BEMERKENSWERTES
„Menschliches Augenblicksversagen“
Aus dem Amtsgericht

Jetzt musste sich der verursachende Pkw-Fahrer Erwin Pfahl* vor dem Blankeneser Amtsgericht verantworten. Es steht zweifelsfrei fest, dass der 56-jährige Angeklagte Rot missachtete und so die Fußgängerin erfasste. Warum der Unglücksfahrer die Rot zeigende Ampel übersah, kann weder er noch das Gericht auch nach mehreren Stunden Verhandlung nicht klären. Er könne sich nicht erinnern, könne sich auch nicht erklären, wie es zu dem Unfall gekommen sei, so der Tischler, der am Tag des Unglücks mit seinem Fiat Doblo beruflich unterwegs war. „Ich habe die Fußgängerin nicht gesehen“. Nach dem tragischen Ereignis habe er sechs Wochen nicht arbeiten können. „Ich hatte Weinkrämpfe und habe eine Therapie begonnen.“ Tränen kommen dem Angeklagten auch wieder im Gerichtssaal.
So detailliert wie präzise erklärt ein Sachverständiger Einzelheiten des Unfalls. So erfahren die Zuhörer, dass der Weg vom Gehirn zur Hand kürzer ist als zum Fuß. Wer also am Steuer eines Autos sitzend einem Menschen oder auch Objekt ausweichen will, reagiert als erstes mit dem Steuer, erst dann bremst er. So interessant der Sachverständige den Unfallhergang rekonstruiert, so wenig kann er die Frage beantworten, warum der Unglücksfahrer bei Rot über den Fußgängerstreifen fuhr. Die Anklagevertreterin sieht den Grund für das Unglück in einem „menschlichen Augenblicksversagen“. Der Vorwurf der fahrlässigen Tötung sei bestätigt worden. Die Staatsanwältin beantragt eine sechssmonatige zur Bewährung ausgesetzte Haftstrafe. Der Nebenkläger stimmt dem zu. Zugleich nutzt er die Gelegenheit für versöhnliche Worte. „Auch die Angehörigen des Opfers gehen von einem tragischen Unfall aus.“
Für die Verteidigerin ist der Unfalltod ein „schlimmes Unglück, das strafrechtlich nicht relevant ist.“ Sie beantragt einen Freispruch. Die Richterin hat ihren eigenen Blick auf den Fall. Die Zeugen hätten nichts Wesentliches beitragen können, sagt sie und verurteilt den Unglücksfahrer zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.600 Euro. „Es war eine Situation, die jederzeit wieder passieren kann. Von diesem Risiko kann sich niemand freimachen.“
*Namen geändert