BEMERKENSWERTES
IM GESPRÄCH MIT…
Jens Meyer-Odewald
Herr Meyer-Odewald, bei Ihren Recherchen sind Ihnen einige überlebende Kiez-Größen begegnet. Wie aufgeschlossen waren die Ihren Fragen gegen- über?
Wenn man mit diesen Menschen ganz normal redet, dann sprechen sie auch mit einem. Dabei gilt: Haben Sie einen, dann haben Sie alle. Treffen konnte ich dabei nur die, die überlebt haben. Auch Zuhälter werden mal alt – falls sie die Revierkämpfe überlebt haben …
Richtig. Aus ehemaligen Rotlichtgrößen sind jetzt alte Männer geworden. Einige sind dabei in der Gosse gelandet. Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Kiez?
Als Student haben wir manchmal wilde Sauftouren gemacht, den Absacker gab es dann morgens gegen 4 Uhr in der Ritze. Ich erinnere mich an das gute Bier und witzige Leute. Ansonsten hatte ich vor dem Buch keine Nähe, weder zum Kiez noch zum Thema.
Wie viele der ehemaligen Kiezgrößen leben überhaupt noch, sind zudem ansprechbar?
Viele sind tot oder kaputt. An die kommt man nicht mehr ran. Offen gesagt wollte ich das auch nicht. Andere Rotlichtfürsten haben die Kurve bekommen und sind heute teilweise seriös aktiv. Zwei, drei, die die Kurve bekommen haben, leben heute als Gastronomen.
Welchen Zeitraum umfasst Ihr Buch?
Es beginnt in den 70er Jahren, die Ritze war damals ein Klohaus. Das Buch endet mit Hanne Kleines Tod.
Für die einen sind diese Rotlichtfürsten legendäre Gestalten, für andere kaum mehr als Kriminelle.
Die Männer, die ich getroffen habe, saßen nicht im Knast, denn Zuhälterei ist nicht verboten. Man darf diese Männer trotzdem nicht glorifizieren. Ich habe mich im Buch bemüht, diesen Spagat hinzubekommen.
Wie stehen Sie persönlich zu diesen ehemaligen Kiez-Größen?
Ich habe mich bemüht, die Ereignisse der damaligen Zeit so zu schildern wie sie waren. Es gibt im Buch eine ganze Reihe kritischer Schlenker, etwa zum Thema Ausbeutung von Frauen.
Was ist dran an den Geschichten vom guten Kiez, fairen Faustkämpfen ohne Waffen?
Ob das so stimmt, kann ich nicht beurteilen, doch es wurde mir so erzählt. Danach gab es einen Ehrenkodex, den es seit 10, 20 Jahren nicht mehr gibt.
Die meisten habe ich als echte Typen mit einem sauberen Kern erlebt. Ich war überrascht, dass es durch die Bank nette Kerle sind.
Es fällt auf, dass unter den Kiez-Größen kaum echte Hamburger waren. Die meisten waren zugereist.
Viele kamen aus Österreich oder auch aus Bayern. Das sagen solche Namen wie WienerBlacky und Bonner-Erwin. Die meisten waren Zugereiste. Viele von ihnen hatten ursprünglich mit der Seefahrt zu tun und sind so nach Hamburg gekommen. Auf dem Kiez haben sie gemerkt, dass man dort gut Geld verdienen kann und sind so hängengeblieben.
Einige der legendären Kiez-Größen haben sich das Leben genommen. Wo sehen Sie den Grund hierfür?
Das waren zu ihrer Zeit ganz große Kings, haben jahrelang auf 180 gelebt. Plötzlich waren sie in der Bedeutungslosigkeit gelandet. Damit sind sie nicht fertiggeworden. Sie hatten keinen normalen Beruf, auch kein Geld mehr, so hatten sie nichts mehr zu melden.
Wann kam es zum großen Bruch auf dem Kiez?
Der kam mit dem Fall der Mauer. Das haben mir alle meine Gesprächspartner erzählt. Es kamen die Albaner und andere Ausländer. Da begann die Verrohung.
Heute ist das Geschehen auf dem Kiez deutlich unübersichtlicher als in den sogenannten guten Zeiten.
Aus der Neuzeit habe ich mich rausgehalten. Das aufzudröseln, wäre ein Buch für sich geworden.
Zur Ritze, Hamburger Kiezgeschichte, Herausgeber: Hamburger Abendblatt
ISBN 978-3-95856-004-8, 24,95 Euro
NEUERÖFFNUNG
Amato-Kaffee und Backwaren
Schenefelder Landstraße 43a