KÜCHE
Ente auf Tisch Vier
Ein Tag in der Werkstatt bei Heinz Wehmann
HELMUT SCHWALBACH
Sterneküche bedeutet vor allem Arbeit. Handarbeit genaugenommen. Und ein konzentrierter, sorgfältiger Umgang mit Lebensmitteln. Nicht mehr. Nicht weniger.
Es fällt kein überflüssiges Wort. Voller Konzentration wird geschnippelt, geschält und gerührt. Da dampft ein Fischfond. Hier werden Karotten in Streifen geschnitten. Gleich kommen die ersten Mittagsgäste. Darunter viele Stammgäste (70 Prozent), die Heinz Wehmann seit Jahren kennt. Er würdigt ihre Vorlieben, ihre Wünsche, manchmal auch kulinarische Marotten seit Langem.
Während die Köche ihre klassisch besetzten Posten beziehen, spricht der Chef de cuisine von seinen obersten Maximen. Dabei fällt häufig die von Politikern strapazierte Vokabel „Nachhaltigkeit“. Bei Heinz Wehmann wird sicht-, spür- und schmeckbar, was er damit meint. Denn er lebt in seiner Küche, mit seinen Köchen und Helfern, Nachhaltigkeit par excellence.
Die Schalen der Karotten wandern in den Topf für den Gemüsefond. Die Karkassen von Steinbutt und Schellfisch kommen in einen großen Topf. Später finden sie sich als Fond in einem Topf mit Hummer à la nage wieder. „Lachs ist für einen Fond weniger geeignet, weil zu fett“, so Poissonnière Michaela Riedele. Später wird von allen Köchen trockenes Brot zerkleinert, das dann als Serviettenknödel den Gast erfreut.
Bevor die Kochfelder des Induktionsherdes heiß werden, muss sich Heinz Wehmann auf seine Lieferanten verlassen können.
„Gute Küche entsteht im Kopf. Dabei geht es auch visuell um Logistik.“
Ob Grützwurst oder kleine Ferkel-Eisbeine für das Bistro, Jakobsmuschel mit Ferkelbauch oder krosse Vierländer Ente für das Restaurant – die Palette an Speisen reicht von bodenständig bis raffiniert. Dabei ist nahezu alles Bio-zertifziert oder kommt von einem Demeter-Hof. So stammen die Bio-Gänse von einem Hof in Mecklenburg-Vorpommern. „Dabei haben die Gänse 40 Hektar Auslauf.“
Was den Aufenthalt in der Küche von Heinz Wehmann so angenehm macht, (neben den kleinen Gerichten, die zum Probieren gereicht werden), ist das Klare seiner Ansagen. „Wir kochen modern und zeitgemäß mit tradioneller Handwerkskunst und norddeutscher Hochküche.“ Das beinhalte eine leichte, saisonale und regionale Küche. „Wir können dabei auf alle Gäste eingehen. Etwa auf Veganer mit Demeter-Rotkohl oder Vierländer Pfannengemüse.“
Alles Exzentrische, Absurde oder Hippe sind dem Küchenchef fremd. Während sich manche Rezepte von Bloggern lesen, als seien sie für eine Diät-Küche verfasst worden, pflegt Heinz Wehmann einen klassischen, französischen Kochstil. Sahne und Butter sind ihm dabei nicht fremd. Auch bei Heinz Wehmann gehört die Ernährung zum Lebensstil, doch sie dient nicht als Identitätsstifter des Essers.
Wenn Fleisch, dann von artgerechten gehaltenen Tieren. Das Gemüse stammt seit langem vom Bio-Bauern. Das ist seit vielen Jahren das Credo des Sternekochs. Mit dem neuen Gesundheitswahn hat Heinz Wehmann nichts an der Kochmütze.
Skurrilität am Rande: In London belegen Menschen neuerdings Kartoffelschälkurse – als spirituelle Erfahrung.
Doch zurück in die Küche von Heinz Wehmann. Auch hier werden Kartoffeln geschält. Nach dem Mittagsgeschäft wird dann gemeinsam gegessen. Gearbeitet wird hier übrigens in Schichten.
Dann geht es wieder an die Arbeit. Vorbereitungen für den Abend werden getroffen. Salate gezupft, Ochsenschwanz geschmort, Schokoladen-Variationen vorbereitet. „Gute Küche entsteht im Kopf. Dabei geht es auch viel um Logistik“.
Die vielen Stammgäste im „Landhaus Scherrer“ bestätigen den Weg Wehmanns und seiner Brigade. Wer eine klassisch gehaltene Karte, Gerichte mit erstklassigen Zutaten, handwerklich sauberer Arbeit schätzt, der kommt immer wieder in das Restaurant an der Elbchaussee. Denn im Gegensatz zu so manchem anderen, lärmigen Lokal der Stadt, geht es hier nicht ums Sehen und Gesehenwerden. Restaurant, Bistro, Catering und das Bistro Ö1 bieten jedem Gast, und jedem Portemonnaie, den passenden Tisch. Inzwischen sitzen die ersten Abendgäste an den Tischen. Und wie am Mittag, stehen die Köche wieder mit höchster Konzentration am Herd.
Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de