INTERVIEW DES MONATS
„Liberalismus in vielen Facetten“
Sagen Sie mal …
… Katja Suding, FDP-Fraktionschefin der Hamburger Bürgerschaft
Mit Katja Suding an der Spitze lässt die Hamburger FDP ihr schlechtes Image langsam vergessen. Mit ihrer frischen, zupackenden Art fühlt sich die Politikerin auch zu Größerem berufen.
Das stimmt, es gibt gerade im Hamburger Westen ein sehr starkes Wähler-Potenzial. Wir wollen uns aber noch steigern, auch wenn wir schon von 2011 bis 2015 deutlich zugelegt haben. Und das in einer bundespolitisch schwierigen Zeit. Wir sind auf Feldern besonders stark, auf denen der rotgrüne Senat schwach ist.
An welche Felder denken Sie da?Das ist unser Einsatz für die beste Bildung, fließenden Verkehr, starke Wirtschaft und solide Finanzen.
Nun zählt der klassische FDP-Wähler nicht zur Gruppe der Wahlverweigerer …Den Gang zur Wahlurne halte ich für das Mindestmaß des politischen Engagements. Bei einer sinkenden Wahlbeteiligung können wir uns so wenig wie andere Parteien zurücklehnen und davon ausgehen, dass es schon irgendwie läuft.
Wie ist Ihr Resümee nach fünf Jahren Bürgerschaft?Vor fünf Jahren mussten wir einen sehr schnellen Start hinlegen, nachdem wir sieben Jahre nicht dabei waren und mit einer neuen Mannschaft loslegen mussten. Das ist uns gut gelungen. Wir haben schnell unsere Themen und Schwerpunkte gefunden und sind damit gut wahrgenommen worden.
Welche fallen Ihnen da als erste ein?Wir haben zusammen mit SPD und Grünen die Schuldenbremse in der Verfassung verankert. In der Bildungspolitik haben wir zum Beispiel bei der Hochbegabtenförderung oder beim Rechtschreibunterricht eine deutlich liberale Handschrift hinterlassen. Auch aus der Opposition heraus haben wir durch gute Argumente und medialen Druck die Politik beeinflussen können.
Setzt sich der Trend der letzten FDP-Wahlergebnisse fort, dann ist für ihre Partei das Tal durchschritten. Welches ist Ihr persönliches Ziel?Wir haben noch ein ganzes Stück des Weges vor uns, bis das Tal durchschritten ist. Die Wahlerfolge in Hamburg und Bremen waren aber wichtige Schritte und haben gezeigt, dass die Richtung stimmt.
Bei den Landtagswahlen in den kommenden beiden Jahren haben wir noch viel zu tun, um das Vertrauen der Wähler wieder zu erlangen, das nach der letzten Bundestagswahl erschüttert wurde. Da wartet noch ganz, ganz viel Arbeit auf uns. Ich will auch auf Bundesebene daran mitarbeiten, dass es 2017 wieder eine starke liberale Fraktion im Bundestag geben wird.
Was antworten Sie einem Wähler, wenn er behauptet, ohne Sie säße die Hamburger FDP nicht im Rathaus?Wir haben es innerhalb weniger Wochen geschafft, aus Umfragewerten von zwei Prozent ein Wahlergebnis von 7,4 Prozent zu erzielen. Das gelingt nur mit einem starken Team, da kommt es auf jeden Einzelnen an. Meine Rolle ist es, die Partei und unsere Position nach außen zu tragen. Es ist wichtig, dass Programme mit Gesichtern verbunden werden.
Wie wichtig ist heute in der Politik gutes Aussehen?Es schadet nicht, aber es ersetzt natürlich keine politischen Ideen oder Konzepte.
Auch heute noch müssen Frauen mehr als Männer beweisen, dass sie gut sind. Aber ich will mich nicht beschweren, manches ist als Frau auch einfacher.
Im zurückliegenden Wahlkampf hat ein Grüner behauptet, Sie würden, Zitat: „mit Titten und Beinen Wahlkampf“ machen. Gehört das heute zum politischen Geschäft?
Ich habe diese Bemerkung nicht persönlich genommen, denn sie sagt viel mehr über den Absender aus als über mich.
Laut Umfrage zählt Olaf Scholz zu den beliebtesten Landesfürsten. Wie sehen Sie sich im Vergleich zum Hamburger Bürgermeister?
Wir haben eher wenig gemein. Olaf Scholz ist jemand, der sehr nüchtern und ohne eine Zukunftsvision sein Programm abspult. Er verspricht nicht viel, dadurch kann er auch nicht viel Vertrauen enttäuschen. Das mag eine Zeit lang gut gehen. Für eine Stadt wie Hamburg ist das auf Dauer zu wenig.
Die meisten Hamburger schätzen die Arbeit des Bürgermeisters.
Im Vergleich zum CDU-Vorgänger macht er einen guten Job, jedenfalls in einigen wenigen Bereichen, etwa der Wohnungsbaupolitik. In der Bildungs- und Wirtschaftspolitik aber zehrt die Stadt von der Substanz.
Wer in diesen Tagen Nachrichten hört, wird mit zwei großen Themen konfrontiert. Die Schuldenkrise in Griechenland tritt gerade ein wenig in den Hintergrund. Um so größer wird die Frage: Wohin mit den vielen Flüchtlingen?
Es werden noch mehr Menschen zu uns kommen. Als wohlhabende Stadt tragen wir Verantwortung dafür, die Flüchtlinge unterzubringen und bestmöglich zu integrieren. Der alte SPD- sowie der jetzige rotgrüne Senat haben viel zu wenig vorgesorgt, agieren jetzt hektisch und häufig ohne ausreichende Kommunikation mit den Bürgern. Eine gute Kommunikation aber ist unerlässlich, um das ehrenamtliche Engagement und die Willkommenskultur in Hamburg noch weiter zu stärken.
Das mag alles richtig sein, trotzdem die Frage: Wie viele Flüchtlinge kann, will Hamburg aufnehmen, gibt es bald so viele Flüchtlinge wie Hamburger?
Weltweit sind nach UNO-Schätzungen derzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht, fast doppelt so viele wie zur Jahrtausendwende. Natürlich können wir in Europa oder Hamburg nicht alle aufnehmen und es wollen ja auch längst nicht Käsebrötchen mit Katja – Klaus Schümann und Helmut Schwalbach beim Interview alle zu uns kommen, die ihre Heimat aus welchem Grund auch immer verlassen. Aber die stark gewachsene Zahl von Menschen, die vor Krieg und Terror fliehen, macht eine Verpflichtung für uns aus. Hamburg hat in seiner Geschichte schon häufig großartige Integrationsleistungen erbracht und ist daran gewachsen. Das wird auch jetzt gelingen, dafür werbe ich um Unterstützung – und für ein modernisiertes Zuwanderungsrecht.
Ein kurzer Blick in die Geschichte. In der Ära der sozial-liberalen Koalition gab es in der FDP eine ausgeprägte links-liberale Orientierung. Die ging spätestens unter Guido Westerwelle völlig verloren. Können Sie sich innerhalb der FDP eine Rückbesinnung zu Werten etwa einer Hildegard Hamm-Brücher oder Gerhard Baum vorstellen?
Ich halte wenig von Bindestrich-Liberalismus. Uns geht es um wirtschaftliche Vernunft, den Abbau überflüssiger Bürokratie und unnötiger Eingriffe in unser Leben genauso wie um gesellschaftliche Modernität in der Bildungs- und Familienpolitik, und den Schutz unserer Bürger- und Freiheitsrechte. Ich stehe für einen Liberalismus in allen Facetten.
Nun haftet Ihrer Partei nach wie vor der Ruf der Besserverdienenden an.
Völlig zu Unrecht! Unser Herz schlägt für alle, die auf dem Weg sind, die etwas erreichen wollen, die Freiraum und Unterstützung brauchen, um ihr Leben so zu leben wie sie leben wollen. Deshalb spielt Bildungspolitik für uns eine so große Rolle. Bildung ist der Schlüssel dafür, dass Menschen ihre Chancen im Leben nutzen können.
Frau Suding, der Klönschnack dankt für das Gespräch.
Autor:helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de