1. August 2016
Magazin

Für Pessimismus gibt es keinen Grund

<div general-layout-selector="#html_structura_area_v2

DER HAUPTSTADTBRIEF

Für Pessimismus gibt es keinen Grund

Deutschland ist ein Land, in dem die Wirtschaft blüht und die Bürger mehrheitlich optimistisch sind. Umso wichtiger wird es, Innovationsmangel und Wettbewerbsnachteile anzugehen | Von Brun-Hagen Hennerkes

Basierend auf Wirtschaftsdaten und einer Umfrage unter Wirtschaftsführern erstellt das International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne, Schweiz, jährlich eine Studie zur internationalen Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Bewertung setzt sich aus den Daten in vier Bereichen zusammen: volkswirtschaftliche Leistung, politische Effizienz, wirtschaftliche Effizienz und Infrastruktur. Deutschland ist seit 2015 um zwei Punkte abgerutscht.
Basierend auf Wirtschaftsdaten und einer Umfrage unter Wirtschaftsführern erstellt das International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne, Schweiz, jährlich eine Studie zur internationalen Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Bewertung setzt sich aus den Daten in vier Bereichen zusammen: volkswirtschaftliche Leistung, politische Effizienz, wirtschaftliche Effizienz und Infrastruktur. Deutschland ist seit 2015 um zwei Punkte abgerutscht.
Ja, es wird heute viel gejammert in Deutschland. Sieht man genauer hin, findet man jedoch bestätigt, dass es uns – weltweiter Krisen zum Trotz – gut geht, sehr gut sogar. Man sieht dann nämlich ein Land, in dem die Wirtschaft blüht, in dem eine Mehrzahl der Menschen die Zukunft positiv beurteilt, ein Land, dessen Bürger stolz auf ihre Kultur sind, ein Land, in dem viele Menschen aus verschiedenen Nationen in Frieden und Freiheit miteinander leben. Kurzum: ein Land, in dem Wohlstand herrscht.

Was aber ist die wichtigste ökonomische Quelle dieses Wohlstands? Die Fakten belegen: Es sind die Familienunternehmen. Die größeren und großen deutschen Familienunternehmen weisen eine beispiellose wirtschaftliche Dynamik auf. Von 2003 bis 2013 legte die Zahl der Inlandsbeschäftigten bei den 500 größten Familienunternehmen um geschätzt 65 Prozent auf 3,3 Millionen zu. Ihre weltweiten Umsätze stiegen um rund 56 Prozent auf gut 1 Billion Euro. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands erweiterte sich im gleichen Zeitraum lediglich um 23 Prozent.

Noch augenfälliger ist der Vergleich der „Top 500“-Familienunternehmen mit mindestens 1 Milliarde Umsatz im Jahr mit den nicht-familienkontrollierten Dax-Firmen. Diese reduzierten ihre Inlandsbeschäftigung im gleichen Zeitraum von 1,7 auf 1,4 Millionen Arbeitnehmer. Diese Zahlen machen deutlich, wo die eigentlichen wirtschaftlichen Kraftzentren unseres Landes angesiedelt sind. Familienunternehmen sind erfolgreich an einem Standort, der wirtschaftspolitisch eher Rück- als Fortschritte macht – Deutschland ist in der Rangliste 2016 des Schweizer Institute for Management Development (IMD) in puncto Wettbewerbsfähigkeit auf Platz zwölf abgerutscht (siehe Infografik „Deutschland ist nur noch Nummer 12 von 20“).

Das liegt nicht zuletzt am Fehlen einer strikten staatlichen Ordnungspolitik. Sie ist sozusagen die Mutter der Sozialen Marktwirtschaft, und zu ihr gehört auch die Sicherung der unternehmerischen Freiheit. Bedauerlicherweise wird gegen ihre Grundsätze von der Berliner Politik regelmäßig und oft in schwerwiegendem Maße verstoßen – die große Koalition vernachlässigt die wirtschaftliche Freiheit. Der Bürger wird in seinen Rechten als Wirtschaftssubjekt immer weiter beschnitten und zunehmend unter Generalverdacht gestellt. Aktuelle Beispiele dafür sind die Abschaffung des 500-Euro-Scheins oder der von der SPD geforderte Herkunftsnachweis, den Besitzer großer Vermögen – über die detaillierte Steuererklärung hinaus – für ihr Geld beibringen sollen. Ein weiterer erheblicher Wettbewerbsnachteil bliebe nicht aus, wenn die EU ihre Absicht wahrmacht, im Rahmen eines Aktionsplans gegen Gewinnverlagerungen von den großen, international tätigen deutschen Familienunternehmen zu verlangen, ihre Kennzahlen aus den einzelnen Ländern und damit ihre dortigen Wertschöpfungsketten offenzulegen. Die EU plant sogar, die Daten im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Damit wäre es unmöglich, diese sensiblen Informationen vor der Konkurrenz geheim zu halten.

Ein weiterer desaströser Einfluss ist die Währungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Der deutsche Sparer, einst Stütze und Stolz der deutschen Volkswirtschaft, wird durch sie enteignet. Er steht jetzt im Regen. Seine Altersvorsorge ist implodiert, und auch die Pensionskassen der Unternehmen sind in Mitleidenschaft gezogen. Das schadet sowohl den Mitarbeitern wie den Unternehmen selbst. Der Niedrigzins zwingt sie zu höheren Rückstellungen. Diese wiederum mindern den operativen Gewinn und die Bereitschaft für Zukunftsinvestitionen.

Als neueste Konsolidierungsmaßnahme will die EZB nun eine gemeinsame Haftung aller Bankkunden einführen für den Fall, dass irgendwo in der EU eine Bank insolvent wird. Die Bundesregierung wendet sich strikt gegen diesen Vorschlag. Doch wird sie sich durchsetzen können? Es steht zu befürchten, dass die Antwort darauf lautet: Nein, sie wird es nicht können.

All dies darf trotz der gerechtfertigten Befriedigung über die momentan positive wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land nicht übersehen werden. Ein Blick auf Amerika beispielsweise verdeutlicht, wie angreifbar wir geworden sind: Die USA erleben derzeit eine Re-Industrialisierung ohnegleichen, angetrieben vor allem durch die billige Energie – und durch eine Solidarisierung der Mittelschicht mit der amerikanischen Wirtschaft. Wir müssen aufpassen, dass Deutschland, dass Europa nicht den Anschluss verlieren. Die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts kommen bereits jetzt nicht mehr von hier, sondern vor allem aus den USA. Wir – vor allem unsere produzierenden Industrieunternehmen – haben erheblichen Nachholbedarf, was die Industrie 4.0 angeht.

Wir brauchen in Deutschland eine neue Aufbruchsstimmung, ein Mehr an Miteinander, vor allem auch die Bereitschaft zu mehr Mut. Wir brauchen Impulse und Visionen, und die Bürger müssen dabei beteiligt und mitgenommen werden. Unserem Land geht es so gut, dass wir ebenso zuversichtlich wie tatendurstig in die Zukunft schauen sollten. Oder, anders gesagt: Schluss mit dem Pessimismus – das Glas ist nicht halb leer, sondern mehr als halb voll.

Die Stiftung Familienunternehmen, deren Vorstandsvorsitzender unser Autor Prof. Brun-Hagen Hennerkes ist, verfolgt drei wesentliche Ziele: Förderung des Austausches von Familienunternehmern, Unterstützung von Forschungsaktivitäten und -institutionen, die sich mit diesem besonderen Unternehmenstypus befassen, und die Verbesserung der Wahrnehmung der Familienunternehmen in Politik und Öffentlichkeit.

Mehr unter:

www.familienunternehmen.de

Auch interessant