KLÖNSCHNACKS SOMMERNACHT
Das Ende des Kaiserreiches
Historisches
Schon Golo Mann, Historiker, Schriftsteller und Sohn des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, sagte: „Unkenntnis der Vergangenheit ist ein Verlust für das Bewusstsein der Gegenwart.“ Im diesjährigen offiziellen Gedenkjahr der Stadt Hamburg rückt der Aufbruch in die Demokratie vor 100 Jahren in vielfacher Weise ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Eine Erinnerung, die nottut. So sind heute demokratische Errungenschaften und Rechtsstaatlichkeit in Ländern und Regionen, denen es kaum jemand zugetraut hätte, doch wieder in erschreckende Ferne gerückt und bedroht.
So beispielsweise Johannes Kröger jr., der sich ebenfalls mit seiner Vergangenheit und seinen Vorfahren beschäftigte. Im Dezember 1918 beginnt er im Alter von 35 Jahren, die Geschichte seiner Familie aufzuschreiben, und erhofft sich davon eine Ordnung seiner in Unordnung geratenen Welt. In erster Linie ist es die Geschichte seines berühmten Vaters, dessen „Norddeutsche Nachrichten“ seit 1879 das kaiserliche Blankenese mitgestalteten. Nicht zuletzt auch die Geschichte dreier guter Freunde, die Schule, Kirche und Presse der damaligen Zeit vertraten: Schuldirektor Dr. Walther Kirschten, Kirchenprobst Theodor Paulsen und Gemeindevorsteher und Druckereibesitzer Johannes Kröger sen. Alle standen sie 1918 vor den Scherben ihrer Existenz. Zahlreiche Zitate schildern in der Ausstellung ihre Gedanken und Ängste, aber auch ihr Schwelgen in vergangenen Zeiten.
Ablenkung bot da die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten in den Elbgemeinden. Diese wurden nicht durch die Bevölkerung gewählt, sondern durch die organisierte Arbeiterbewegung initiiert. So war es in Blankenese der sozialdemokratische Wahlverein, aus dessen Reihen die ersten Mitglieder stammten. Hermann Deutsch rief bereits am 29. Dezember 1898 den sozialdemokratischen Wahlverein ins Leben, der das Gebiet von Dockenhuden bis Wedel umschloss und Vorläufer des SPD-Ortsvereins Blankenese war. Mit der Freien Turnerschaft Bankenese-Dockenhuden kam 1907 der erste Arbeitssportverein dazu – der heutige FTSV Komet Blankenese.
Die Revolution und die nachfolgenden Ereignisse erlebte die Mehrheit der Bürger in Blankenese als eine Mischung aus Putsch, Staatsstreich und illegale Machtübernahme der Sozialdemokratie. Den Wahlkampf 1919 dominierten die Fragen nach der Trennung von Kirche und Staat sowie der Schuld am Ersten Weltkrieg. Zum ersten Mal durften außerdem Frauen wählen! Sie waren die stark umworbene Zielgruppe – machten sie doch 61 Prozent aller Wahlberechtigten in Blankenese und Dockenhuden aus.
Etwa zur selben Zeit wuchs in den Elbvororten noch ein größeres Problem heran: Antisemitismus. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) band immer erfolgreicher die Völkischen an sich. Die in der Ausstellung zusammengetragenen Auseinandersetzungen in der Leserbriefspalte der „Norddeutschen Nachrichten“ verdeutlichen dies eindringlich.
Der Förderkreis Historisches Blankenese e.V. hat eine Ausstellung erstellt, die einen anschaulichen Einblick in das Ende der Kaiserzeit wirft und verdeutlicht, dass Blankenese trotz Aufbruch und Revolution alte Denkmuster nicht so leicht loslassen konnte. Ein lohnender Besuch in vergangene Zeit – nicht nur für Geschichtsinteressierte und Blankeneser.
Autorin: louisa.heyder(at)kloenschnack.de
www.blankenese.de/foerderkreis-histor-blankenese.html