2. Mai 2017
Magazin

„Das Salz der Demokratie“

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INTERVIEW DES MONATS 

„Das Salz der Demokratie“

Sagen Sie mal …
… André Trepoll, Fraktionschef der Hamburger CDU-Fraktion

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz regiert souverän und unaufgeregt. Die größte Oppositionspartei CDU hat es dadurch schwer,Punkte zu machen. Der CDU-Fraktionschef ist trotzdem zuversichtlich.

„… Scholz will nicht anecken, die Stadtgesellschaft nicht stören.“
„… Scholz will nicht anecken, die Stadtgesellschaft nicht stören.“
Als wir am Empfang nach Ihnen fragten, war der Uniformierte zunächst ratlos. Sind Sie selbst hier im Haus noch nicht so richtig bekannt?

Momentan sieht man mich doch auf Plakaten in der ganzen Stadt. Das Hamburger Rathaus ist groß und hat 650 Räume und hunderte Beschäftigte. Ich benutze auch häufig einen anderen Eingang als den Vordereingang.

Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass es Ihnen unheimlich viel Spaß mache, wenn Sie etwas bewegen und verändern könnten. Als Oppositionschef haben Sie eher wenig Chancen, etwas zu bewegen und zu verändern.

Dieser Eindruck trügt, denn auch durch unsere Arbeit gibt es Reaktionen seitens der Regierung. Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit vielen Initiativen und Bürgern einen engagierten Kampf gegen die von Rot-Grün geplanten Flüchtlings-Massenunterkünfte geführt. Ohne unseren politischen Druck sähe das Ergebnis heute anders aus.

Muss ein Oppositionsführer – unabhängig von der Partei – schon ein gewisses Maß an Leidensfähigkeit mitbringen?

Die Opposition ist das Salz in der Demokratie. Das ist eine wirklich wichtige und spannende Aufgabe. Man muss eine gewisse Angriffslust mitbringen, das gehört dazu. Aber man darf es auch nicht übertreiben und muss seinen eigenen Weg finden. Wenn man sich die Kommentare in Tageszeitungen anschaut, dann wurden wir anfangs ein bisschen unterschätzt. Das ist jetzt nach zwei Jahren nicht mehr der Fall. Wir wollen wieder auf Augenhöhe mit Rot-Grün kommen, aber das können wir bei der nächsten Bürgerschaftswahl 2020 schaffen und das ist unser großes Ziel.

Die CDU tut sich in allen Großstädten schwer. Warum hat es die CDU in Hamburg bei selbst bürgerlichen Kreisen schwer, ein akzeptables Wahlergebnis zu erzielen?

Man darf nicht vergessen, dass Rot-Grün in Hamburg aktuell auch in einer komfortablen Situation ist. Wir haben in Hamburg seit sechs Jahren stetig steigende Steuereinnahmen. Die Einnahmen der Stadt sind so hoch wie nie zuvor.

Zwischen 2010 und der Finanzplanung bis 2020 hat Hamburg 50 Prozent mehr zur Verfügung und das merkt man natürlich. Heute ist es möglich, Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe für Flüchtlingsunterbringungen aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. In der Politik kann man viele Probleme mit Geld lösen und genau das macht dieser Senat. Gleichzeitig tut er zu wenig, um die Verschuldung zurückzufahren. Hamburg ist eines der ganz wenigen Bundesländer, bei denen die Verschuldung im Kern und den Nebenhaushalten deutlich gestiegen ist. Es ist unsere Aufgabe als Opposition, dies zu kritisieren und Alternativen aufzuzeigen. Dies haben wir zum Beispiel zu 92 Haushaltsanträgen in der Haushaltsberatung unter Beweis gestellt, und dass eine Regierung gleich nach vier Jahren abgelöst wird, ist ja auch kein Normalfall. Wir erarbeiten uns gerade viel Vertrauen zurück, das Potenzial ist da. Wir haben bei der letzten Bundestagswahl auch hier deutlich über 30 Prozent für die CDU geholt.

Nun regiert Olaf Scholz wie ein kleiner König die Stadt. Seine Akzeptanz ist erstaunlich groß. Wo sehen Sie Hebel, wo können Sie mit Ihrer Kritik ansetzen?

Ich sehe das anders und kann bei diesem Senat keine politische Schwerpunktsetzung erkennen. Scholz macht wenig und will nicht anecken. Das hilft ihm und seiner Partei vielleicht kurzfristig, aber Hamburg auf Dauer nicht. Er will die Stadtgesellschaft am besten gar nicht stören.

In den letzten Umfragen ist es für die SPD runtergegangen und für uns rauf. Außerdem gibt es eine Menge Themen, über die sich die Menschen in Hamburg zurecht aufregen.

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Was kritisieren Sie konkret?

Die ideologische Verkehrspolitik zum Beispiel. Wie kann Scholz mit einer fast Zwei-Millionen-Metropole versuchen, Münster den Titel der Fahrradhauptstadt abzujagen? Das kann nicht funktionieren. Das sagen alle Experten. Diese rot-grüne Verkehrspolitik ist etwas, was die Hamburger nicht wollen. Sie wollen sich schnell durch die Stadt bewegen, auf unterschiedliche Art und Weise.

Wir haben beispielsweise ein eigenes Fahrradkonzept vorgestellt, in dem wir die bestehenden Radwege reparieren und die Menschen nicht auf Hauptverkehrsstraßen neben Lkw zwingen wollen. Ansonsten muss man die steigenden Zulassungszahlen und den Wunsch der Menschen, sich mit dem Auto fortzubewegen auch anerkennen. Auch die wirtschaftliche Entwicklung ist ein Thema. Im Wirtschaftswachstum liegt Hamburg an drittletzter Stelle aller Bundesländer.

Die maritime Krise belastet unseren Hafen stark. Dass Scholz die Elbvertiefung auf unbestimmte Zeit in den Sand gesetzt hat, ist ein Skandal.

Nehmen Bürgerbegehren Überhand, ist das noch Demokratie oder geht es vermehrt um Partikularinteressen?

Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger heutzutage schon einen anderen Anspruch an Politik haben. Sie verlangen mehr Partizipation. Es kann aber nicht immer um Einzelinteressen gehen, es gilt, den Blick für das große Ganze zu bewahren. Ich teile allerdings auch die Einschätzung, dass diese von Einzelinteressen geprägt sein können. Deshalb ist es immer Aufgabe einer parlamentarischen Demokratie, für einen Interessenausgleich zu sorgen.

Insbesondere auch dafür zu sorgen, dass das Allgemeinwohl im Blick behalten wird. Das Problem mit Volks- und Bürgerentscheiden ist, dass Entscheidungen auf eine Ja- oder Nein-Frage reduziert werden müssen.

Der Vorteil einer parlamentarischen Demokratie ist, dass wir auch sagen können: ja, aber oder nein, trotzdem … Parlamente haben die Möglichkeit, einen stärkeren Ausgleich zu erzielen. Sieben Jahrzehnte Bundesrepublik sind dafür ein eindrucksvolles Beispiel.

Es dürfen auch Menschen wählen, die relativ wenig von der Sache verstehen. Was halten Sie von der kürzlich zu lesenden Idee, nur noch gut informierte Bürger an die Wahlurne zu lassen?

Ich habe den Artikel auch gelesen, aber es gebe zurecht unglaubliche Akzeptanzprobleme, wenn wir nur noch eine Herrschaft der sogenannten Gebildeten hätten. So kann das nicht funktionieren. Das gute an unserem System ist ja, dass wir eine Verantwortlichkeit haben. Politiker müssen sich für ihre Entscheidung immer wieder einem Wählervotum stellen, um neues Vertrauen und Legitimation zu erwerben.

All dies liefert nur die parlamentarische Demokratie – ein Mann, eine Frau, eine Stimme! Dieses demokratische Prinzip hat sich bewährt.

Die nächste Bürgerschaftswahl ist erst 2020. Gibt es schon eine Strategie oder Themen?

Natürlich haben wir einen Plan. Aber für uns macht es keinen Sinn, irgendwelche Themen zu erfinden. Wir müssen die Themen aufnehmen, mit denen sich die Menschen in der Stadt beschäftigen. Deshalb kümmern wir uns um die Verkehrspolitik. Deshalb kritisieren wir, dass Scholz schon 2011 versprochen hat, dass es 2012 losginge mit der Elbvertiefung und trotzdem in dieser Legislatur die Baggerarbeiten noch nicht abgeschlossen sein werden. Da muss er sich auch seiner Verantwortung stellen. Er hat immer mit dem Finger auf andere gezeigt und nun selbst nichts vorzuweisen. Und das in der größten Krise, in der sich der Hamburger Hafen jemals befand. Dies klar zu machen, ist Aufgabe der Opposition.

Die Union hat ja auch viel vorzuweisen. Wir sind die erfolgreichste Volkspartei in der Geschichte der Bundesrepublik. Die großen Themen Familie und Bildung, Sicherheit, Wirtschaft und Finanzen bilden wir hier in Hamburg natürlich auch ab und gleichzeitig nehmen wir auch neue Themen auf.

Welche Themen sind das?

Natürlich die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Wie kann Hamburg wachsen und trotzdem seinen grünen Charakter bewahren? Dafür müssen wir über den Tellerrand blicken und die Entwicklung bei der Digitalisierung in Hamburg viel entschlossener vorantreiben.

Zusätzlich hat Hamburg Nachholbedarf beim Thema Start-ups, wenn man das mit Berlin oder München vergleicht. Das macht Scholz einfach zu wenig.

Hat Ihre Partei Ideen zum Millionen verschlingenden Schlickproblem?

Die Verklappung auch außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone ist eine Option, die wir ins Gespräch gebracht haben. Diese rotgrüne Kreislaufbaggerei macht keinen Sinn. Wir haben diese enormen Schlickmengen im Hafen, weil sich Hamburg seit Jahren nicht mit dem ebenfalls rot-grün regierten Schleswig-Holstein über die Schlickverbringung einigen konnte. Und das, obwohl der Hafen sowohl für Hamburg als auch für Schleswig-Holstein der größte Arbeitgeber ist. Für mich ist das kein ordentliches Regieren.

Bei der Elbvertiefung machen die Umweltverbände die größten Probleme. Wodurch sind die demokratisch überhaupt legitimiert?

Die Frage stellen wir uns auch. Ich habe nächste Woche Termine mit dem NABU und dem BUND, um das auch mal im direkten Gespräch auszutragen.

Ich finde es auch demokratisch ein Problem, dass wir als Politik seit 15 Jahren vor die Bürger treten und sagen: Wir wollen das. Und die Bürger fragen dann: Warum bekommt ihr es nicht schneller hin?

Planungsprozesse sind zu lang und zu kompliziert geworden. Das müssen wir ändern, das Verbandsklagerecht muss stark eigeschränkt werden. Wenn dann aber noch Scholz und der rot-grüne Senat bei der Planung schlampen, ist die Katastrophe perfekt.

Herr Trepoll, der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de
Bäderland Hamburg GmbH

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