2. Mai 2017
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Ein Dorf wächst 

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Ein Dorf wächst 

Jubiläen 

20. Mai 1954. Erstmalig fährt die elektrische S-Bahn auch in die Elbvororte. Das Dampfzeitalter ist endgültig vorbei. 
20. Mai 1954. Erstmalig fährt die elektrische S-Bahn auch in die Elbvororte. Das Dampfzeitalter ist endgültig vorbei. 
1867 erreichte die Eisenbahn Blankenese, das Fischerdorf wurde ein Stück weit urbaner. I m selben Jahr entstand in der Probst-Paulsen Straße das Amtsgericht. Der Bürgerverein Blankenese erinnert in zahlreichen Veranstaltungen an diese und weitere Wegmarken der Lokalgeschichte.

Es hätte auch ein Dorf bleiben können, jene Ansammlung von Fischerhäusern am Hochufer, die heute auf den Namen Blankenese hört. So wie im Wilden Westen Nordamerikas die Eisenbahn für Entwicklung und Wachstum verantwortlich war, so brauchte es auch westlich von Hamburg die Kraft der Dampfmaschine. Am 19. Mai 1867, also vor genau 150 Jahren, wurde die Strecke Altona–Blankenese eröffnet und läutete eine Zeitenwende ein. Blankenese, das davor aus Hamburger Sicht allenfalls ein reizvolles aber abgelegenes Ausflugsziel war, zügig erreichbar nur über den Elbstrom, rückte nun in praktische Reichweite. Möglich war nun auch ein geregelter Berufsverkehr in Richtung Altona und Hamburg. Die Grundstückspreise stiegen, die Einkommen wuchsen und natürlich änderte sich die Bevölkerung. Viele repräsentative klassizistische Villen – abseits der noch älteren „Perlenkette“ der Elbchaussee – entstanden in jenen Jahren. Die Taktung der Züge war anfangs übersichtlich. Zunächst pendelten täglich vier Personenzüge der Altona-Kieler Eisenbahngesellschaft zwischen Blankenese und Altona. Die Verlängerung der Strecke bis nach Wedel erfolgte erst 1883. Das Dampfzeitalter währte bis 1908. In dem Jahr kam die S-Bahn und fuhr parallel zum noch immer mit Dampf betriebenen Güterverkehr auf der Strecke. Nach Wedel hielt sich das Dampfzeitalter noch Jahrzehnte länger. Erst 1954 rollte die erste S-Bahn in Richtung Schleswig-Holstein. Der Güterverkehr fuhr bis 1997.

Die Bedeutung der Eisenbahn lässt sich auch heute noch am Bau des Bahnhofs ermessen …  

Bahnhof Blankenese, ca. 1867 
Bahnhof Blankenese, ca. 1867 
Die Bedeutung der Eisenbahn lässt sich heute noch am Bau des Blankeneser Bahnhofs ermessen. Ebenfalls 1867 fertiggestellt fungierte er nicht nur als technisches Gebäude, sondern diente auch der Repräsentation. Der Putzbau zitiert Romantik, Gotik, Renaissance und Klassizismus und gilt auch heute noch als eines der gelungendsten Bauwerke des Stadtteils.

Der Zar verkauft Alaska an die USA. Das Kapital von Karl Marx erscheint. In Paris wird die Weltausstellung eröffnet – das Jahr 1867 ragt in politischer wie wirtschaftlicher, kultureller wie wissenschaftlicher Weise hervor. Und hinterlässt auch in Blankenese bis in die Gegenwart reichende Spuren. So ist es sicher kein Zufall, dass mit dem Blankeneser Bahnhof und dem Amtsgericht zwei wichtige Marken gesetzt werden.

Damals wie heute gerieten Menschen mit dem Gesetz in Konflikt. Denn manchmal schlägt das Leben Purzelbäume. Gründe hierfür gibt es viele. Mal geht eine Liebe verloren wie ein Schal oder Regenschirm. Oder die Geschäfte laufen schlecht. Menschen greifen dann zu alkoholischen Getränken oder Rauschkraut. Bei anderen sind die Wünsche größer als das Portemonnaie. Sie stehlen, betrügen, rauben. Einige benutzen grobes Werkzeug oder auch nur ihre langen, listigen Finger. Wieder andere fallen im Straßenverkehr unangenehm auf, fahren zu schnell, prügeln auf Widersacher ein oder machen sich nach einem Unfall einfach davon.

Bahnhof Rissen 1953. Hier mussten Reisende in den Dampfzug nach Wedel umsteigen.
Bahnhof Rissen 1953. Hier mussten Reisende in den Dampfzug nach Wedel umsteigen.
Der Blankeneser Bahnhof 1950  
Der Blankeneser Bahnhof 1950  

Einst verstanden sich Amtsgerichte als Bestandteil der Obrigkeit. 

Auch Wirtschaftsbosse und Politiker wollen gelegentlich Ansehen und Macht auf eine Art vergrößern, die der Gesetzgeber nicht goutiert. Werden diese Missetaten aktenkundig, schreibt der Staatsanwalt eine Anklageschrift. Richter und Angeklagte, Zeugen und Staatsanwälte treffen sich dann im Gericht.

Das ist heute so wie vor 150 Jahren. Als am 1. September 1867 das Königlich-Preußische Amtsgericht in Blankenese eingerichtet wurde, war das Selbstverständnis der Obrigkeit eine gänzlich andere als heute. Wobei die Zeugnisse aus dieser Zeit rar sind. Die zuverlässigste Geschichtsquelle für die ersten 40 Jahre des Bestehens des Amtsgerichtes seien die „Norddeutschen Nachrichten“, so steht es in der Festschrift anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Amtgerichtes. Wobei diese Zeitung erstmals 1879 erschien. Entsprechend selten sind die Quellen der ersten Jahre.

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Bis zur Jahrhundertwende wurde im lokalen Teil der Zeitung ausführlich über das Amtsgericht berichtet. So kann der Leser heute mehr aus den „Norddeutschen Nachrichten“ als aus dem Archiv erfahren. Fest steht, dass damals für das neue Gericht nicht einmal ein geeignetes Gebäude vorhanden war. Es wurde am Schulkamp angemietet und gehörte dem Gastwirt Bornholdt aus Pinneberg. Dürftig wie die Räume war damals auch die personelle Ausstattung. Als Carl Ferdinand Adler am 1. September 1867 seinen Dienst als Amtsrichter antrat, hatte er eine einzige Hilfskraft. Johann Christoph Jacob Gerken war Bote, „Executor“ (Testamentsvollstrecker) und Gefängniswärter in einer Person. Im Vergleich dazu: Heute arbeiten im Amtsgericht Blankenese 58 Männer und Frauen. Darunter Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher und Richterinnen. 

Das Amtsgericht Blankenese ist heute für die Stadtteile Blankenese, Nienstedten, Osdorf, Flottbek, Sülldorf und Iserbrook zuständig 
Das Amtsgericht Blankenese ist heute für die Stadtteile Blankenese, Nienstedten, Osdorf, Flottbek, Sülldorf und Iserbrook zuständig 
Obwohl sich zur Zeit der Gründung Gerichte als Teil der Obrigkeit verstanden, war ihr Ansehen selbst ganz oben häufig dubios. So ist die Geschichte der Juristerei voller Gehässigkeiten. Keine andere Zunft muss sich so fieser Anwürfe erwehren. Schon der Humanist Erasmus von Rotterdam spottete 1515 über die Akademiker, niemand sei so eingebildet wie sie. „In Wirklichkeit wälzen sie nur den Stein des Sisyphos.“ Von Martin Luther über Goethe bis hin zu Otto von Bismarck wird über Juristen gespottet. Um stets zu wissen, mit wem er es zu tun hat, erteilte der Soldatenkönig Friedrich Wihelm I. im Jahr 1726 das Dekret: „Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocadi wollene Klönschnack 5 · 2017 24 schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.“

Das Gebäude am Kahlkamp von 1867 bis 1883 Sitz des Amtsgerichtes 
Das Gebäude am Kahlkamp von 1867 bis 1883 Sitz des Amtsgerichtes 
Immer wieder in der langen Geschichte des Blankeneser Amtsgerichtes wurde über eine Zentralisierung kleiner Gerichte spekuliert. Heute würden „Bedeutung und Wert der kleinen Gerichte zunehmend erkannt und gewürdigt“, ist in der kürzlich erschienen Festschrift zu lesen. „Die Justiz begreift sich nicht mehr als Bestandteil der Obrigkeit, sondern wesentlich auf ihre gesellschaftliche Dienstleistungsfunktion abgestellt.“

Die Wertschätzung dieser Arbeit seitens der Hamburger Justizbehörde hält sich in Grenzen. Für Festschrift und Veranstaltungen stellte die Behörde 750 Euro bereit. Dr. Torsten Bartels, derzeitiger Direktor im Amtsgericht Blankenese: „Damit kann man nicht viel anfangen.“ 

Autoren: Tim Holzhäuser (Bahnhof) Helmut Schwalbach (Gericht)

www.kloenschnack.de

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