1. August 2016
Magazin

„Bücherverschicken ist kein Hexenwerk“ 

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INTERVIEW DES MONATS 

„Bücherverschicken ist kein Hexenwerk“ 

Sagen Sie mal …
… Christian Heymann, Buchhändler

Seit der Gründung des Hamburger Unternehmens hat sich in der Buchbranche vieles gewandelt. Der Buchhändler erzählt von Entwicklungen und neuesten Trends. 

„Auch Regionales verkauft sich auf diese Weise gut"
„Auch Regionales verkauft sich auf diese Weise gut“
Herr Heymann, 1928 gründete Ihr Großvater den Buchhandel Heymann. Welche Aspekte des Tagesgeschäfts würden Kurt Heymann heute überraschen?
 
Das vielfältige Angebot. Mein Großvater ist 1977 gestorben, da war das Sortiment wesentlich kleiner. Er würde sich darüber wahrscheinlich freuen. Auch mein Vater war da schon immer sehr offen.
 
Haben Sie sich mit beiden immer vertragen? Keine Streitereien?

Nein, höchstens mal über Umtausch. Ich habe nichts dagegen, wenn gegen Bargeld anstatt gegen ein anderes Buch oder Gutschein umgetauscht wird. Die Minderheit will umtauschen, außerdem verlieren wir sonst Kunden. Das hat mein Vater mittlerweile auch eingesehen.

Die ältere Generation ist häufig der Auffassung, dass die Jungen weniger lesen. Wir halten das für ein Klischee.

Es ist schwieriger geworden, an die jungen Menschen heranzukommen, da sie von so vielen anderen Medien abgelenkt werden. Social Media ist ein Zeitfresser. Wenn aber von Haus aus viel gelesen wird und die Kinder den Umgang mit Büchern von ihren Eltern gelernt haben, dann bekommt man die Jugendlichen auch. Da hat auch Harry Potter viel getan.

Nun lesen Jugendliche (und auch Ältere) nicht nur, sie schreiben auch viel. Stichwort Self-Publishing: Mode oder ein echter Trend?

Wir haben vor einem halben Jahr einen Vertrag mit Bookmundo geschlossen. Kunden können über unsere Homepage ihre Bücher verlegen. Daraus kann dann ein richtiges Buch entstehen oder nach Wunsch ein eBook.

Wir bekommen auch viel von Sebstverlegern zugeschickt. Die Qualität ist in 90 Prozent der Fälle verheerend.

Den literarischen Wert mal außen vor gelassen: „Shades of Grey“ war vorher auch ein eBook. Das hat die Autorin selbst verlegt und durch den daraus resultierenden Erfolg wurden die Verlage auf sie aufmerksam und machten eine Printausgabe. Wenn jemand seine Familiengeschichte aufschreiben möchte, für seine Verwandten, in kleiner Stückzahl und das nicht groß veröffentlichen möchte, hat er jetzt die Möglichkeit, ein gutes Produkt zu einem vernünftigen Preis zu bekommen. Auch Regionales verkauft sich auf diese Weise gut. Für Verlage verändert sich nun aber vieles, da sich das Kräfteverhältnis verschiebt. Früher mussten Autoren hoffen, dass sie ein Verlag nimmt. Nun kann man theoretisch an einem Verlag vorbeiarbeiten, wobei die meisten Self-Publisher früher oder später doch mit Verlagen zusammenarbeiten.  

Heymann verkauft auch eBooks. Wächst dieser Bereich?

Es ist ein kontinuierlich wachsender Bereich. Prozentual sogar ein stark wachsender, in der Summe ein überschaubarer Bereich.

Bei elektronischen Medien kommt es schnell zum Problem mit Raubkopien. Ist das bei eBooks auch schon so?

Es gibt einen Grauen Markt, wo Dateien illegal weitergegeben werden. Die Verlage beschäftigen sich natürlich mit dem Thema. Jetzt sind alle Dateien noch geschützt, aber man überlegt, das aufzuheben, weil der Kopierschutz Schwierigkeiten auf den unterschiedlichen Geräten macht. Die Frage ist, wie wir Menschen dazu bringen, eBooks zu kaufen anstatt zu kopieren. Die Musikindustrie hat das auch vernünftig lösen können.

Die Musikindustrie hat das Thema Raubkopien auch lösen können

Über den Preis. In Deutschland sind eBooks, verglichen mit der Printausgabe, wesentlich teurer als z.B. in den USA. Die Verlage argumentieren, die Kosten für beide Produkte seien gleich. Ist das glaubwürdig?

Ich bin kein Verleger, aber nach dem, was ich gehört habe, ist die Erstellung dieser Dateien, formatfähig für alle Lesegeräte, ein großer Aufwand. Man muss auch fragen, welche Verkaufszahlen dahinter stehen. Bei eBooks sind die Auflagen im Vergleich kleiner.

Bäckerei Hartmut Körner e.K.
Ein erfreulicher Nebeneffekt von eBooks scheint zu sein, dass Printerzeugnisse wieder schöner werden.

Absolut. Seit dem Erscheinen von eBooks geben sich die Verlage wieder Mühe, die Printausgaben schöner auszustatten. Da ist in den letzten zehn Jahren ordentlich was passiert. Nicht nur in der Belletristik, sondern gerade auch bei Kochbüchern.

Kommen wir zum größten Konkurrenten des stationären Buchmarkts. Die Begeisterung für Amazon scheint nicht mehr ungetrübt. Ist das auch Ihr Eindruck?

Die Stimmung gegen Amazon wird derzeit immer wieder angeheizt, wenn die Arbeitsbedingungen und die fehlende Steuerzahlung in Deutschland thematisiert werden. Auch unsere Kunden teilen uns mit, dass sie früher über Amazon bestellt haben, nun aber wieder jemandem gegenüberstehen möchten.
   
Unser Problem ist aber, dem Kunden verständlich zu machen, dass wir nicht nur stationär für sie da sind, sondern selber auch eine Homepage mit Bestellmöglichkeit haben. Bücherverschicken ist kein Hexenwerk. Wir machen das schon seit 1928. Über unsere Homepage kann der Kunde Bücher bestellen oder prüfen, ob wir das Buch vorrätig haben. Er kann es sich zuschicken lassen oder zur Abholung in unsere Läden bestellen. Auch Versandkosten gibt es bei uns nicht.

Derzeit ist Amazon durch die deutsche Buchpreisbindung noch gezwungen, Bücher zum selben Preis wie stationäre Buchhandlungen anzubieten. In Zusammenhang mit Handelsabkommen wie TTIP steht diese Buchpreisbindung immer wieder in der Kritik. Besorgt Sie das?

Ich hoffe, dass unsere Regierung die Buchpreisbindung nach wie vor stützt. Auch der Börsenverein des deutschen Buchhandels kämpft für den Erhalt, weil sie extreme Vorteile hat. Der kleine Lyrikband, bei dem der Verleger weiß, dass er damit kein Geld verdient, finanziert sich über Bestseller.

Wenn mit Bestsellern auch kein Geld mehr verdient wird, weil sie im Preis runtergeknüppelt werden, dann muss man mit Büchern mit der zweiten und dritten Reihe verdienen. Alles, was special interest ist, wird teurer werden oder gar nicht mehr erscheinen. Das würde wiederum auf die Breite des Angebots gehen.

Wir müssen einfach besser sein als der Onlinehandel.

Sie unterstellen unseren Politikern so viel Rückgrat, diesen Kurs auch in Zukunft so durchzuhalten?
   
Wir haben inzwischen auch einen Buchhandelspreis, von der Regierung ausgelobt.Das würde man nicht machen, wenn es kein Interesse gäbe, Buchhandlungen zu erhalten. Im Augenblick ist die Tendenz pro Buchpreisbindung.

Gibt es weitere Trends, die den Buchhandel in den nächsten fünf Jahren beschäftigen werden?

Ausmalbücher für Erwachsene zum Entspannen sind ein großer Trend, der aus Amerika gekommen ist. Von Blumenmotiven, Motiven aus der Fabelwelt über indische Motive ist alles dabei. Solche Trends sind immer gut, denn es lockt die Kunden in die Buchläden. Dort sehen sie, dass es noch mehr gibt. Das ist auch der Punkt, der uns interessiert: Wie bewegen wir die Kunden dazu, weiterhin zu uns zu kommen. Wir müssen einfach besser sein als der Onlinehandel.

Gehört dazu auch Merchandising rund ums Buch? Gefühlt nehmen Geschenkartikel und ähnliches zu.

Wir haben in der Regel zwischen 10 bis 15 Prozent Non-Book-Anteile. In Filialen mit Schreibwarenabteilung ist es etwas mehr. Aber in der klassischen Buchhandlung wie hier in Blankenese sind es etwa zehn Prozent. Der Kunde soll beim Reinkommen den Laden als Buchhandlung erkennen. Wir haben früher Experimente gemacht und die Anzahl an Non-Books erhöht, dann aber gemerkt, dass der Kunde das nicht möchte. Wir grenzen uns mit unserem besonderen Sortiment gegenüber Wettbewerbern ab.
 
Wie das? Viele Kunden dürften bei Heymann ähnliche Erwartungen haben wie bei Thalia.

Wir haben natürlich das Grundsortiment, das Sie auch bei Thalia bekommen. Zusätzlich können die jeweiligen Filialleiter mit ihren Teams in ihren Stadtteilen das Sortiment ergänzen und so das Angebot auf die Gegebenheiten vor Ort abrunden. Die Heymann-Filiale in Blankenese beispielsweise führt Bücher über das Treppenviertel, die es in anderen Filialen nicht unbedingt gibt.

Also letztlich eine Rückbesinnung auf die klassische Buchhandlung. Könnte es sein, dass sich die Rolle des Buchhändlers über die Generationen weniger verändert hat, als viele denken?
   
Absolut. Mein Großvater hatte sehr wahrscheinlich noch keine Non-Books. Man bot damals ein sehr ausgefeiltes literarisches Sortiment an. Die Leute haben Klassiker gekauft, die heute kaum noch jemand liest. Dafür werden heute andere Sachen gelesen. Wir haben versucht, diesen Fokus auf Bücher beizubehalten, denn links und rechts davon kann man sich auch schnell verlaufen.
 
Herr Heymann, vielen Dank für das Gespräch.


Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de
Mitarbeit: Louisa Heyder

www.heymann-buecher.de

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