INTERVIEW DES MONATS
„Ohne harte Arbeit, kein Erfolg“
Sagen Sie mal …
… Christian Rach, Ex-Sternekoch und TV-Star
Der KLÖNSCHNACK traf Christian Rach in seinem Büro an der Großen Elbstraße. Der Blick streift über Restaurants und Geschäfte der Meile, die in den letzten 20 Jahren ihr Gesicht völlig verändert hat.
Um gut kochen zu können, muss niemand Mathematik studieren. Eine vernünftige Ausbildung, auf welchem Gebiet auch immer, ist immer von Vorteil. Viele Gastronomen scheitern an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Das sind nicht nur, aber auch Zahlen. Deshalb muss aber keiner studieren, um ein guter Koch zu werden.
Wie lange hält ein selbstständiger Spitzengastronom durch? Sie sprachen mal von 30 Jahren.
Es gibt kaum einen anstrengenderen Beruf als Gastronomie. Unter 80 Stunden wöchentlich kommen Sie als Selbstständiger nicht nach Hause. Als verantwortungsvoller Gastronom muss man deshalb immer seine eigenen Ressourcen schützen. Das bedeutet in erster Linie, den körperlichen Zustand zu erhalten.
Wir sitzen hier in unmittelbarer Nähe des Fischereihafen Restaurants. Eine Ausnahme?
Die Familie Kowalke muss ich da ausnehmen. Was Rüdiger und Susanne Kowalke hier geschaffen haben, ist großartig. Es war der Startschuss, hier unten im Fischereihafengebiet etwas Seriöses in Gang zu bringen. Das hat der gesamten Meile unglaublich gut getan. Vor allem, in welcher Konsequenz und Konstanz die Familie Kowalke das fortsetzt.
Die Nachfolge ist dort geregelt …
Eine große Leistung, den Laden rechtzeitig zu übergeben. Ein unglaublich schlauer, ebenso wichtiger Schachzug. Denn ohne seine eigenen Grenzen zu kennen, ohne zu wissen, wie das Geschäft fortgesetzt werden kann, sind Sie kein guter Unternehmer.
Wer einen Hamburger Gastroführer aus den 80er Jahren aufschlägt, findet dort Namen, die heute nur noch Ältere kennen.
Die maximale Bestandszeit eines gastronomischen Betriebes beträgt 15 Jahre. Es gibt Ausnahmen in Hotels und inhabergeführten Familiengasthöfen auf dem Lande. In Hamburg gibt es noch das Landhaus Scherrer als inhabergeführtes Unternehmen. Ansonsten wird es ganz dünn.
Reden wir über das Fernsehen. Auf jedem Kanal wird gerührt, frittiert, gerade ein Ei aufgeschlagen oder gratiniert. Wie erleben Sie Kochshows?
Deutschland ist Reiseweltmeister. Wir reisen unglaublich gern in den Süden. Dort finden wir Entspannung und Erholung. Nicht nur durch die Sonne, vor allem auch kulinarisch. Seit den 70er Jahren sind Essen und Trinken immer wichtiger geworden. Beides ist mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Essen und Trinken haben etwas mit Kultur zu tun. All das, was kulturell im Zentrum steht, gehört auch in die Medien …
Nehmen die Themen Kochen und Wein in manchen Bereichen nicht fast religiöse Züge an?
In Deutschland haben wir in den letzten 20 Jahren es so wertgeschätzt, dass wir erkannt haben, dass die zwei Stunden Essengehen am Abend mit der Familie oder Freunden zwei Stunden Entspannung, Loslassen sind. Man erlebt Geschichten, eine neue Welt durch diese Auszeit. All das findet sich dann in den Medien wieder. Ich nehme an, es gibt im TV viel mehr Krimis, Talkshows, Krankenhausgeschichten als Kochsendungen. Ich persönlich habe noch nie eine TV-Kochshow gemacht.
Wie lange werden sich TV-Kochshows halten?
Es werden sich Inhalte, Geschichten und Gesichter ändern, aber das Thema wird ein mediales Ereignis bleiben. Zur Zeit gibt es im NDR eine wunderbare Sendung, „Die Ernährungsdocs“. Den Menschen wird dabei gezeigt, dass man mit Ernährung seine Gesundheit unglaublich stabilisieren kann. Denn über 60 Prozent der Krankheiten, das belegen Statistiken, sind ernährungsbedingt. Von solchen Sendungen müsste es viel mehr geben, denn die Schule leistet das nicht.
Kritiker behaupten gern, viele Zuschauer säßen mit ihrer Fertigpizza vor der TV-Kochshow.
„Inhalte, Geschichten und Gesichter werden sich verändern.“
Es ist bewiesen, dass das Bewusstsein für Ernährung auch durch Kochshows immer weiter vorankommt. Das muss auch so sein, denn es muss ein dickes Brett gebohrt werden, bis wir ein breites Bewusstsein über solche Dinge wie Zucker und weißes Mehl in der Bevölkerung bekommen. Eine große Aufgabe, die in die Medien gehört.
Die zahllosen Sendungen über das Thema Kochen werden sich halten?
Die werden sich mit Sicherheit behaupten. Denn die Themen Essen und Trinken gehören in die Medien.
Es soll Fälle geben, dass junge Leute den Beruf eines Fernsehkochs lernen wollen.
Das ist albernes, dummes Zeug. Das gibt es aber auch in anderen Branchen. Ohne harte Arbeit, ohne Ausbildung gibt es keinen Erfolg. Erfolg ist nur dann groß und stark, wenn er wiederholbar ist. In acht Wochen wird keiner zum Superstar.
Wie sieht es mit dem Koch-Nachwuchs aus, der nicht ins Fernsehen will?
Ein Thema, das mir auf der Seele brennt. In der Gastronomie ist die Ausbildungsquote in den letzten sechs Jahren um 60 Prozent zurückgegangen. Wir erleben gerade das Absaufen der Ausbildungsberufe Koch und Servicemitarbeiter. Sogar in großen Hotels muss man sich heute bemühen, noch fähige Leute zu finden.
Wo sehen Sie die Gründe?
Zum Großteil sind die Gastronomen selber schuld. Man hat Jahrzehntelang Schindluder in der Ausbildung getrieben und die Lehrlinge ausgebeutet. Man hat negiert, dass andere Berufszweige wie Banken, Versicherungen oder Handwerksbetriebe längst andere Standards eingeführt haben. Die Gastronomen haben immer noch das Gefühl, dass der Gast nicht bereit ist, zu bezahlen, dass die Mitarbeiter vernünftig bezahlt werden. Die Konsequenz muss eher sein, den Laden zu schließen, als nach wie vor auf die schlechte Bezahlung der Mitarbeiter zu setzen.
„Ich dachte, überall gäbe es tollen Fisch. Es gab aber nur Nordsee-Restaurants.“
Sie kommen aus dem Saarland, eine Region, in der gutes Kochen schon lange selbstverständlich ist. Nun kamen Sie ausgerechnet nach Hamburg zum Studieren. Damals eine kulinarische Diaspora.
Es gab zwei Enttäuschungen: Ich kam 1976 nach Hamburg, war aus dem Saarland verwöhnt durch eine Vielzahl internationaler Sender. Es gab französische, luxemburgische und amerikanische Sender. Hier gab es nur den NDR. Und der damals irrige Glaube, dass Hamburg als Hafenstadt zwangsläufig gut Fischrestaurants hat, war trügerisch: Erst mit Kowalkes Fischereihafen Restaurant ging das los.
Weil ich nicht das richtige Mädchen gefunden habe (lacht). Im Ernst: Ich habe mich in Grenoble unglaublich wohlgefühlt. Die Stadtist mediterran, mit einem großen arabischen Einfluss, hat eine unglaubliche Lebensqualität. Am 1. Dezember habe ich am Place de justice nach der Arbeit abends um 23 Uhr draußen gesessen und ein Bier getrunken. Und drumherum standen die schneebedeckten Dreitausender. Diese Kombination von mediterranem Klima und alpinem Umfeld ist fantastisch. Ich war damals im besten Lokal von Grenoble der einzige Deutsche. Ohne emotionale Verankerung zog es mich, gerade in meinem Metier, dann doch weiter. Mit Frau, Haus und Hund wäre es anders gekommen.
Zuvor waren Sie im „Strandhof“. Die Elbvororte sind Ihnen also lange vertraut.
Im „Strandhof“ habe ich zur Zeit von Sepp Viehhauser gearbeitet. So entstand meine Liebe zu Blankenese. Ich kam damals mit dem Fahrrad oder der Bahn. Die Treppen haben mich schon damals fasziniert.
Herr Rach, der Klönschnack dankt für das Gespräch und wünscht weiterhin viel Erfolg.