JAHRESZEITEN
Wann wird’s mal wieder richtig Winter?
Schnee und Eis satt waren in den letzten Jahren Mangelware
„Dann sollen sie meine Asche auf den Bürgersteig streuen“, fuhr Bohlen fort. „Wenn eine Oma dadurch vor dem Ausrutschen bewahrt wird, habe ich zumindest noch ein gutes Werk getan.“
Wir sehen, die Sehnsucht nach einem Bilderbuchwinter ist keine Selbstverständlichkeit; einige beurteilen die Sache rein praktisch. Bohlens Spruch ist aber nur deshalb so witzig, weil große Teile der Deutschen den Winter völlig anders betrachten: Als natürlichen Erlebnispark voll weißer Schönheit. Die Kombination „Winter“ und „Schnee“ ist uns so natürlich wie „HSH Nordbank“ und „Skandal“. Dabei sind regelrechte Schneedecken in unseren Breiten ein seltenes Phänomen. Die Fotos auf diesen Seiten illustrieren das: Wer fotografiert schon Alltägliches, das mit dem Rhythmus der Jahreszeiten unweigerlich kommt? Eben. Fällt nachts Schnee, dann wollen die Kinder ab 6 Uhr morgens raus und beim ersten Kratzgeräusch sausen die Rolläden nach oben.
Beispiel Kreeks. Ein Trauerthema in Blankenese, weil die besonderen Schlitten mangels Eisdecke kaum noch aus der Garage kommen. Glaubt man den Älteren, dann war das früher anders.
Es gibt übrigens noch ein untrügliches Indiz für einen eher erratischen Hamburger Winter: Die Winterkleidung der Hamburger. Während andernorts die Witterung über Wochen eine Art Pflichtgarderobe diktiert (Mütze, Schal, Handschuhe, Mantel, Stiefel) herrscht an der Elbe sartoriales Chaos. Der Hanseat neigt zu permanenter Übertreibung. Steigt das Thermometer über zehn Grad, ist Sommermode zu bestaunen, sinkt sie unter fünf Grad, sehen wir Moonboots und arktis-taugliche Funktionsjacken. Gibt es dann wirklich einen kalten Winter, verzeichnet der Textilhandel ganze Stampeden frierender Kunden. Dann außergewöhnliche …? Na? Richtig: Ausnahmeerscheinung.
Lektüretipp: „Auswirkungen des Klimawandels auf Deutschland“, zu beziehen über www.germanwatch.org.
Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de