2. Februar 2016
Magazin

„Hamburg bereitet sich vor“

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INTERVIEW DES MONATS  

„Hamburg bereitet sich vor“

Sagen Sie mal …
… Dr. Liane Melzer, Bezirksamtsleiterin Altona

Nach wie vor sind Flüchtlinge im Altonaer Rathaus das große Thema. Dr. Liane Melzer gibt Auskunft über Befugnisse, Probleme und die Szenarien der nächsten Jahre.

Es sind viele junge Menschen gekommen, die in der Wirtschaft gebraucht werden.“
Es sind viele junge Menschen gekommen, die in der Wirtschaft gebraucht werden.“
Frau Dr. Melzer, ist das Thema Flüchtlinge weiterhin so dominant wie im alten Jahr?

Es ist weiterhin dominant, weil es jetzt um die Umsetzung verschiedener Planungen geht. Wir sind gegenwärtig dabei, nach weiteren Wohnflächen in Altona zu suchen, um 400 weitere Wohnungen für Flüchtlinge zu ermöglichen, die im Raum Rissen nicht realisiert werden.

Weiß man schon, wo diese Wohnungen sein könnten?

Der Beschluss der Bezirksversammlung macht eine enge Abstimmung mit der Altonaer Politik erforderlich. Die muss das beschließen, insofern kann ich Ihnen da noch nichts Konkretes sagen.

Wie groß ist Ihre Einflussnahme auf das, was im Hamburger Rathaus und letztlich in Berlin beschlossen wird? Sie müssen umsetzen, was Ihnen vorgesetzt wird?

So ist es. Seit die Flüchtlinge kommen, ist es die Aufgabe der Verwaltung, Anforderungen umzusetzen. Einen Einfluss auf die Flüchtlingspolitik, die in Berlin gemacht wird, hat die Verwaltung des Bezirksamtes nicht.

Letztlich auch Olaf Scholz nicht?

Herr Scholz vertritt im Bundesrat das Land Hamburg. Da hat er über diese Funktion und zudem als Mitglied im Vorstand der SPD schon Einfluss und macht diesen auch geltend.

In öffentlichen Anhörungen und Sitzungen müssen Sie nun immer den Kopf hinhalten. Ist den Bürgern klar, dass Ihre Möglichkeiten beschränkt sind?

Ich denke, dass es für die Bürgerinnen und Bürger nicht leicht zu unterscheiden ist, welche Einflussmöglichkeiten die einzelnen Personen haben, die über die Einrichtungen informieren. Mir ist es als Bezirksamtleiterin in Altona ein Anliegen, dass man mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommt über die Einrichtungen. Das Thema Flüchtlinge ist eine große Belastung für die Verwaltung, die Mitarbeiter, aber auch die Menschen, die hier in Altona wohnen. Wir müssen schauen, wie wir gemeinsam diese Aufgabe bewältigen.

Stellt sich für Sie die Frage der demokratischen Einflussnahme, wenn in Berlin Dinge beschlossen werden, die einfach bis in die Bezirksämter weitergereicht werden?

Wir haben in der Demokratie die Möglichkeit zu wählen. Das ist geschehen. Mein Ziel ist es, mit den Menschen in Altona gemeinsam zu schauen, wie wir zusammen diese Aufgaben bewältigen. Ich war in vielen Informationsveranstaltungen zu Flüchtlingsunterkünften und habe im letzten Jahr überall große Hilfsbereitschaft und großes Verständnis kennengelernt. Aus meiner Sicht hängt dies auch mit der Geschichte Altonas zusammen, in der die Unterbringung von Flüchtlingen seit Jahrhunderten ein Thema ist, das von den Bürgerinnen und Bürgern immer sehr freundlich begleitet wurde.

Während man von der Unterkunft in Othmarschen nichts Negatives oder Belastendes hört, ist Rissen ein großes Thema. Liegt es an der Zahl der Flüchtlinge oder dem unterschiedlichen Engagement?

In Othmarschen am Holmbrook gab es von Beginn an eine große Bereitschaft zur ehrenamtlichen Unterstützung. Man sieht, dass die Einrichtung gut angenommen wird und den Bewohnern im Umfeld keine Probleme bereitet. In Rissen ist alles noch in Planung und die dortigen Menschen sind in Sorge, da sie noch nicht wissen, wer zukünftig in diesen Wohnungen wohnen wird.

„Das, was in Köln und auch in St. Pauli geschehen ist, geht nicht.“

Dr. Liane Melzer im Altonaer Rathaus: „Ich wünsche mir, dass das Engagement erhalten bleibt.“
Dr. Liane Melzer im Altonaer Rathaus: „Ich wünsche mir, dass das Engagement erhalten bleibt.“
Nun sind in der Silvesternacht nicht nur in Köln, sondern auch nur wenige Kilometer entfernt, unerfreuliche Dinge geschehen. Hat sich da etwas in Ihrer persönlichenWahrnehmung und der der Bürger verändert?

Das, was in Köln und auch in St. Pauli geschehen ist, geht nicht. Als Frau kann ich mir vorstellen, wie schrecklich es sein muss, so etwas zu erleben. Es ist richtig, dass dem mit aller Kraft nachgegangen werden muss. Das Thema Sicherheit spielt nach Köln auch in Hamburg nun eine größere Rolle. Das war im letzten Jahr kaum der Fall. Es gibt zwar immer wieder Auseinandersetzungen innerhalb der zentralen Erstaufnahme in der Schnackenburgallee und am Rugenbarg, aber dort kommen auch sehr viele Menschen direkt nach ihrer Flucht zusammen. Bisher gibt es keine nennenswerten sicherheitsrelevanten Vorkommnisse außerhalb und innerhalb von Einrichtungen in Altona. Nach Köln wird das Thema Sicherheit nun aber auch in den Informationsveranstaltungen thematisiert werden.

Von der Obrigkeit werden die Flüchtlinge als Bereicherung angesehen. Besteht die Gefahr, dass Bürger Flüchtlinge nach den Silvestervorkommnissen eher als eine zusätzliche Belastung begreifen?

Ich habe über viele Jahre in meinen unterschiedlichen Funktionen immer das Thema demographischer Wandel als eine schwierige Zukunftssituation mit bearbeitet. Nun sind im letzten Jahr besonders viele junge Menschen gekommen, die in der deutschen Wirtschaft dringend gebraucht werden. Unter diesem Gesichtspunkt sind sie eine Bereicherung. Die zahlreichen Flüchtlingsströme, die Altona im Laufe der Jahrhunderte aufgenommen hat, zeigen auch, dass sie immer zu einer Bereicherung in den Städten beigetragen haben. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass die Menschen es auch dieses Mal tun werden.

Was passiert, wenn der Flüchtlingsstrom weiter so fließt, wie bisher?

Hamburg bereitet sich darauf vor, auch im Jahr 2016 etwa 40.000 weitere Plätze für die Unterbringung von Flüchtlingen zu schaffen. Ob diese Menschen alle in Hamburg bleiben, können wir noch nicht vorhersehen.

Müssen dann Zelte rund ums Rathaus aufgestellt werden?

So weit wird es 2016 nicht kommen. Im Moment gehe ich noch davon aus, dass all die Maßnahmen, auch die, die in Berlin vorbereitet werden, früher oder später greifen. Vor allem hoffe ich, dass sich auch die anderen europäischen Länder mit in dieser Frage engagieren.

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In Berlin steht es auf Messers Schneide, man weiß nicht, wer sich durchsetzt. Kritiker oder die Befürworter? Was wäre Ihnen am liebsten?

Schwer zu sagen. Ich muss schauen, dass hier in Altona die Aufgaben, die mit den Flüchtlingen im Zusammenhang stehen, umgesetzt werden können. Das ist meine Aufgabe.

Was für Wünsche haben Sie diesbezüglich?

Ich wünsche mir, dass das Engagement, das ich im letzten Jahr hier in Altona erlebt habe, erhalten bleibt. Wir werden am 22. Januar ein zweites Fachgespräch mit ehrenamtlich Tätigen führen. Ich bin nach wie vor voller Hochachtung gegenüber dem, was hier in Altona vom Ehrenamt möglich gemacht wird. Ich treffe immer wieder ehrenamtlich Tätige, die freudestrahlend von ihrer Arbeit erzählen.

Bleibt angesichts der Flüchtlingsfrage noch viel Zeit für die regulären Aufgaben?

Natürlich nimmt das Thema Flüchlinge einen großen Raum ein, aber ich habe auch noch Zeit für die vielen anderen bezirklichen Themen.

Was steht zur Zeit noch an?

Da tut sich einiges in Altona, da eine Reihe von Bauvorhaben in den nächsten Jahren ansteht. Die neue Mitte Altona geht voran, das Kolbenschmidt-Gelände ist ein Thema und natürlich der Elbtunneldeckel. Außerdem haben wir seit dem 1. Januar einen neuen Baudezernenten, Johannes Gerdelmann.

Es werden mindestens zwei neue Schulen gebaut werden, in Osdorf und Lurup. Auch in der Königstraße soll ein neues Gymnasium entstehen. Ich habe also neben dem Thema Flüchtlinge noch vieles andere zu tun.

Frau Melzer, vielen Dank für das Gespräch.

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

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