INTERVIEW DES MONATS
„Selbstbewusstsein und Respekt“
Sagen Sie mal …
… Konteradmiral Carsten Stawitzki, Kommandeur FüAkBw
Äußere und innere Sicherheit, innere Führung, Wehrpflicht und die Rolle der Führungsakademie waren die Themen eines Gesprächs mit Konteradmiral Carsten Stawitzki.
In der Tat. Ich bevorzuge aber das Wort Mut. Dieses Wort kommt vor allem in Demut vor. Das beschreibt mein Gefühl, als ich hier anfing. Ich habe aber auch genug Selbstbewusstsein, natürlich zusammen mit einer Menge Respekt.
Hamburg kannten Sie schon vorher …
Ja, ich habe zwischen 1986 und 1990 an der Helmut-Schmidt-Universität Elektrotechnik studiert. Ich bin insofern Wahlhamburger und lebe hier seit 1998. Jedoch muss ich eingestehen, ich wohne nicht in Blankenese, sondern in der Innenstadt, zentral am Dammtorbahnhof.
Da wohne ich auch, das ist keine Schande. Hier an der FüAk sind Sie Nachfolger von Generalmajor Achim Lidsba, der in den Ruhestand versetzt wurde. Können Sie über die Hintergründe sprechen?
Nein.
Was war die Anforderung von Verteidigungsministerin von der Leyen an Sie als neuer Kommandeur?
Die Bundesministerin der Verteidigung hat mich beauftragt, die Ausbildung zu überprüfen, um auch künftig auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Außerdem will sie, dass wir künftig breit vernetzt sind und die Akademie als Denkfabrik arbeitet.
Ursula von der Leyen forderte da unter anderem eine neue Innere Führung sowie eine stärkere Zusammenarbeit der Führungsakademie mit der übrigen Bundeswehr.
Die Innere Führung beschreibt unser Selbstverständnis als Staatsbürger in Uniform. Wir sind eine Parlamentsarmee, die dem Primat der Politik folgt und vom Parlament mit der Waffe weltweit in Einsätze geschickt wird. Wir wollen gemeinsam mit dem Zentrum Innere Führung sowie dem Bildungszentrum der Bundeswehr noch besser werden, das ist genau diese Kooperation, die Sie angesprochen haben.
„Eine derartige Bedrohung kann ich derzeit nicht erkennen …’“
Stichwort Werte. Ein Thema, das derzeit die ganze Republik beschäftigt ist Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Ihr Kommentar zu Franco A.?
Unterirdisch! Wir sind aufgrund der Präambel unseres Grundgesetzes eingesetzt, um dem Frieden und der Welt in einem geeinten Europa zu dienen und die Menschenwürde zu schützen. Für Extremisten ist hier kein Platz!
Sehen Sie Rechtsextreme in der Bundeswehr eher als Einzelfall oder gibt es ein strukturelles Problem?
Aufklärung braucht Zeit. Nicht jedes Detail, das jetzt hochkommt, sollte gleich sofort kommentiert werden. Für eine abschließende Bewertung liegt noch gar nicht alles auf dem Tisch.
Es gab aber bereits zahlreiche Vorwürfe an hohe Militärs, sie würden zu dem Thema nicht ausreichend Stellung beziehen.
Wie gesagt, Aufklärung braucht Zeit. Die Art, wie die Diskussion zurzeit geführt wird, betrachte ich mit Sorge, weil sie uns so nicht gut tut. Wir sollten miteinander und nicht übereinander reden und die Fakten von Emotionen trennen.
Kritiker führen als einen Grund für derartige Affären die Abschaffung der Wehrpflicht an. Brauchen wir die vielleicht wieder?
Die Wehrpflicht ist ein Instrument, das sich die Politik offen gehalten hat. Gerade die Sicherheit und Außenpolitik lebt von Handlungsspielraum und Optionen.
Zu der Sie als Militär doch sicherlich auch eine fachliche Meinung haben …
Die Wehrpflicht resultiert aus einer existenziellen Bedrohung des preußischen Staats 1806. Faktisch gesehen hatte er aufgehörtzu existieren. Daran knüpfte Roman Herzog als Bundespräsident an. Er sagte, die Wehrpflicht ist ein derartig massiver Eingriff in die Grundrechte eines Menschen, dass sie nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Staat existenziell bedroht ist. Eine derartige Bedrohung kann ich derzeit nicht erkennen.
Aber könnte eine Wehrpflichtarmee nicht für eine größere Durchmischung des Personals sorgen, was soziale Schichten angeht?
Das ist in meinen Augen ein etwas verklärter Rückblick auf die Wehrpflicht, die wir zum Schluss hatten. Da haben wir 30.000 Wehrpflichtige pro Jahr eingezogen. Bei Geburtsjahrgängen von damals ungefähr 400.000 jungen Männern.
Keine Wehrgerechtigkeit …
Das will ich hier gar nicht bewerten. Ich will aber deutlich machen, dass die Wehrpflicht schon damals keinen Querschnitt der Gesellschaft abgebildet hat. Diejenigen, die damals nicht zur Bundeswehr wollten, hatten genügend Instrumente, um sich ihr zu entziehen.
Das ist grundsätzlich ein Teil des strategischen Risikos, das man nicht leugnen kann. Aber solange wir uns gegenseitig ausbilden, tragen wir dazu bei, uns gegenseitig zu verstehen. Teilnehmer des internationalen Generalstabslehrgangs lernen auch die Werte kennen, die unsere Gesellschaft ausmachen.
Also sehen Sie in solchen Kursen auch ein bisschen Diplomatie?
Nicht nur ein bisschen. Wir sind damit ein klassisches Werkzeug der Außen- und Sicherheitspolitik.
Aber wo ist die Grenze? Nehmen wir den Fall Russland.
Wir haben momentan keine russischen Lehrgangsteilnehmer. Das hat Berlin so entschieden. Das ist an der Stelle natürlich auch ein Signal.
Und im Fall der Türkei? Immerhin ein Teil der NATO …
Genau, und deshalb bilden wir türkische Offiziere aus und kooperieren eng mit ihnen.
Die Ministerin hat in den letzten Monaten die großen Trendwenden bei Personal, Material und auch beim Haushalt eingeleitet. Es herrscht momentan ja auch ein großer Konsens in der Gesellschaft beim Thema Sicherheit. Die wird heute anders definiert. Die Grenzen zerfließen. Auch die Cyber-Attacke Mitte Mai ist ein ganz prägnantes Beispiel dafür, mit welchen Herausforderungen wir uns auseinandersetzen müssen. Deshalb ist es auch Teil unserer Ausbildung.
Kommen wir zu einem weiteren Thema der letzten Wochen: Die Türkei verweigerte Bundestagsabgeordneten vorübergehend den Besuch von Luftwaffensoldaten in Incirlik. Braucht Deutschland in Zukunft einen Flugzeugträger nach US-Vorbild?
Zurzeit nehme ich ja keine Aufgabe innerhalb der Marine wahr, deswegen stehen andere Fragen für mich im Vordergrund. Ich denke jedoch, dass wir keinen brauchen.
Jedenfalls keinen deutschen, weil wir sehr gut mit anderen Streitkräften kooperieren. Gut vorstellen kann ich mir, dass wir uns in Europa noch mehr verzahnen. Das setzt allerdings eines voraus: den Willen der Politik, diese Fähigkeiten dann auch gemeinsam einzusetzen. Und warum interessiert mich diese Fragestellung? Weil wir an der Akademie mit unseren Führungskräften einen kritischen Diskurs pflegen – in der Ausbildung und als Denkfabrik!
Herr Stawitzki, vielen Dank für das Gespräch.