STADTERWEITERUNG
Neue Stationen, neue Züge
Ausbau des ÖPNV
Hamburg wächst und damit steigen auch die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr. Besetzte Gleise und überbeanspruchte Technik gehörten gerade im Pannenwinter 2018 zum Alltag. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern.
Die Steigerungsraten entsprechen denen mancher chinesischer Metropole: plus 30 Prozent in den letzten Jahren. Die S-Bahn Hamburg beförderte 2017 insgesamt 280 Millionen Fahrgäste (und, rein rechnerisch, 12,6 Millionen Schwarzfahrer). Die Hochbahn zählt mit ca. 438 Mio. Passagieren jährlich fast das Doppelte, spielt in diesem Artikel aufgrund des bisher fehlenden lokalen Bezugs jedoch nur eine Nebenrolle.
Bei der S-Bahn ist die Infrastruktur nicht annähernd im gleichen Maße mitgewachsen und die Folgen dieses Verhältnisses sind seit Längerem zu besichtigen.
Pendler in und aus dem Hamburger Westen kennen es: Die S-Bahn hält auf freier Strecke. Keine Durchsage. Nach einigen Minuten geht es weiter bis zum nächsten Stopp. Gerade der Bahnhof Altona ist auf den letzten 500 Metern zeitweise nur noch unter nervtötendem Geruckel zu erreichen und auch die Einfahrt nach Blankenese kann länger dauern als die eigentliche Fahrt. Der Grund liegt in der strammen Taktung, den beiden Linien (S1 und S11) und in den permanenten Verspätungen, die zu Staus führen. Einen Berufstätigen aus Blankenese, der jeden Monat nach Altona fährt, den kann man um drei Uhr morgens wachrütteln und er wird absolut korrekt die Durchsage wiedergeben können: „Aufgrund einer Betriebsstörung verkehren die Züge der S1 außerplanmäßig und stark verspätet.“ Was vor etwa zehn Jahren als Ausnahme galt, ist heute Alltag. Die Technik ist marode. Wenige Grade Frost oder sommerliche Hitze, Platzregen, Laub, Windböen erzeugen regelmäßig Störungen im Ablauf. Klemmt in Altona oder im Hauptbahnhof eine Weiche, oder auch nur ein Signal, dann spürt das die ganze Stadt.
270 Millionen Euro will die Bahn in Hamburg und Schleswig-Holstein investieren …
Der zunehmende öffentliche Druck und das permanente Gemecker (vgl. dieser Artikel) hat nun jedoch zu verstärkter Investitionsbereitschaft geführt. Für den Ausbau der Infrastruktur will die Bahn ab 2018 insgesamt 270 Millionen Euro in Hamburg und Schleswig-Holstein investieren.
So sollen neue Züge angeschafft (dazu unten mehr) und die „Ausfahrtspünktlichkeit“ verbessert werden (mehr Platz auf dem Bahnsteig, Einsatz von sogenannten Türlotsen im Hauptbahnhof).
Die größten Projekte sind zweifellos die neue U-Bahn-Linie U5 sowie die neuen Stationen. Für den Hamburger Westen ist hier Ottensen interessant. Der Bereich um die Max-Brauer-Schule ist ein veritables Schwarzes Loch, bisher nur zu erreichen durch Fußmärsche von der Station Bahrenfeld oder mit Buslinien quer durch Nebenstraßen oder die notorisch verstopfte Stresemannstraße. Gleichzeitig entstehen hier neue Wohnviertel (Ottensen 61 und Bahrenfeld 62). Die Bahn geht daher von täglich 5.000 Fahrgästen pro Tag aus, die in Ottensen zu- oder aussteigen könnten. Der Baubeginn der neue Station ist bereits im ersten Halbjahr 2018. Vorgesehen ist ein Mittelbahnsteig, also ein Bahnsteig zwischen den Gleisen. Hierzu wird das Gleis Richtung Blankenese einige Meter nach Norden verschoben.
Neue Stationen entstehen auch entlang der Strecke der neuen U5. Geplant ist hier nicht weniger als der Anschluss ganzer Stadtviertel an das Bahnnetz. Die U5 soll ab 2021 gebaut werden, 2026/2027 in Betrieb gehen – ohne Fahrer. Dies ermöglicht eine enge Taktung der Züge. Alle 90 Sekunden könnte eine U-Bahn auf die nächste folgen.
Aber warum kann das Fehlen des Fahrers den Betrieb derart beschleunigen? Die Antwort liegt in der vollständigen Automatisierung des Betriebs und der geringen Pannenanfälligkeit eines Zugs ohne Führerstand. Eine führerlose U-Bahn wird in Verbindung mit Absperrwänden zwischen Zug und Bahnsteig eingesetzt. Die Türen auf dem Bahnsteig schließen sich also automatisch und das Herumgezerre an abfahrenden Bahnen gehört der Vergangenheit an. Der letzte Baustein der Investitionsvorhaben sind die neuen Züge des Modells ET 490, hergestellt von Bombardier Transportation. Im Unterschied zu herkömmlichen S-Bahn-Zügen ist das Modell mit seinen drei Wagen auf ganzer Länge begehbar. Die Fahrgäste sollen sich besser verteilen, so das Kalkül, und sich sicherer fühlen (wer sich bedrängt fühlt, kann flüchten). Hinzu kommen Monitore, die Informationen zur Strecke liefern, aber auch allgemeine Nachrichten aus aller Welt. Die Züge verkehren derzeit im Testbetrieb. Bis Ende 2018 sollen aber alle 60 Einheiten regulär auf der Schiene sein.
Die U5 soll ab 2026 in Betrieb gehen – ohne Fahrer!
94 Prozent mögen sich nach viel anhören. Tatsächlich aber fließen nur Verspätungen von über drei Minuten in die Statistik ein. Vom Anschlusszug sieht man dann noch die Rücklichter. Die Pünktlichkeit wird auch über den gesamten Betriebstag gemessen, also auch nachts und an Feiertagen, wo ungleich weniger Störungen auftreten als in der Rush-hour. Fazit: Es ist viel zu tun.
Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de