URLAUB
Zuhause ist auch sehr schön
Türkei ist out, Nord- und Ostsee sind voll, Hawaii ist zu weit
Wir beginnen also mit dem Wetter und lehnen uns hierzu ordentlich aus dem Fenster: Die Wetterlage in Hamburg und überhaupt Norddeutschland ist in der warmen Jahreshälfte eine der angenehmsten, die sich auf diesem Planeten finden lässt (wahrscheinlich im gesamten Sonnensystem). Die Mär des geradezu lächerlich schlechten Hamburger Sommers ist haltlos und letztlich auf eine fehlerhafte Konditionierung zurückzuführen. Die Idealvorstellung vieler ist eine schier endlose Periode furztrockener Hitze, illuminiert von einer senkrecht stehenden Sonne. Landstriche, die solche Sommer erleben, ächzen. Das Thema auf der iberischen Halbinsel sind nicht die neuen Bademoden, sondern Waldbrände, Kreislaufkollaps, Sonnenbrand und die verdammte Siesta, die den Arbeitstag bis in die Nachtstunden verlängert.
Grün und sanft, wie ein tropischer Dschungel, aber ohne Giftspinne und Hodenfäule
Die fehlerhafte Konditionierung lässt sich besonders schön an der angeblich richtigen Sommerkleidung festmachen. Während unsere Großväter nichts dabei fanden, im Dreiteiler den Strand zu besuchen, ist jede Textilschicht über T-Shirt und Shorts heute ein großes Drama, das für Boulevard-Überschriften in 48 Punkt Schriftgröße sorgt.
Schlechtwettereinbrüche sind auf den ersten Blick bedauerlich, aber völlig normal. Sie sorgen – das wird selten gesehen – im hohen Norden für südländisches Temperament. Es ist immer wieder ein Erlebnis, welchen Sinneswandel der Hamburger durchmacht, sobald die Sonne den Nachmittag versüßt. Eine solche Ansammlung an Frohsinn und Liebenswürdigkeit wäre nicht denkbar, ohne den Kontrast des Muffelns im Nieselregen. Zu einem perfekten Urlaubsziel gehören aber nicht nur die Elegien der Lokalpresse, sondern auch harte touristische Fakten: Betrachten wir das Gebiet zwischen Wedel und Bahrenfeld mit sachlicher Offenheit, dann sehen wir einen Landstrich, wie geplant von Gartenarchitekten und einem äußerst rührigen Fremdenverkehrsamt.
Baden in der Elbe ist keine gute Idee. Containerfrachter sind keine Gummienten …
Eins geht allerdings nicht: In letzter Zeit sieht man immer wieder Badegäste im Elbstrom und es wird allerlei kolportiert über bessere Wasserqualität.
Egal, ob Sie Einheimischer sind oder Gast: Baden in der Elbe ist keine gute Idee. Laut Umweltbehörde steht der Strom in Verbindung mit dem Hamburger Sielnetz. Wenn die Siele voll sind, öffnen sich Ventile und Abwasser fließt in die Elbe. Außerdem: Containerfrachter sind keine Gummienten und die Strömung überfordert auch geübte Schwimmer. Wer partout irgendwo reinspringen muss, findet im Osten Hamburgs lauschige, gut temperierte Badeseen.
Ein weiteres Indiz, nach dem die Einheimischen die touristischen Qualitäten ihrer Heimat aus dem Blick verloren haben, ist auch das Fehlen von Strandkörben. Die würden sich auf der Höhe Blankenese und Wittenbergen hervorragend machen und tatsächlich gab es sie bis 1991 in der Kajüte SB12 zu mieten.
Das mag vielen nicht gefallen, letztlich führt es aber zur Nachfrage nach all den Urlaubsingredienzen, die verschütt geraten sind, wie eben die Strandkörbe. Da tut sich was.
Nach dieser letzten Zeile darf ich Ihnen einen schönen Resturlaub wünschen.
Leserbriefe zum Thema haben Zeit, ich verreise nämlich morgen und sitze erst ab Mitte September wieder am Schreibtisch.
Wohin? Verrate ich nicht. Nur so viel: Miese Klima-Bilanz.
Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de