ERNÄHRUNG
Unser täglich Brot …
Weltweit bekannt
Beim Brot geht’s in Deutschland um die Wurst. Jeder kauft es, jeder isst es, jeder mag dieses, jenes aber auf keinen Fall. Und wenn der Deutsche im Ausland ist, dann geht ab Tag sieben die Klage los: Kein anständiges Brot! Selbst viele Zugewanderte beißen nach anfänglichem Kulturschock mit wachsender Begeisterung ins Roggenbrot.
Tatsächlich steht die deutsche Brotkultur seit 2014 neben den Pyramiden von Gizeh, der Chinesischen Mauer oder der Hagia Sophia auf der Liste der UNESCO. Dabei dürfte niemand auch nur annähernd wissen, wie viele Brotsorten in Deutschland gebacken werden. Jahrelang ging man von ca. 300 aus – heute sind es laut Branchenkennern eher um die 3.200. Weltrekord. Unangefochten.
Experten sehen drei Gründe für die deutsche Vielfalt. Erstens: Unterschiedliche Böden und klimatische Bedingungen haben unterschiedliche Getreide hervorgebracht. Während im Süden eher Weizen dominiert, sind es im Norden Roggen und auf der Schwäbischen Alb Dinkel.
Der Konsum in Deutschland ist bei aller Abwechslung übrigens vergleichsweise moderat: Während der Deutsche pro Jahr etwa 86 Kilogramm Brot verspeist, essen Polen und Russen um die 100 Kilo, Ägypter sogar bis zu 180 Kilogramm.
Drittens: Der Bäcker als Lehrberuf. Das mag für manchen neu sein, aber tatsächlich: In vielen Ländern wird man Bäcker nicht durch eine Lehre, sondern durch den Entschluss ab sofort Brot zu backen.
Die Tradition im Rücken kauft der Deutsche sein Brot ausschließlich bei handwerklich arbeitenden Bäckereien, die auf jegliche Zusatzstoffe verzichten und sich allein der Qualität verpflichtet sehen. Anders als Fleisch oder Wein darf Brot in Deutschland einen substantiellen Preis kosten. Der Verbraucher wird hier zum Genießer, der Güte erkennt …
UNESCO-Liste und Bekenntnissen zum Trotz ist auch der Brotmarkt aufgeteilt zwischen einem großen Heer, für das es gar nicht billig und minderwertig genug sein kann, und einer kleinen Schicht von Käufern, die tatsächlich Qualität wünschen.
Der Verzicht auf industrielle Hilfe hat auch einen wirtschaftlichen Grund: Backmischungen sind teuer. Eine mittelständige Bäckerei außerhalb der großen Ketten, kann sich ein Vollsortiment aus der Tüte kaum leisten. Der „neue“ alte Bäcker muss also täglich abwägen: großes Sortiment versus altes Handwerk. Wie viel Purismus akzeptiert der Kunde, ab wann rennt er zum Brotkauf in den Supermarkt?
Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de