INTERVIEW DES MONATS
„Ich fühle wie ein Hamburger …!“
Sagen Sie mal …
… Hanna Saliba, Gastronom
Der KLÖNSCHNACK traf den syrischen Gastronom Hanna Saliba, der mit seinen Restaurants Erfolge verbucht. Dass er sich um seine syrischen Landsleute kümmert, ist für ihn selbstverständlich. Auch das tut er mit Erfolg.
In Hamburg. Eigentlich Bremervörde, aber das war Hamburg für mich damals. Wir sind zu dritt am Hauptbahnhof angekommen. Wir haben aus Syrien den gleichen Weg über die Balkanroute genommen, wie die Flüchtlinge heute. Wir hatten alle drei noch 17 DM. Als der Taxifahrer sagte, dass er 90 DM für die Fahrt nach Bremervörde zur Seemannsschule haben wollte, wussten wir, dass es ganz woanders ist.
Sie gelten mittlerweile als Syrienexperte. Sind Sie das unfreiwillig geworden und gefällt Ihnen das?
Ich habe die ersten Jahre tapfer Rede und Antwort gestanden. Das hat sehr viel Kraft gekostet. Alle denken, dass ich der einzige Syrer in Hamburg bin. Zu mir kommen viele gern, weil es ein öffentlicher Platz ist. Ein Restaurant kann man leichter betreten als eine Praxis eines syrischen Arztes. Viele sind sehr besorgt über die Situation in Syrien. Es kamen ehrliche Fragen und ich musste ehrliche Antworten geben.
Welche Fragen wurden gestellt?
Was ist das für ein Präsident? Wieso könnt ihr aufeinander schießen? Was sagen die Moslems und Christen dazu? Was wollen Russland und Iran? Die Leute schnappen alles Mögliche auf. Viele waren auch schon in Syrien und sagen: Wir haben an alles gedacht, aber niemals an sowas. Da kann ich nur sagen: Ich auch. Dort, wo wir gelebt haben, sah nichts danach aus, dass es sich zu einem Bürgerkrieg entwickelt. Aber es kam so.
Es gibt in Syrien ein großes Völkergemisch, unter anderem aus Christen, Moslems, Juden und Alewiten.
Es gibt tatsächlich achtzehn verschiedene ethnische Gruppen. Danach habe ich auch mein Kochbuch gestaltet. Ich bin von einer zur anderen Glaubensgemeinschaft gefahren und habe dort gekocht. Ich war so stolz darauf, dass dieses Land so vielseitig, offen und frei war.
Lässt sich überhaupt Partei ergreifen bei dem Konflikt?
Inzwischen ist das Durcheinander sehr eindeutig. Das ist nicht mehr die Sache der Syrer, sondern ein Stellvertreterkrieg. Es gibt viele Menschen, die nur ein bisschen Gehirnwäsche brauchen, um solche Dinge zu tun. Das haben wir auch hier in Europa er- fahren. Assad wurde zu früh abgeschossen und der Westen hat zu spät reagiert. Da sind Saudi-Arabien und Qatar eingesprungen, nutzen die Situation für ihre Politik und haben die Leute, die in den Krieg gezogen sind, bezahlt.
Wenn Sie jetzt die Macht hätten, zu entscheiden, was geschehen soll, wie sehe die Lösung aus?
Es gibt keine Lösung. Die Lösung ist jetzt da. Dass das Land geteilt ist und Hass herrscht. Es gibt zu viele Tote, als das so schnell vergessen werden könnte. Jeder hat jemanden verloren. Alle sind nun auf Rache getrimmt. Das ist ein gesellschaftliches und kein religiöses Problem.
Und welche Lösung hätten Sie vor sieben Jahren gehabt?
Ich hätte einen radikaleren Schnitt gemacht. Der Präsident hätte radikaler in den eigenen Reihen einschreiten sollen.
Auch Ihre eigene Planung in dem Land verlief anders.
Ja, ich war schon halb wieder zurück in Syrien. Mein dreihundert Jahre altes Haus steht noch, aber die Raketen kommen immer näher.
Fahren Sie noch nach Syrien?
Gibt es eine Fraktion, für die Ihr Herz schlägt?
Schon am Anfang war es Pest und Cholera. Jetzt auch noch. Es ist so, dass das System langsam die Oberhand bekommt. Das bedeutet aber nicht, dass es auch Stabilität im Land gibt. Leute, die sagen, dass man Syrer jetzt wieder zurückschicken könnte, haben keine Ahnung. Das ist traurig. Auch wenn die Leute zurückgehen – was sollen sie machen? Die ganzen Städte sind zerbombt. Das hat Deutschland auch erlebt, nur hatten sie die Alliierten zur Unterstützung.
Was geht Ihnen durch den Kopf, dass so viele Syrer nach Hamburg gekommen sind.
Die kommen tatsächlich, weil sie bedroht waren oder alles verloren haben. Das ist so – ob ich diese Leute schätze oder nicht schätze. Viele sind auch zum Wohle ihrer Kinder geflohen.
Kommen denn auch Familien? Warum lassen einige ihre Frauen und Kinder zurück, wenn es doch so gefährlich ist?
Es gibt über neun Millionen Binnenflüchtlinge. Es sind nicht alle bis zur Grenze oder nach Europa
Sie sehen sich in der Pflicht, Syrern zu helfen. Ihre Möglichkeiten zu helfen sind doch auch begrenzt.
Vor sieben Jahren war ich immer stolz auf Hamburg und dass ich hier so tolle Lokalitäten hatte. Ich fühlte mich integriert und wie ein Hamburger Patriot. Nach dem Bürgerkrieg wurde mir klar, dass meine Heimat doch Syrien ist, weil viele Emotionen in mir hochkamen, die vorher ruhten. Die Betroffenheit ist hochgekommen. Wegen des Helfens: Jedem von uns ist mal geholfen worden und jeder ist ein Mensch, der Hilfe braucht. Ich habe viele Syrer kennengelernt, denen die Würde weggenommen wurde. Vorher waren sie glücklich und haben gut gelebt und dann kam die Flucht. Hier in Deutschland sind sie sehr gut aufgehoben, egal welche Probleme es im Lager gibt. Sie können sich glücklich schätzen. Doch die Würde hat einen Knacks erlebt. Das war mir wichtig, diese Würde mit „Salibaba“ wieder aufzubauen.
Entstand so die Idee zur Imbisskette „Salibaba“?
Ja, genau. Es gibt bisher zwei Filialen. Das wichtige ist, jemanden zu finden, der dafür geeignet ist und das wirklich will. Man braucht einen Kopf, der das übernimmt. Die kommen nach und nach. Die ganzen früheren Lokale hatte ich für mein Ego, heute helfe ich anderen. Wir müssen auf die Leute auch aufpassen. Viele Südländer glauben, dass Umsatz auch gleich Gewinn ist. Nach- her vertraust du ihnen ein Geschäft an und sie können nicht mit dem Geld umgehen.
Haben Sie das auch als Seemann gelernt?
Ja, als Seemann kann man alles. Da waren die Aufgaben an Land eine regelrechte Lachnummer für mich. Schiffe zu beladen, zu löschen und zu verbringen sind ganz andere Dinge. Bei der Seefahrt hat man nur gearbeitet.
Und beim Kochen?
Seeleute gehen immer gerne essen. Du hast so viel Entbehrung erlebt und willst das Beste für dich haben. Bist du an Land, dann gehst du nicht in irgendeine Bude. Da möchtest du schon Gutes. Ich habe den Chefköchen in der Kombüse immer über die Schulter geschaut. Die syrische Küche war in Hamburg unterrepräsentiert. Da gab es nichts. Ich habe Freunde eingeladen und für sie gekocht und sie gefragt, ob sie dafür auch bezahlen würden. Es gefiel ihnen sehr. Also habe ich meine Schwester angerufen und sie gefragt, ob sie mir für ein halbes Jahr helfen kann. Sie kam und hat mir viel beigebracht.
Durch den Krieg gab es in ihrem Lebensweg einen Bruch. Sie wollten Reisen nach Syrien organisieren. Wie soll es nun weitergehen?
Das ist vorbei, da wird auch in den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren nichts kommen. Ich bin gerade dabei, für das Haus einen Käufer zu finden. Aber das ist sehr schwer.
Sind Sie weiterhin so optimistisch, dass die Integration gelingt? Beim Amtsgericht haben wir gerade einen geflüchteten Syrer erlebt, der mittelalterliche Vorstellungen hatte, seine Frau geschlagen hat und ihr verbot, das Haus zu verlassen.
Für solche Leute haben wir keinen Platz und es darf nicht akzeptiert werden. Es sind viele gekommen, die alles verloren haben. Vom Grundgesetz ist das Land verpflichtet, Schutz zu bieten. Da spielt es keine Rolle, wie die Person denkt oder was für Ansichten sie hat. Die Gesellschaft muss diesen Menschen die Grenzen zeigen. Sie müssen vor Gericht und müssen verurteilt werden. Aber dass man Schutz gewährt, finde ich nicht nur edel, sondern verpflichtend.
Sollen die Familien alle nachrücken dürfen?
Das finde ich ganz schlecht von den Parteien, dass sie meinen, dass Integration erst gelingt, wenn die Familie hier ist. Ich denke eher umgekehrt, denn wenn sie alle da haben, werden sie nur in ihrer Heimatsprache sprechen, nur ihr eigenes Essen essen und nur Verwandte besuchen. Derjenige, der alleine hier ist, fährt auch wieder zurück, wenn in der Heimat wieder Ruhe ist. Wenn er mit der Familie hier ist, wird das noch schwieriger.
Herr Saliba, der Klönschnack dankt für das Gespräch und wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg.