MENSCH DES MONATS
Magische Sprachförderung
Anne Kantzenbach, Leiterin des Bücherparadies Iserbrook
Deutsch lernen mithilfe eines Miniaturtheaters auf Rädern? Wie das geht berichtet Anne Kantzenbach, Initiatorin des Geschichtenfahrrads. Es ist seit 2016 unterwegs zu Flüchtlingsunterkünften in den Elbvororten.
Wenn das Geschichtenfahrrad auf den Hof des Pavillondorfes Sieversstücken fährt, ist klar, Anne Kantzenbach ist da.
Schnell kommt eine Gruppe Kinder zusammen und wartet gespannt auf die heutige Aufführung. Kantzenbach macht es spannend, erst spricht sie einen magischen Spruch über das „Kamishibai“-Miniaturtheater (japanisch: Papiertheater), dann öffnen sich die Türen und eine fröhliche Bildkarte mit einem Hasen darauf erscheint.
Bevor es mit „Möhrlin kann zaubern“ losgeht, singt die Ehrenamtliche zur Einstimmung das Kinderlied „Häschen in der Grube“. Begeistert klatschen und singen die kleinen Zuschauer. Ihre Augen funkeln.
„Mit dem Kamishibai gelingt es wie von selbst, das Publikum zu begeistern.“
Danach erzählt die Leiterin des Bücherparadies Iserbrook anhand wechselnder Karten die Geschichte von Möhrlin. Anders als bei Muttersprachlern kommt es hier nicht auf den Spannungsbogen an, sondern darauf, leichte Worte zu wählen und die Kinder mit einzubeziehen. Sie benennen begeistert jeden Gegenstand, den sie erkennen können, wie Auto, Blume, Schuh – stolz zeigen sie, wie sich ihr Deutsch verbessert hat. Das Highlight am Ende der Geschichte ist das gemeinsame Basteln einer Zaubertüte. Die Kinder sind mit Eifer dabei und möchten herausfinden, wieso darin kleine Gegenstände einfach verschwinden. Sie strahlen über den gemeinsamen Spaß.
Aus Freude am Wort entstand die Idee zum Geschichtenfahrrad. Seit 2015 fahren Ehrenamtliche die Flüchtlingsunterkünfte Sieverstücken und Bloomkamp regelmäßig an. Mit einem klaren Auftrag: Sprachförderung für geflüchtete Kinder.
Das bunte Postfahrrad ist mit einem nach japanischem Vorbild gebauten „Kamishibai“- Minitheater ausgestattet. Kantzenbach hatte 2015 einen Kurs bei Anette Hubert – die Hamburger Kamishibai-Päpstin – besucht und war begeistert von der Art der Sprachförderung.
„Mit dem Kamishibai gelingt es wie von selbst, das Publikum zu begeistern.“ Weiter sagt sie: „Die Kinder reagieren unmittelbar auf die Bilder und das gesprochene Wort. Wir kommen so sehr schnell mit ihnen in Kontakt. So können wir Sprachbarrieren überwinden und die Sprachentwicklung ganz spielerisch fördern!“
Sie weiß, dass die Kinder traumatisiert sind und in ihren Unterkünften auf engstem Raum mit verschiedenen Ethnien leben. Während der gemeinsamen Zeit beginnen die Kinder, den Ehrenamtlichen des Geschichtenfahrrads zu vertrauen. Sie öffnen sich und erzählen einiges aus ihrer Heimat, was sie gern essen, wie es bei ihnen Zuhause aussah. „Die Arbeit ist nicht immer leicht, aber doch immer bereichernd. Die Kinder geben uns so viel zurück! Für das Projekt „Geschichten auf Rädern“ engagiert sich auch Corinna Benthack von der Bücherhalle Elbvororte. Jetzt soll das Projekt sogar auf andere Bezirke ausgeweitet werden. Ein voller Erfolg für die Sprachförderung und das menschliche Miteinander.
Autorin: anna-lena.walter(at)kloenschnack.de