INTERVIEW DES MONATS
„Das Spüren von Atmosphäre“
Sagen Sie mal …
… Jost Deitmar, Hoteldirektor
Optisch erfrischt, kulinarisch vereinfacht, beides auf höchstem Niveau – im Hotel und Restaurant Louis C. Jacob werden neue Maßstäbe gesetzt. Der Hoteldirektor im Gespräch mit dem KLÖNSCHNACK.
Ein Aufenthalt im Louis C. Jacob ist ein Gesamterlebnis. Ins Jacob kommen Genussmenschen, die ein Faible haben für die besondere Lage zwischen Elbchaussee und Elbe, für die vielen liebevollen Details, für die Geschichte des Hotels mit seiner ausgezeichneten Küche und vor allem, die die Zugewandtheit, die Aufmerksamkeit der vielen Mitarbeiter schätzen. Es ist wie ein Puzzle aus ganz vielen Teilen, die das große Ganze ergeben, und das Gäste dazu bewegt, in einem Luxushotel wie dem Louis C. Jacob zu wohnen. Wer allerdings nur ein Bett zum Schlafen und eine warme Mahlzeit zum Sattwerden braucht, der findet andere, preiswertere Unterkünfte.
Stichwort: neue Lässigkeit. Läuft in Zukunft der Service in Turnschuhen durch die Gegend?
Den Begriff Lässigkeit mögen wir nicht sonderlich. Er wird gern mit Nachlässigkeit assoziiert. Wir sprechen lieber von zeitgemäßer, hanseatischer Gelassenheit. Die bezieht sich natürlich nicht ausschließlich auf die Garderobe der Mitarbeiter, sondern ist wesentlicher Bestandteil des neuen Jacob-Konzeptes, sie ist unser Credo, unter dem sich der Einrichtungsstil ebenso wiederfindet wie Aufmachung und Inhalt der neuen Speisenkarte in Jacobs Restaurant und auch das Konzept zur Mitarbeiterbekleidung. Sneakers gehören zwar nicht dazu, aber maßgeschneiderte Kleider und Westen. Beim Interior Design haben wir beispielsweise die Beleuchtung und die Farbwelt in der Wohnhalle, Bar und im Restaurant verändert, zur besseren Kommunikation der Gäste unter – einander sind die Tischgrößen verkleinert worden und zum Zweck einer lebendigeren Atmosphäre stehen die Tische enger beieinander. Die Gerichte auf der Speisenkarte sind selbsterklärend und es gibt eine a la carte-Karte, was in der Zwei- und Drei-Sterne Gastronomie eher eine Ausnahme ist. Kein stundenlanges Sitzen und Essen von zig Gängen. Wer will, kommt nur für ein Hauptgericht und trinkt dazu ein Glas Wein.
Ich habe noch nie gehört, dass Kellner ihre Kleidung maßgeschneidert bekommen. Gibt es das anderenorts auch?
Das ist schon ungewöhnlich und Beispiele aus anderen Häusern sind mir nicht bekannt. Wir beschäftigen uns schon seit zwei Jahren mit der Änderung des Gesamtkonzeptes. Eines der Themen war der Habitus und die Bekleidung der Mitarbeiter. Dabei war es uns wichtig, uns von der Uniformität der Bekleidung möglichst zu verabschieden. Wir wollen allen Mitarbeitern bei der Auswahl ihrer Bekleidung im Dienst weitgehende Freiheiten einräumen. Zur Ausstattung der männlichen Mitarbeiter sind wir eine Kooperation mit Rooks & Rocks eingegangen, ein Startup-Unternehmen von drei Mode-Designern, die sich auf Maßkonfektionen für jüngere Leute mit modernen Stoffen und Schnitten spezialisiert haben.
Der Unterschied zwischen Freizeit und Arbeit löst sich immer mehr auf. Dies äußert sich häufig auch in der Kleidung der Gäste.
Es gibt natürlich Grenzen. Sollte jemand im Unterhemd an der Bar sitzen, dann würde ich ihn bitten, sich ein Oberhemd anzuziehen oder das Haus zu verlassen.
Was sind für Sie die wichtigsten Merkmale für ein gut geführtes Haus?
Das sind in erster Linie die Mitarbeiter eines Hauses. Ein guter, aufmerksamer, herzlicher und individueller Service ist die Seele des Hotels. Mitarbeiter in unserer Branche brauchen das sogenannte Dienstleistungsgen. Das setzt sich zusammen aus Empathie und Natürlichkeit.
Sie sind fast genau seit 20 Jahren Direktor im Louis C. Jacob. Wie haben sich seitem die Gäste verändert?
Die Ansprüche der Gäste sind gestiegen. Sie kennen sich auch deutlich besser aus. Man kocht und experimentiert auch zu Hause auf zum Teil sehr hohem Niveau, nach Rezepten internationaler Kocheliten. Man interessiert sich für Lebensmittel, deren Qualitäten und Herkunft. Darüber hinaus gibt es ein großes Angebot an guten Restaurants, inzwischen kann man Gott sei Dank vielerorts gut essen. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem nicht ein innovatives neues Gastrokonzept eröffnet wird. Nicht zuletzt auch aufgrund ihrer gestiegenen Reisetätigkeit sind die Gäste auch international deutlich erfahrener. Sie vergleichen und stellen hohe Ansprüche an Innovation und Qualität.
Der Anspruch an den heutigen Service ist die zunehmende Individualisierung. Guestrecognition, Erfüllung von Gästewünschen, bevor der Gast sie ausgesprochen hat. Besser noch, bevor er sie gedacht hat. Der Gast möchte als Individuum wahrgenommen werden, als Teil der Hotelfamilie. Wir Jacobiner kennen die Vorlieben und Abneigungen unserer wiederkehrenden Gäste. Als relativ kleines Hotel mit 84 Zimmern können wir uns um Details kümmern, die einen Aufenthalt besonders machen und oft auch das Zünglein an der Waage sind. Sie entscheiden darüber, ob ein Gast glücklich abreist, wiederkommt und uns im Idealfall im Freundeskreis weiterempfiehlt. Diese Liebe zum Detail ist ein wesentlicher Teil unserer Arbeit und unseres Erfolgs.
Wie groß ist das Problem, geeigneten Nachwuchs zu finden?
Qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen ist eine der größten Herausforderungen unserer Branche. Wir müssen dringend am Image der Berufe in Hotellerie und Gastronomie arbeiten und immer wieder die vielen positiven Aspekte und Perspektiven hervorheben. Natürlich, wer unter keinen Umständen am Wochenende oder abends arbeiten möchte, der wird bei uns nicht glücklich. Aber man wird für die unregelmäßigen Dienstzeiten mehr als entschädigt. Wo sonst beschäftigt man sich den ganzen Tag mit den schönen Dingen des Lebens, arbeitet dort, wo andere ihre Freizeit verbringen. Nach einer guten Ausbildung steht uns beruflich die ganze Welt offen. Kaum ein anderes Berufsbild ist so abwechslungsreich wie die Hotellerie und Gastronomie. Abgesehen davon muss sich in unserem Gewerbe niemand um seinen Job sorgen. Arbeitslosigkeit ist für uns ein Fremdwort.
Wie verändert sich die Hotellerie, gibt es weltweit etwas, was Sie beeindruckt oder auch inspiriert?
Die Zeit der anonymen, austauschbaren Kettenhotels ist vorbei. Auch die großen Hotelkonzerne sind ständig um Individualisierung ihrer Produkte bemüht, um den Bedürfnissen ihrer jüngeren Klientel gerecht zu werden. Standortypisches, junges und zeitgemäßes Design stehen im Mittelpunkt der Diversifizierung bei neuen Hotelprojekten. Junge, kreative und erfolgreiche Hotelkonzepte wie unser Ableger HENRI Hotel, das wir vor drei Jahren in der Bugenhagenstraße eröffnet haben, stehen dafür Pate. Meine Inspiration finde ich bei Besuchen von Hotelkollegen im In- und Ausland. Wann immer ich für mehrere Tage in einer größeren Stadt unterwegs bin, versuche ich möglichst viele neue Hotels auszuprobieren. Das Gleiche gilt natürlich auch für Restaurants.
Die Sterne-Klassifikation soll dem Gast in erster Linie der Orientierung bei der Hotelwahl dienen. Allerdings macht das Qualitätssiegel nur dann Sinn, wenn die Kriterien unabhängig und seriös auf Einhaltung der vorgegebenen Standards überprüft und regelmäßig kontrolliert werden. In diesem Fall hat man zumindest die Gewissheit, dass das Hotel in der Hardware, also in der Ausstattung, Zimmergröße etc. der gebuchten Kategorie entspricht. Die Software, also die Servicequalität wird dabei in der Regel nicht überprüft. Folglich kann ein Hotel zwar formell fünf Sterne haben, die Mitarbeiter könnten aber völlig Gast-desinteressiert agieren. Wir sind seit 15 Jahren Mitglied der Internationalen Hotelvereinigung „The Leading Hotels of the World“. Hier wird ganz regelmäßig anonym das gesamte Haus auf Herz und Nieren geprüft. Die Tester wohnen mehrere Nächte im Haus und beurteilen neben der Ausstattung, Sauberkeit, Qualität von Speisen und Getränken auch und insbesondere die Servicequalität in allen Bereichen. Liegt die Bewertung unter dem Durchschnitt aller Mitgliedsbetriebe, gibt es eine Abmahnung und der Test wird zeitnah wiederholt. Fällt das Ergebnis noch immer nicht zufriedenstellend aus, endet die Mitgliedschaft.
Diskretion wird bei Ihnen besonders groß geschrieben.
Die Gäste sind sich unserer Diskretion bewusst. Aber auch der von anderen Gästen. Hier wird keiner nach einem Autogramm fragen oder mit dem Finger auf sie zeigen.
Die Kulinarik wird jetzt simpler präsentiert, weniger Details, weniger Komponenten. Woher rührt der Wandel?
Die Sternegastronomie hat den Nimbus steif zu sein und anstrengend. Es wird vermeintlich erwartet, dass man ein mehrgängiges Menü zu sich nimmt, es wird im Restaurant nur geflüstert, Gourmandise ist eine ernste Angelegenheit, gelacht wird mit vorgehaltener Hand, wenn überhaupt. Hier setzt unser neues Konzept an. Wir wollen die Sternegastronomie neu interpretieren, sie weiterentwickeln und dem heutigen Zeitgeist anpassen. Natürlich wird das Essen nach wie vor von bester Qualität sein, wir sprechen von Einfachheit auf höchstem Niveau. Aber die Gerichte werden selbsterklärend, es braucht keinen Kellner, der dem Gast wortreich erklärt, welche zehn Komponenten sich denn im Uhrzeigersinn auf seinem Teller befinden. Heute sind es vier, maximal fünf Bestandteile. Und ein Abend in Jacobs Restaurant kann und soll gesellig sein. Man verabredet sich mit Freunden, hat Spaß am Essen, an der entspannten Atmosphäre und am Service, der gelassen und kenntnisreich daherkommt. Und dabei darf auch laut gelacht werden.
Wenn das Jacobs schließen müsste, in welchem Haus würden Sie arbeiten wollen? Welches Land würde Sie reizen?
Gott bewahre, dass dieser Fall eintritt. Rein hypothetisch: Ich würde in Hamburg bleiben wollen, aber es gäbe hier kaum ein Hotel, das mich reizen könnte. Bevor ich in einem uniformen Kettenbetrieb landete, würde ich die Branche wechseln und als Florist bei Michael Graaf anheuern.