SEEGERICHTSHOF
Das Recht der Weltmeere
Deutschlands Behörde der Vereinten Nationen in Nienstedten
Vielen Elbvorortlern ist die weiße Villa Schröder an der Elbchaussee ein Begriff – der sich im Anbau befindende Internationale Seegerichtshof deutlich wenigeren. Dabei ist das International Tribunal for the Law of the Sea (ITLOS), wie es in der offiziellen Amtssprache Englisch heißt, ein wichtiges Gebäude: Deutschlands einzige Behörde der Vereinten Nationen.
Bereits in den 50er Jahren wurde deutlich, dass einheitliche Regeln fehlten, was in und auf den Ozeanen erlaubt ist. Zunehmend kam es zu Konflikten, da immer mehr Länder Ressourcen aus den Meeren nutzten. Infolgedessen wurde 1996 der Seegerichtshof im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen gegründet. Somit pflegt er enge Beziehungen zu den United Nations, ist aber keines ihrer direkten Organe.
Die Entscheidungen sind endgültig und bindend.
Der moderne, extra für das Gericht erbaute Neubau mit den großen Fensterfronten verfügt über drei Gerichtssäle, elf Konferenzräume, eine völkerrechtliche Spezialbibliothek sowie einen herrlichen Blick auf die Elbe und vorbeiziehende Containerschiffe: prädestiniert, um sich den ganzen Tag mit Seerecht auseinanderzusetzen.
Der amtierende Präsident ist Jin-Hyun Paik aus der Republik Korea. Bis auf ihn arbeiten die internationalen Richter nur zeitweise in Hamburg. Nachdem die streitenden Parteien ihre Meinungen schriftlich ausgetauscht haben, kommen die 21 Richter von allen fünf Kontinenten – aus jeder geografischen Gruppe mindestens drei – für die etwa zweiwöchigen Verhandlungen nach Deutschland. Spätestens nach weiteren sechs Monaten wird das Urteil verkündet. Bei akuten Umweltschäden oder festgesetzten Schiffen kommen die Juristen innerhalb von 30 Tagen zu einem Ergebnis. Die Entscheidungen des Gerichtshofs sind endgültig und bindend.
Für größeres Aufsehen sorgte Fall Nummer 22, bei dem erstmals – und bisher einmalig – das Urteil nicht umgesetzt wurde. Die Niederlande forderte die Freilassung des Greenpeace-Schiffes „Arctic Sunrise“, das von Russland 2013 nach der versuchten Besetzung einer Ölplattform im Nordmeer festgesetzt wurde. Russland weigerte sich, die Zuständigkeit des Gerichtshofs zu akzeptieren, nahm nicht am Verfahren teil und akzeptierte auch das Urteil nicht. Erst mit weiterer Verzögerung kam das Schiff letztlich frei.
Good faith and abuse of rights.
Am 17. Dezember 2015 reichte Panama eine Beschwerde beim Internationalen Seegerichtshof ein, in der eine Entschädigung von Italien für den Schaden der illegalen Festsetzung der M/V „Norstar“ gefordert wird. Laut Panama hat Italien damit mehrere Vorschriften des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen verletzt, besonders das Recht auf die Freiheit der Schifffahrt sowie Artikel 300, das Schikaneverbot (Good faith and abuse of rights). Nach Überprüfung dieser Beschwerde reichte Italien am 11. März 2016 einen vorläufigen Einwand ein, nach dem alle Entschädigungsforderungen Panamas vonseiten Italiens abgelehnt werden. Diesen Einwand lehnte wiederum der Seegerichtshof ab und erklärte die Beschwerde Panamas für zulässig.
Im September starten nun die mündlichen Verhandlungen, bei denen die Sichtweisen Panamas und Italiens von offiziellen Vertretern über mehrere Tage dargelegt werden. Daraufhin fällt der Internationale Seegerichtshof eine endgültige Entscheidung.
Wer Interesse hat, eine Verhandlung im Seegerichtshof in Hamburg mitzuverfolgen, kann eine öffentliche Sitzung als Zuschauer besuchen oder der Live-Übertragung auf der Homepage unter www.itlos.org folgen.
Autorin: louisa.heyder(at)kloenschnack.de