4. April 2018
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Praktisches Kulturgut

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TRENDSETTER

Praktisches Kulturgut

Ich packe meinen Koffer

Die Kofferindustrie hat allerlei Scheußlichkeiten zu bieten, aber das muss nicht sein ...FOTO: WEERAYUT_FOTOLIA.COM
Die Kofferindustrie hat allerlei Scheußlichkeiten zu bieten, aber das muss nicht sein …

FOTO: WEERAYUT_FOTOLIA.COM
Am Koffer zeigen sich Sitten und Gewohnheiten. Dimensionen, Material und Verzierung geben Aufschluss über den einzelnen Reisenden, aber auch über die Gesellschaft als solches. Ein kleine Kulturgeschichte des Koffers.

Dem Koffer geht´s wie dem Wintermantel: Die alten Klassiker werden in Ehren gehalten, bestaunt und gepflegt, aber tragen tut die breite Masse dann doch 100 Prozent Plastik in Anthrazit. So praktisch! Leider auch so hässlich. Der Blick zurück zeigt, dass unsere Großeltern in Sachen Koffermode weiter waren. Der Koffer war ein Handwerksprodukt, der die Kenntnisse von Tischlern, Sattlern und Schneidern vereinte. 

Leicht muss ein Koffer heute sein. Das war nicht immer so. Vergangene Generationen besaßen mit ihren Koffern solide handwerkliche Erzeugnisse. FOTO: DAVID PRADO_FOTOLIA.COM
Leicht muss ein Koffer heute sein. Das war nicht immer so. Vergangene Generationen besaßen mit ihren Koffern solide handwerkliche Erzeugnisse. 

FOTO: DAVID PRADO_FOTOLIA.COM
Das Gewicht spielte vor Einführung des Flugzeugs eine untergeordnete Rolle. Bahnhöfe, Hotels und Häfen waren auf veritable Schrankmonstren eingestellt und eine Heerschar an Trägern nahmen Reisenden jede Last ab.

Aber auch heute gibt es noch Koffermarken, die umgeben sind von kultartiger Verehrung. Ganz oben steht das 1854 in Paris gegründete Unternehmen Louis Vuitton – heute eher bekannt für Handtaschen, in seinen frühen Tagen aber eine Manufaktur für Koffer. Während secondhand anderswo als leicht anrüchig gelten kann, sind „Vintage“-Koffer von LV hochgradig begehrt. Wer zum ersten Mal einen in der Hand hält, wird überrascht sein: Erstens vom Gewicht (vergleichsweise schwer) und zweitens von der exzellenten Handwerksarbeit, die sicherstellte, dass diese Koffer Generationen überdauert haben.

Schleppen gehört bei modernen Reisenden zum Alltag. So mancher wünscht sie sich zurück, die hilfreichen Heerscharen von Trägern an Bahnhöfen und vor Hotels. FOTO: ARTFULLY-79_FOTOLIA.COM 
Schleppen gehört bei modernen Reisenden zum Alltag. So mancher wünscht sie sich zurück, die hilfreichen Heerscharen von Trägern an Bahnhöfen und vor Hotels. FOTO: ARTFULLY-79_FOTOLIA.COM 
Die Preise für „Vintage“-Exemplare haben allerdings den Bereich der menschlichen Ratio verlassen. Für einen Überseekoffer der Epoche 1920 bis 1949 in gutem Zustand werden ca. 25.000 Euro fällig. Das klassische Diplomatenköfferchen mit den markanten Initialen ist mit um die 3.500 Euro dagegen ein Schnäppchen. Der Markt ist dabei überschwemmt von mehr oder weniger gut gemachten Fälschungen. Wer sicher gehen will, ist daher auf seriöse Händler angewiesen.

Ein ungleich praktischerer Kofferklassiker ist der Rimowa. Auch hier handelt es sich um einen Hersteller mit langer Historie. Die Rimowa GmbH geht zurück auf eine 1898 in Köln gegründete Sattlerei, die 1931 dazu überging, Koffer aus Aluminium zu fertigen.

Ziel war die Gewichtsersparnis, gerade im Hinblick auf die sich damals entwickelnde Passagierluftfahrt.

Das noch heute verwendete Rillendesign (die Querrippen dienen der Stabilisierung) geht auf ein Patent von 1950 zurück. Entgegen manchen Vorstellungen war Rimowa aber niemals in der Flugzeugfertigung tätig. Die Ähnlichkeit der Koffer mit den Tragflächen von historischen Junkers-Flugzeugen ist sinnfällig, entspringt aber eher technischen Erfordernissen.

Rimowa-Koffer sind unverwüstlich – allerdings nicht ästhetisch. Langgediente Exemplare sehen aus, als seien sie die Feuertreppe des Eiffelturms heruntergefallen, lassen sich dann aber immer noch öffnen und schließen und werden mit Stolz weiter benutzt. Der Hersteller ist sich der Stabilität seiner Produkte bewusst und gibt fünf Jahre Garantie auf jeden Aluminiumkoffer. Kostenpunkt: Um die 600 Euro.

FOTO: STEFAN1179_FOTOLIA.COM
FOTO: STEFAN1179_

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FOTO: MONTICELLLLOI_FOTOLIA.COM
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FOTO: IZUMI_FOTOLIA.COM
FOTO: IZUMI_

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Wem das immer noch zu viel ist, der geht in Pappe. Wortwörtlich. In nahezu jedem Manufactum-Warenhaus sind markantschwarze Koffer aus lakkierter Pappe erhältlich. Aufgrund des Vintage-Charms, der mehr als deutlich an die 30er Jahre erinnert, sowie den vielen praktischen Formaten und der konkurrenzlosen Preise haben diese Koffer mittlerweile zahlreiche Fans. Das Standardmodell kostet um die 35 Euro und ist NICHT für Flugreisen gemacht. Die Manufactum-Pappe aus tschechischer Fertigung ist ein stilvoller Begleiter auf Zugreisen, Autofahrten und eher für ein Wochenende geeignet als den temporären Umzug an die Algarve. Wasserspritzer verträgt er, Platzregen eher nicht. Die Manufactum-Pappe ist auch der einzige Koffer in dieser Auflistung, auf dem sich Aufkleber besonders gut machen. Nicht praktisch. Aber schön.

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