OLDTIMER
Alte Liebe, rostet nicht …
Vintage
Auch das Bild auf den Straßen ist ein anderes: Es rollen Autos über die Elbchaussee, die man sonst nur selten zu Gesicht bekommt. Das Chrom an Stoßstangen und Felgen glänzt in der Sonne. Der Lack wirkt wie frisch poliert. Der Geruch aus vergangenen Zeiten hängt in der Luft.
Bei gutem Wetter sieht man in den Elbvororten Fahrzeuge aus nahezu jedem Jahrzehnt und in jeder Ausführung: von seltenen Vorkriegswagen über den Porsche 550, in dem James Dean verunglückte, bis hin zum Ferrari 308 GTS aus der 80er Jahre-Serie „Magnum“, von Cabrios über Roadster bis Limousinen. Die sonntägliche Ausfahrt wird zum gesellschaftlichen Ereignis: Die einen treffen sich mit Markengenossen zum Ausflug im Konvoi. Wenn zehn Porsche durch das Treppenviertel brummen, sind ihnen die Blicke der Spaziergänger sicher. Andere wiederum nutzen den Tag für einen Familienausflug. Dach auf, Kinder auf die Rückbank, Picknick-Korb in den Kofferraum.
Für besonderes Aufsehen sorgte ein Oldtimer im Jahr 2002 in Blankenese. Es war der Jaguar SS von 1936. Am Steuer saß ein Besucher aus England, der „Earl of Snitterfield“. Stilgerecht mit Lederkappe und Brille lenkte er seinen Jaguar durch die Blankeneser Bahnhofstraße. Zum „Blinken“ musste der Earl den Arm weit hinaushalten. Der Jaguar ist eine wahre Rarität, weltweit gibt es nur noch zwölf Stück. Und so wundert es nicht, dass Schauspieler und Oldtimer-Sammler Rowan Atkinson alias „Mr. Bean“ einmal jährlich beim Earl anfragte, wann er denn nun endlich seinen Wagen zu verkaufen gedenke.
… über Porsche 550 bis hin zum Ferrari 308 GTS aus der Serie „Magnum“
Auch die kleinen Werkstätten, zum Teil in Hinterhöfen gelegen, haben alle Hände voll zu tun. AG Turismo an der Elbchaussee zum Beispiel hat sich auf die Reparatur von Mercedes und Porsche spezialisiert. „Alles, was in anderen Werkstätten nicht läuft, landet bei uns“, sagt André Guergen. Und das ist eine Menge: Vom alten Porsche 356 bis zum Mercedes 107, wie ihn Robert Wagner in der Serie „Hart aber herzlich“ lenkte, repariert Guergen alles. Die Kunden kommen aus ganz Deutschland.
Ein Blick in viele Blankeneser Garagen, sei es entlang des Strandwegs oder auf Stellplätzen in Tiefgaragen, offenbart die Old-timer-Vielfalt in den Elbvororten. Da Diskretion zum hanseatischen Understatement gehört, frönen die meisten Oldtimer-Fans aus den Elbvororten ihrer Leidenschaft lieber im Verborgenen.
Einer, der seinen Fuhrpark auch Besuchern öffnet, ist Markus Hecker. Er ist nicht nur Sammler, sondern auch Händler. Sein Unternehmen Van Bargen Klassische Automobile GmbH verkauft Oldtimer in Kommission. Hinter den hohen Türen seines Anwesens am Falkenstein stehen ein dunkelgrüner Jaguar E-Type SI Baujahr 1966, ein grauer Jaguar MK I Baujahr 1959 und ein silberner Bentley S III Limousine aus dem Jahr 1965 im Hof. Markus Hecker wohnt und arbeitet in dem weiß gestrichenen Klinkerhaus, das er von seinem Vater geerbt hat. Rund 50 Oldtimer stehen hier in mehreren Garagen. Es sind vorwiegend Fahrzeuge britischer Provenienz wie Aston Martin, Jaguar und Rover. Markus Hecker lässt die Autos in Vertragswerkstätten restaurieren und bietet sie anschließend zum Verkauf an. Die Familienvilla ist der perfekte Ort, um die Fahrzeuge zu präsentieren. Ein Blick in die Garagen lässt das Herz jedes Oldtimer-Liebhabers höherschlagen: Minis in allen Ausführungen, als Countryman von 1964 oder als Werksprototyp aus dem Jahr 2000, Jaguare, Bentleys und und und. Es riecht nach Motorenöl, an den Wänden hängen alte Werbeplaketten.
Seit Mai hat Markus Hecker einen Partner an seiner Seite, der sich weit über die Grenzen Hamburgs hinaus einen Namen gemacht hat: Claus Mirbach. Jahrzehntelang war er mit seinem Geschäft am Mittelweg die Nummer eins in der Branche. Sein erstes Fahrzeug verkaufte Claus Mirbach an den Band-Leader James Last. „1963 beantragte ich meinen ersten Gewerbeschein und begann, neben meinem normalen Angestellten-Job, gebrauchte Porsche und Käfer in die USA zu verkaufen“, erzählt Claus Mirbach. In Zeiten vor Internet und Handy war die Beschaffung eines Oldtimers noch abenteuerlich.
Sein erstes Fahrzeug verkaufte Claus Mirbach an den Band-Leader James Last
Das Geschäft gibt es nicht mehr. Die Oldtimer dagegen sind aus dem Leben von Claus Mirbach nicht wegzudenken. Wenn Claus Mirbach und Markus Hecker über Oldtimer reden, spürt man die Leidenschaft für die Fahrzeuge. Die Anekdoten und Geschichten, die hinter jedem einzelnen Wagen stecken, sprudeln nur so aus ihnen heraus.
„Ich erinnere mich an einen Herrn, der eine BMW Isetta nach Kanada hat verschiffen lassen“, erzählt Claus Mirbach. BMW Isetta war eher Rollmobil als Auto, das von 1955 bis 1962 gebaut wurde und gerade mal 13 PS Leistung vorzuweisen hatte. „Ich sagte dem Kunden, er müsse von Halifax aus einen Transport für den Wagen organisieren. Aber der Kunde meinte, er fahre die 1.800 Kilometer lieber selbst mit dem BMW – wir haben nie wieder was von ihm gehört. Womöglich ist er irgendwo im Wald liegengeblieben?!“
Ein anderer, der die Leidenschaft für Oldtimer mit Leib und Seele lebt, ist Niels Baumann. Er ist selbst Oldtimer-Besitzer und Verkäufer beim Mercedes-Händler Leseberg Automobile an der Osdorfer Landstraße. Wer vom Neuwagen-Trakt des Gebäudes in das Classic Center geht, spürt bereits am Ambiente den Wandel der Zeit: Es riecht nach Leder und Motorenöl. Dicht an dicht stehen hier Mercedes aus mehreren Jahrzehnten, insbesondere „Pagoden“. Der Mercedes SL verdankt den Spitznamen seinem nach innen gewölbten Hardtop, das an die Form eines asiatischen Pagoden-Turms erinnert. Niels Baumann erklärt Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle: „Dieser 190 SL aus dem Jahr 1962 ist für viele optisch anmutender“, so Baumann. Er steht vor einem dunkelgrünen Modell, das 1967 durch den Mord an der SL-Fahrerin zur Berühmtheit gelangt ist, der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt. „Allerdings fährt sich der Wagen deutlich schwerer als sein Nachfolger 280 SL aus den Jahren ab 1969.“
Wer einen Oldtimer kaufen will, sollte einiges beachten
Im Keller des Autohauses stehen noch mehr Raritäten. Eine alte S-Klasse aus den 80er Jahren fällt völlig aus dem Rahmen. Lediglich am Kühlergrill kann man erkennen, dass es sich um einen Mercedes handelt. Der Lack ist buchstäblich ab an diesem Fahrzeug. Das Dach ist ein Flickenteppich aus Rost und Lack, die Sitze verschlissen, das Innenfutter quillt heraus.
Niels Baumann: „Ich hatte diesen Wagen eigentlich zum Ausschlachten gekauft. Er kommt aus den Hamptons bei New York.“ Wind und Wetter haben ihre Spuren hinterlassen. Aber Niels Baumann will den alten Wagen nicht aufgeben – noch nicht. Und so lange bleibt er erstmal unter seinen Altersgenossen in der Garage stehen.
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, einen Oldtimer zu fahren. Für die einen ist der Wagen nicht nur Sammelobjekt, sondern Herausforderung. Manchmal dauert es Jahre, bis das Auto in mühsamer Eigenregie restauriert ist. Mit jedem eigenhändig eingesetzten Teil wachsen Stolz und Leidenschaft.
Andere wiederum sehen in den Oldtimern ein Stück lebendige Geschichte. Das Fahrzeug ist ein Zeitzeuge. Wiederum andere schätzen das Fahrerlebnis. Lenkung und Bremsen erfordern einen gewissen Kraftaufwand. Es ist ein völlig anderes Fahren als in einem Auto von heute, in dem die Motorengeräusche nur gedämpft nach innen dringen und die Karosserie verwindungssteif wie ein Panzer wirkt. Oldtimer zu fahren ist ein unmittelbares Erlebnis – das spürt man besonders in einem Cabrio: Man sitzt tief, es riecht, es ist laut. Die Liebe zum Oldtimer ist auch ein nostalgischer Blick in die Vergangenheit, auf Glanzleistungen im Design und im Überwinden von Geschwindigkeitsgrenzen. Zugleich identifiziert sich der Oldtimer-Besitzer mit dem Land, aus dem sein Auto stammt, sei es mit dem französischen Savoir Vivre eines Citroën 2 CV – die „Ente“ – oder dem Gefühl des Dolce Vita in einer Giulietta von Alfa Romeo.
Wer sich mit dem Gedanken trägt, einen Oldtimer zu kaufen, sollte einiges beachten. Es gibt günstigere wie einen alten Fiat 500 ab etwa 4.000 Euro, aber auch deutlich teurere für 200.000 Euro und aufwärts. Man kann Experten zu Rate ziehen, Marktpreise vergleichen, Portale und offizielle Preislisten studieren.
Stefan Hering vom Classic Center Leseberg rät: „Es lohnt sich, mit dem Fahrzeug zum Händler zu gehen und es überprüfen zu lassen.“ Leseberg bietet einen Komplettcheck mit Kompressionsbild an. Dabei wird die Kompression auf den einzelnen Zylindern geprüft. „Nicht nur die Optik – vor allem die Technik ist entscheidend“, so Stefan Hering. Auch ein Sachverständiger kann beim Kauf vor Ort hilfreich sein. „Bei einem Fahrzeug, das 300.000 Euro kostet, sind 400 bis 500 Euro für einen Gutachter gut angelegt“, sagt Hering.
Je mehr Pflege ein Auto erfährt, desto länger hat der Kunde damit Freude. Eine trockene Garage mit Luftzirkulation verhindert, dass sich Kondenswasser im Auto bildet. Stefan Hering: „Außerdem sollte man nicht im Winter fahren, wenn Salz gestreut ist – das schadet der Karosserie.“
Gegen Rost sollte alle drei bis vier Jahre eine Hohlraumkonservierung durchgeführt werden. Darüber hinaus einmal jährlich eine Wartung. „So entsteht kein Reparaturstau, verschlissene Teile werden rechtzeitig entdeckt“, so der Experte. Früher waren Oldtimer-Käufer wohlhabende Autosammler aus Leidenschaft. Heute sind viele Sammler von spekulativen Interessen getrieben. Ein Oldtimer taugt jedoch nur bedingt als Wertanlage.
Stephan Hering: „Man kann eine Wertsteigerung nicht vorhersehen. Man kann lediglich Prognosen erstellen. Und die sind von Fahrzeug zu Fahrzeug unterschiedlich.“ Welche am ehesten wertbeständig sind? Klassische VW-Busse, Porsche 911er.
Sven Seemann vom Autohaus Mirbach & Seemann: „Es ist die Generation der um die 50-Jährigen, die Oldtimer kauft. Die Leute haben das Geld, ihre Kinder sind groß und sie kaufen dann die Autos, mit denen sie aufgewachsen sind.“ Das sind zunehmend Youngtimer, also diejenigen, die noch nicht die 30-Jahres-Grenze überschritten haben. Aber nach wie vor auch Oldtimer, die jenseits der 30 Jahre mit einem „H“ auf dem Kennzeichen und damit deutlich günstigeren Steuer- und Versicherungssätzen fahren dürfen.
Weil die Vorkriegsgeneration ausstirbt, sinkt auch die Nachfrage nach den Autos aus der Zeit. Auch auffälligere Fahrzeuge wie Rolls Royce oder Bentley stehen nicht mehr hoch im Kurs. „Vermögende Kunden steigen mittlerweile lieber aus einer Ente oder einem Käfer als aus einem Rolls Royce“, so Sven Seemann. „Zum einen erntet man eher liebevolle als verständnislose Blicke. Zum anderen erinnern diese Autos häufig an die eigene Studienzeit.“
Seit diesem Frühjahr bieten die Elbvororte den Freunden alter Fahrzeuge noch mehr als Händler und Werkstätten. Wo früher ein Elektriker sein Geschäft betrieb, treffen sich heute Oldtimer-Fans im „Dockenhuden S“ auf einen Espresso oder ein Bier. Eine Bar mit langem Tresen und gemütliche Lounge-Sessel laden zum Verweilen ein. „Es ist der ideale Ort für Auto-Liebhaber: Ein Getränk in der Hand, der Blick auf eine gut befahrene Straße und auf Autos von hoher Qualität, wie es in Blankenese der Fall ist“, erklärt Oliver Kunz vom „Dockenhuden S“. Ausstellungsstücke wie ein Sechs-Zylinder-Motor von Porsche und Teile eines Formel-1-Rennwagens machen deutlich, dass es sich hier um ein Lokal der besonderen Art handelt. An den Wänden hängen historische Rennplakate, im sogenannten Event-Raum darf auch geschraubt statt gespeist werden. Einmal im Monat treffen sich die Oldtimer-Liebhaber bei den „Blankeneser Benzin-Gesprächen“ zum Austausch von Ideen, Erinnerungen – und natürlich auch Ersatzteilen.
Autorin: Cristina Prinz