnehin schon seit Jahren zu einem energieeffizienten Verhalten genötigt, ob sie es für richtig halten oder nicht. Mein Appell im Namen des Bundes der Steuerzahler an das Wirtschaftsministerium lautet deshalb, dieses Vorhaben umgehend zu stoppen – und damit immerhin noch rund 30 Millionen bisher nicht für diese sinnlose Kampagne vergeudete Euro Steuergeld zu retten – und einfach zu sparen.

Und das ist nur ein Fall von vielen, bei denen der berechtigte Anspruch der Steuerzahler, dass die Steuermittel sparsam, sinnvoll und effizient einzusetzen sind, von Politik und Verwaltung ignoriert wird. Unser Schwarzbuch 2016/17 dokumentiert, dass Steuergeldverschwendung nach wie vor ein großes Problem in Deutschland ist. Teils ist es regelrecht dreist, was da mit Steuergeld finanziert wird. Und die Bürger ärgern sich zu Recht über diesen sorglosen und leichtsinnigen Umgang mit ihrem Geld – in der Bundespolitik ebenso wie vor Ort in der eigenen Gemeinde.

Wie beispielsweise im nordrhein-westfälischen Herford. Dort schätzte man die Kosten für einen Rathausumbau „Pi mal Daumen“ auf 450 000 Euro. Trotz unvollständiger Zahlen mangels detaillierter Planung und fehlender Abstimmung mit den zuständigen Fachabteilungen stimmte der Stadtrat im Februar 2016 in einem Hauruck-Verfahren den Umbauplänen zu – mit dem Ergebnis, dass die Baukosten nun bei 660 000 Euro liegen. Oder im mecklenburgischen Boizenburg, wo die Stadt für ihre Feuerwehr eine Scheune als Lagerraum erwarb. Das Problem: Die 30 000 Euro teure Scheune ist einsturzgefährdet. Das blieb bis nach dem Kauf unbemerkt; denn niemand hatte sie zuvor von innen besichtigt.

Einen kritischen Blick hinter die Kulissen verdient auch Deutschlands Staatswirtschaft. Zwischen 2009 und 2013 hat sich die Zahl der Unternehmen, die mehrheitlich den Bundesländern gehören, um 16,5 Prozent erhöht. Im Fokus des Schwarzbuchs 2016/17 stehen deshalb die wesentlichen Probleme der mehr als 1400 Staatsbetriebe der Bundesländer. Mit dem Ergebnis: Der Trend ist alarmierend – und er birgt vielfältige Gefahren für die Steuerzahler.

Zahlreiche dieser Unternehmen, die insgesamt rund 108 Milliarden Euro Schulden angehäuft haben, fallen durch fragwürdige Geschäftstätigkeiten auf. Viele arbeiten unrentabel, sind hoch verschuldet und werden mit Steuergeld künstlich am Leben gehalten. Vom öffentlichkeitswirksam skandalträchtigen Pleite-Projekt Hauptstadt-Flughafen Berlin-Brandenburg bis zum kleinen Regionalflughafen, vom Landgestüt bis zur Staatsbrauerei – Fehleinschätzungen, Steuergeldverschwendung und politisches Versagen sind alles andere als eine Seltenheit.

Insgesamt stehen staatliche Unternehmen mit vielen Wettbewerbsvorteilen in Konkurrenz zur privaten Wirtschaft – und sie dienen zudem als Verschiebebahnhof für Staatsverschuldung. Im Jahr 2015 steckten fast 17 Prozent aller Schulden der Bundesländer in ihren ausgegliederten Unternehmen. Angesichts der Schuldenbremse für die Bundesländer – das Verbot der Nettokreditaufnahme tritt für sie ab dem Jahr 2020 in Kraft – ist mit der Verlagerung von Schulden in Staatsunternehmen eine Ausweichmöglichkeit beziehungsweise ein Unterlaufen der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse zu befürchten.

Dabei schwingt, wenn der Staat Unternehmer spielt, ohnehin immer das Risiko mit, dass für eine Fehlentwicklung letztlich der Bürger geradezustehen hat. Die zahlreichen Regionalflughäfen, die vom Steuerzahler hoch subventioniert werden müssen, sind dafür nur ein Beispiel. Für den Flughafen Frankfurt-Hahn etwa, einen landeseigenen Betrieb, wurden in den vergangenen Jahren mehr als 300 Millionen Euro ausgegeben – doch die Defizite sind hoch und die Passagier- und Frachtzahlen zu niedrig. Ein erster Verkaufsversuch an einen chinesischen Investor platzte, das Verfahren ist nach wie vor offen, Investoren werden weiter gesucht.

Abhilfe verspräche hier nur die Einhaltung zweier wesentlicher Prinzipien der Marktwirtschaft: Der Staat darf nicht als privilegierter Wettbewerber gegen private Unternehmen auftreten, die übrigens einen Großteil ihrer Gewinne über Steuern abführen – und das wirtschaftliche Risiko muss bei den Investoren bleiben und darf nicht beim Steuerzahler landen. Daraus folgt: Staatliche Unternehmen gehören regelmäßig auf den Privatisierungsprüfstand. Schließlich haben private Investoren nicht nur Chancen, sondern auch das alleinige Verlust-Risiko zu tragen – und sind somit um effiziente und umsichtige Entscheidungen bemüht. Denn Landespolitiker machen es sich diesbezüglich häufig zu einfach – sie greifen als Risikoversicherung einfach auf den Steuerzahler zurück.

Um die Staatswirtschaft auf der Ebene der Länder einzugrenzen, hat der Bund der Steuerzahler einen 10-Punkte-Plan mit praktischen Hinweisen für die verantwortlichen Politiker entworfen: klare gesetzliche Vorgaben, wann und in welcher Form sich die Länder wirtschaftlich engagieren dürfen. Manche davon sind einfach, aber offenbar nicht selbstverständlich – wie beispielsweise die Empfehlung, Marktanalysen zu erstellen. Ziel muss sein, die Staatswirtschaft auf das notwendige Maß der Daseinsvorsorge und des Gemeinwohlauftrags zurückzuführen. Der Staat hat sich auf seine Kernaufgaben zu konzentrieren. Kostspielige Ausflüge in die Privatwirtschaft müssen unterbleiben, denn die Risiken für die Steuerzahler sind allemal höher als die Chancen.

Spätestens nach der Lektüre von 110 Fällen im Schwarzbuch 2016/17, die den Irrsinn von Steuergeldverschwendung in Deutschland auf den Punkt bringen, dürfte jedem klar sein: Nicht nur Steuerhinterziehung, sondern auch Steuergeldverschwendung ist strafwürdig. Sie schädigt die öffentlichen Haushalte und ist damit alles andere als ein Kavaliersdelikt. Ob 1258 Euro für eine Edel-Mülltonne, eine Fischtreppe ohne Fische für 103 000 Euro oder 4 Millionen Euro für eine neue Brücke ohne Verkehrsanschluss – diese drei Beispiele aus dem aktuellen Schwarzbuch machen deutlich: Jeder einzelne verschwendete Steuer-Euro ist ein Ärgernis. Für jeden einzelnen Euro davon haben Bürger gearbeitet. Sie haben ein Recht darauf, dass der Staat dieses Geld nicht aus dem Fenster wirft.

Unser Schwarzbuch 2016/17 ist also mit einer Mahnung an die gewählten Volksvertreter in Deutschland verbunden, mit dem ihnen anvertrauten Geld so umzugehen, als käme es aus ihren eigenen Portemonnaies.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt), dessen Präsident unser Autor Reiner Holznagel ist, ermittelt die Verschwendung von Steuergeldern, verteidigt die Rechte der Steuerzahler und setzt sich für den Abbau der Staatsverschuldung ein. Alljährlich veröffentlicht er ein Schwarzbuch zur öffentlichen Verschwendung. Die Ausgabe 2016/17 erschien am 6. Oktober 2016. Mehr dazu unter www.schwarzbuch.de und über die Arbeit des BdSt im Allgemeinen unter www.steuerzahler.de


www.steuerzahler.dewww.schwarzbuch.de

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