2. Januar 2017
Magazin

„Es sollte um die Lust gehen!“

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INTERVIEW DES MONATS 

„Es sollte um die Lust gehen!“

Sagen Sie mal …
Katrin Hinrichs, Therapeutin

Klappt es nicht mit der Liebe oder dem Sex, können Therapeuten und Sexologen helfen. Der KLÖNSCHNACK fragte nach Ursachen von Lustlosigkeit und dem heutigen Verhältnis von Mann und Frau.

„Fantasien und Träume gehen völlig verloren ...“
„Fantasien und Träume gehen völlig verloren …“
Frau Hinrichs, was ist für Sie als Therapeutin, speziell für das Thema Sexualität, Glück?

Glück ist Zufriedenheit und die Fähigkeit, diese Zufriedenheit an andere weiterzugeben, auch in der Sexualität. Immer wieder ist von Ehepaaren zu hören, dass sie seit Jahren nicht mehr zusammen im Bett waren.

Kennen Sie solche Fälle?

Natürlich kenne ich solche Fälle, denn das ist einer der Hauptgründe, warum viele Paare in meine Praxis kommen. Sie möchten gerne wieder mit Lust ins Bett gehen.

Wo sehen Sie die Ursachen für dieses Phänomen?

Ich würde eher von einem normalen Erscheinungsbild einer langjährigen Ehe als von einem Phänomen sprechen. Die Ursachen sind mannigfaltig. Wenn beide keine Lust mehr haben, dann ist das vordergründig kein Problem. Ich sehe immer nur die Fälle, wo mindestens einer unglücklich oder frustriert ist. Da gibt es einen Mehr und einen Wenig-Woller und der Wenig-Woller ist dabei so etwas wie ein Monopolist.

Geht es dabei nicht immer auch um Macht?

In erster Linie sollte es um Lust gehen und nicht um Macht. Aber Sexualität kann zu einer Machtfrage werden, denn eine Frau kann ja auch mitmachen, wenn sie keine Lust hat, bei Männern ist es immer eine ziemlich eindeutige Situation.

Warum sind Paare überhaupt unglücklich, wenn sie keinen Sex mehr haben?

Sex ist ja auch eine Art von Zuwendung Demjenigen, dem Zuwendung fehlt, fehlt etwas Wesentliches. Dazu gehört nicht nur Sex, sondern auch berührt und in den Arm genommen zu werden. Das geht leicht verloren. Wenn beide sagen, wir sind seit 30 Jahren zusammen, und nun reicht es uns, wenn wir uns in den Arm nehmen und uns ansehen, beide sind zufrieden – perfekt. Ich bin die Letzte, die sagt, dass Sex unbedingt sein muss. Nur wenn einer deshalb unglücklich ist, dann werden auf Dauer beide unglücklich.

„Warum habe ich denn keine Lust mehr …?“


Dem Klischee nach wollen Männer häufiger, Frauen eher weniger.

Wenn Frauen sagen: Ich habe keine Lust mehr, dann hat das mit ihnen selber zu tun. Warum habe ich denn keine Lust mehr? Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Hormone irgendwann weg sind. Welche Bedürfnisse habe ich eigentlich? Kann ich im Alterungsprozess meinen Partner trotzdem erotisieren? Zu Anfang ist das einfach. Da ist der Wunsch nach Nähe, da ist Leidenschaft und Begehren und man findet alles toll. Irgendwann aber hört das auf und das ist dann ein normaler Entwicklungsprozess. Da muss man sich dann fragen, ob ich damit umgehen kann, dass der Six- Pack zum One-Pack wird. Ein One-Pack kann ja auch etwas Schönes sein und durchaus seine Erotik haben.

Bäckerei Hartmut Körner e.K.
Wie setzen Sie da als Sexualtherapeutin an?

Ja, wie gerade beschrieben, versuche ich zu analysieren, warum sich die Paare verlieren oder bereits vor vielen Jahren verloren haben. Die ersten eineinhalb bis zwei Jahre herrscht meistens große Verliebtheit. Danach kommt die Vertrautheit. Und es ist ja auch verständlich, dass man nicht mehr wildes Herzklopfen empfindet, nur weil der Partner um die Ecke kommt und sagt: „Hallo Schatz!“ Nein ernsthaft, es gibt viele ausgezeichnete Therapieansätze, wieder Lust und Leidenschaft zu entwickeln.

Heute gibt es Menschen, die pflegen ihre Beziehungen nur so lange, wie sie verliebt sind.

Ja, davon gibt es ganz viele, die sind einfach nur verliebt ins Verliebtsein. Das produziert viele Wohlfühlhormone und sie genießen das Gefühl über Wasser zu laufen. Und wenn dieses Verliebtheitsgefühl vorbei ist, ist auch die Beziehung vorbei.

Im Alter wird das sicher schwieriger.

Das ist keine Altersfrage. Auch im Alter gibt es Menschen, die sich einfach nur Verlieben wollen, aber keine feste Beziehung suchen.

Verkommen Erotik und Sinnlichkeit nicht immer mehr zur Ware?

Was verkommt ist Intimität. Intimität bedeutet in erster Linie Nähe. Viele Menschen treffen sich einfach nur, um Sex zu haben. Sie gehen – wenn überhaupt – noch einmal ins Kino und spätestens danach haben sie Sex. Das hat nichts mit wirklicher Nähe zu tun. Das spiegelt sich auch bei den Paarbörsen wider. Da kann ich ankreuzen, was ich will und was mir wichtig ist und danach wird ausgewählt. Das kann im Einzelfall gut funktionieren, aber es gibt auch große Enttäuschungen, weil das Unterbewusstsein keine Gefühle freiwerden lässt. Das Entscheidende ist doch, dass ich jemanden treffe, ohne viel über ihn oder sie zu wissen, und es macht trotzdem Bling.

Was raten Sie Menschen, bei denen es jahrelang nicht Bling macht?

Menschen, die nicht mehr allein sein möchten, versuche ich zu helfen, sich zu allererst mit sich selber wohl zu fühlen. Sie erhoffen sich meistens, das was ihnen selber fehlt zum Glücklichsein, bei dem anderen zu finden, und das geht meistens schief.

Gibt es typische Defizite Ihrer Klienten?

Die Grundbedürfnisse fehlen – gesehen, gewollt, berührt zu werden. Viele Jüngere schauen ausschließlich Pornos im Internet, weil es schnell geht. Sie können sich dadurch auf keinen realen Partner mehr einlassen und keine Nähe zulassen. Fantasien und Träume gehen dadurch zu oft verloren. Wenn sich zum Beispiel sogar Zehnjährige schon Pornos ansehen, dann denken sie, so muss das wohl sein zwischen Mann und Frau. Aber das hat nichts mit Körperlichkeit, Entdecken und Spüren zu tun. Die Menschen spüren immer weniger und suchen immer einen neuen, stärkeren Kick für ihre Erregung.

Wie ist es mit einem Menschen, der sagt, er will alleine bleiben?

Damit habe ich kein Problem. Intimität und Nähe – gibt es auch durch Freunde. Diesen Menschen sehe ich auch nicht wirklich in meiner Praxis.

Sie sprechen gern vom emotionalen Lotsen.

Das können Freunde sein, mit denen man sich verankert. Die einem beistehen, wenn es einem richtig schlecht geht. Schön, wenn es auch die Familie sein kann.

Immer mehr Menschen bekennen sich zu sexuellen Problemen. Hat das mit der Rollenveränderung von Mann und Frau zu tun?

Ja, ich würde soweit gehen zu sagen, dass es schwer geworden ist, heute ein Mann oder eine Frau zu sein. Der Mann soll die Frau verstehen, er soll mit den Kindern spielen, er soll finanziell alle versorgen und abends auch noch einen Supermann im Bett darstellen. Bei der Frau ist es dasselbe. Sie soll den Mann verstehen, Karriere machen, sich um die Kinder kümmern, witzig sein, Essen kochen und am besten in Leder und Strapsen mit einem Drink in der Hand in der Schlafzimmertür stehen. Beide sind überfordert und setzen sich selbst permanent unter Druck.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und Lustlosigkeit?

Nein, ich sehe da keinen Unterschied. Ich habe viele Klienten und Klientinnen aus unterschiedlichen Stadtteilen. Die Ursachen mögen unterschiedlich sein, aber die Symptome sind identisch.

Sind Liebe und Ehe heute ein Geschäftsmodell?

Für mich sollten weder Liebe noch Ehe ein Geschäftsmodell sein. Die Liebe ist das einzig Kostbare, was nicht produziert oder gekauft werden kann, auch nicht in unserer Gesellschaft.

Frau Hinrichs, der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.

Gespräch: Helmut Schwalbach und Louisa Heyder

www.praxis-katrin-hinrichs.de

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