HUNDELEBEN
Faszination Hund
Essay
Der Hund gilt als der beste Freund des Menschen. Nicht nur als treue Haustiere, sondern auch als hilfreiche Begleiter im Alltag sind die Vierbeiner aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Doch warum ist der Hund eigentlich so beliebt?
VON ELMAR SCHNITZER
Ein Wesen aus grauer Vorzeit, dessen Ur-Ahn vor gut 15.000 Jahren aus dem Dunst des Schöpfungsnebels trat, zieht uns heute magnetisch an und magisch in seinen Bann. Es trägt Fell, geht auf vier Pfoten und ist die Ursache der größten Seelenflucht des neuen Jahrtausends: Raus aus der gesellschaftlichen Kälte, in der vielfach schon der Nachbar ein Fremder ist, hin zum Wohlfühltier Hund, dem Kind des Wolfes. 66.500 Hamburger haben ihr Herz an Hunde verschenkt, mindestens. Eine Studie des Online-Magazins „Issn’ Rüde“ erhob Hamburg nach einem Vergleich mit 20 anderen Metropolen 2013 gar zur hundefreundlichsten Stadt der Bundesrepublik. Danach sind die beliebtesten Rassen in der Hansestadt Mischlinge, Labrador-Retriever und Jack-Russell-Terrier.
Nie zuvor gab es mehr Hunde in einer Nachkriegsgesellschaft
Hunde sind die Brüder und Schwestern unserer Seele. Bei ihnen finden die Menschen, was sie unter ihresgleichen so oft vergeblich suchen, Sympathie und Verständnis. Hunde lassen die Sonne für uns scheinen und verleihen uns Flügel, die uns über den Alltag erheben. Sie sind die Großmeister der Empathie, der Zauberformel für den Willen und die Fähigkeit, sich mit seinem Denken und Handeln auf Absichten, Emotionen, Gedanken und Persönlichkeitsmerkmale anderer einzustellen, ein Wir-Gefühl zu erzeugen und ein Wohlgefühl daraus zu formen. Auch als Helfer, Heiler und Kollegen waren sie nie gefragter als heute. Fast könnte man meinen, Hunde seien die besseren Menschen.
Sie sind die Augen von Blinden, das Gehör von Tauben, die Gliedmaßen von Gelähmten und die Verbündeten unserer Kinder.
In Gefängnissen wie Hanöversand, in denen sie zu „Gebrauchshunden“ ausgebildet werden, geben sie Strafgefangenen einen Lebensinhalt und sozialisieren sie gleichzeitig.
Der amerikanische Kinderpsychologe Boris Lewinson begründete in den 60er Jahren die sogenannte „tiergestützte Therapie“, heute Usus in Europa. Sein Golden Retriever Jingles hatte es geschafft, dass ein achtjähriger Autist wieder spricht.
Der erste, der mit einem Hund als Assistenten arbeitete, war jedoch Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse. Sein Chow Chow Jofi öffnete für ihn den Seelenkäfig einer extrem verschlossenen Patientin. Eine zufällige Begegnung mit ihr hatte Freud Jofis Gabe offenbart.
Wer einen Hund zum Freund hat, ist nie mehr allein, nie mehr einsam.
Auch bei Burnout-Gefahr, der tückischen Krankheit des „Zu schnell zu viel und des „Nie schnell und nie viel genug“ gelten Hunde inzwischen als hervorragende Therapeuten. Sie reduzieren Stress, wirken angenehm auf die Atmosphäre in Unternehmen ein und schaffen überdies ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl unter Mitarbeitern. 20 Millionen Deutsche erkranken jährlich an Mobbing und Burnout, der Pest unserer Tage.
Hunde sind also nicht nur Fluchtburg der größten Seelenbewegung des neuen Jahrtausends geworden, sondern auch unverzichtbare Stütze von Medizin und Sozialgesellschaft.
Tiere empfinden seit Anbeginn, was und wie wir empfinden. Freude, Schmerz, Lust, Leid, Sehnsucht. Sie lieben ihre Kinder wie wir und sie trauern wie wir. Sie haben eine eigene Kultur und ein Bewusstsein nicht nur für ihr Ich sondern auch für den eigenen Tod. Das hat der international führende Bewusstseins-Forscher Christof Koch als Ergebnis neuester Tierexperimente bestätigt. Ein Poet würde sagen: Kommen die Sinne zusammen, erscheint die Seele.
Wer einen Hund zum Freund hat, ist nie mehr allein, nie mehr einsam.
Elmar Schnitzer ist Autor der Bestseller „Kalle für alle“ und „Ein Glücksfall namens Paul“
Autor: Elmar Schnitzer, Mitarbeit: Louisa Heyder