2. Februar 2018
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Lausebengel gab es schon immer

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MEINE MEINUNG

Lausebengel gab es schon immer 

Schulleiter Stephan Pauli. Freiheit und Grenzen  

Unsere Kinder sind uns wichtig. Wir machen uns Gedanken; über Bildung, Erziehung, Schulkonzepte ... FOTO: CONTRASTWERKSTATT_FOTOLIA.COM 
Unsere Kinder sind uns wichtig. Wir machen uns Gedanken; über Bildung, Erziehung, Schulkonzepte … 

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Wo endet der normale kindliche Spieltrieb und wo beginnt kindlicher Terror? Eltern scheinen uneins in dieser Frage. Die Reaktionen reichen von der blinder Verteidigung zu umsichtigem Handeln

Der Spiegel-Bestseller „Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Sohn hat Geburtstag“ bewegt die Gemüter. Wohin sind wir gekommen mit der Erziehung unserer Kinder? Was müssen Lehrer, Erzieher, Kinderärzte heute wirklich erdulden?

Die Elbvororte sind anders. Wir sind gerne anders! Unsere Kinder sind uns wichtig. Wir machen uns Gedanken; über Bildung, Erziehung, individuelle Schulkonzepte, optimierte Tagesabläufe, maßgeschneiderte Ernährung, sinnvolle Hobbys und passende Spielpartner. Kinder sind uns kein „Anhängsel“. Sie sind geplant, geliebt – Mittelpunkt unseres Lebens, das Wichtigste, was wir haben. Unsere Mühen zahlen sich aus. Denn unsere Kinder sind toll. Meistens … Und wenn Sie es mal nicht sind, sind wir für sie da, bleiben an ihrer Seite, treten notfalls als ihre Anwälte schützend vor sie. Und tägliche Situationen geben uns Anlass zum Nachdenken, wie diese hier aus dem Elbe-Einkaufszentrum in der Vorweihnachtszeit: Eine Gruppe mit vollen Einkaufstüten beladener Herren sitzt erschöpft im Ehemänner-Wartebereich am Fuße der großen Rolltreppe und wartet auf die shoppenden Gattinnen. Eine Etage oberhalb erfreut sich ein Geschwisterpaar an diesem Anblick während die Mutter ein paar Meter daneben in ein Gespräch vertieft ist. Ein Junge und ein Mädchen, ca. drei und fünf Jahre alt. Wäre es nicht eine tolle Idee, da was runterzuwerfen? Das größere Kind schreitet zur Tat. Im Einkaufskorb liegen lose Zitronen. Das kleinere Geschwisterchen folgt dem Beispiel. Bald ergießt sich ein Zitronenhagel auf die Wartenden und ein älterer Herr wird im Gesicht getroffen. Er steht auf und schimpft. Die Kinder freuen sich, lachen und greifen nach neuer Munition – ein großartiger Wurf!

Sowas haben Kinder immer schon getan? Stimmt! Bergeweise „Lausebengel-Geschichten“ früherer Epochen belegen: So brav, wie wir alle glauben, waren schon unsere Urgroßeltern nicht.

Interessant wird hier und heute die Reaktion der Mutter. Glaubt man oben genannte Bestseller hätte wohl Folgendes passieren müssen: Augenblicke später registriert die Mutter den schimpfenden Rentner, die Kinder hören sofort auf zu lachen und drängen sich an die Mutter. Sie schreitet zur Tat – und schreit zurück: „Stellen Sie sich doch nicht so an, das haben die Kinder ja nicht mit Absicht gemacht.“ Sie fährt mit ihren Kindern die Rolltreppe runter, sammelt erzürnt die Zitronen selber ein und reißt dem aufgebrachten Mann trotzig die letzte aus der Hand. Im wortlosen Abgang dreht sich das größere Kind noch einmal um und streckt die Zunge raus. Alle umstehenden Passanten sind fassungslos.

Vielleicht ging die Geschichte aber auch so zuende: „Hier ist was schiefgegangen“, soviel ist der Mutter von Anfang an bewusst. Sie nimmt ihre Kinder an der Hand und geht mit ihnen nach unten. Sie hört sich an, was passiert ist, guckt ihren Kindern tief in die Augen und merkt „na, ganz unschuldig sind meine (B)Engelchen nicht“.

Ihre Liebe zu den Kindern lässt sie von so einer Kleinigkeit selbstverständlich nicht erschüttern, dennoch müssen die Kinder die Zitronen einsammeln und sich bei dem Herren entschuldigen. Dieser ist versöhnt, das schlechte Gewissen der Kinder beruhigt – und zum Abschied schenkt das größere Kind ihm noch eine Zitrone und winkt, er lächelt zurück – und seine Beule ist schon fast vergessen.

Wie es wirklich war vor ein paar Tagen im Elbe-Einkaufszentrum? Das wird hier nicht verraten – beide Lösungen sind vorstellbar, beide Haltungen finden wohl eine Rechtfertigung: bedingungsloser Rückhalt „in dubio pro filio“ contra Verantwortung tragen lassen – auch wenn man die Situation nicht immer bis ins Detail beurteilen kann?

Wie hätten Sie entschieden? Ich denke und glaube fest: Wir leben in einer gesegneten Wohngegend. Im Durchschnitt sind wir überdurchschnittlich hoch gebildet – und können vielfältig und selbstkritisch reflektieren. Und wenn wir doch einmal unsicher sind, ob unsere Sprösslinge auf dem richtigen Weg sind und wir als Eltern adäquat damit umgehen, haben wir verlässliche Experten, die aus ihrer Ausbildung heraus und mit viel Berufserfahrung ein liebevolles, dennoch aber unabhängiges Bild unserer Kinder zeichnen können: unsere Erzieher, Lehrer und Kinderärzte. Deren Ziel ist dasselbe wie das unsere: Unsere Kinder sollen glücklich, gesund und stark heranwachsen und auf möglichst viel vorbereitet werden, was im Leben auf sie warten wird. Stephan Pauli

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