4. Mai 2015
Magazin

Thema: Der Coach und das/dass

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TIMS THESEN 

Thema: Der Coach und das/dass

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse 
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse 
Möchten Sie wissen, was ein Mindfulness Life Coach ist? Der sagt Ihnen, dass Sie die Augen aufmachen sollten, wenn Sie einen Ausweg suchen. Klingt besser als Oma, die aber auch nicht unrecht hatte mit ihrem „Junge, steck’ den Kopf nicht in den Sand“. Allerdings wollte Oma für den Tipp kein dreistelliges Honorar.

Nach meiner Beobachtung hat die Zahl der Coaches die der Omas längst übertroffen. Life Coach, Business Coach, Work-Life-Balance-Coach, Kosmos Coaching (kein Witz, es geht um Astrologie und Spiritualität), Nutrition Coach (Ernährung), Agora Coach (Selbsthilfe für, nun, alles), Bodycoach, Laufcoach … Eine stichprobenartige Recherche in den Lebensläufen und Tätigkeitsbeschreibungen Hamburger Coaches ergibt einen wüsten Mix aus Experten, Scharlatanen und geistig Herausgeforderten. Wikipedia liefert die dazu passende Fußnote: „Eine Recherche der wichtigsten Datenbanken (PubMed, ScienceDirect, INGENTA, EBSCO, Perinorm) im Januar 2012 ergab, dass es bisher keine seriösen, wissenschaftlich belastbaren Belege für die Wirksamkeit einzelner Coaching-Konzepte oder des Coaching insgesamt gibt, die über traditionelle Trainings- und Beratungsmaßnahmen hinausgehen.“ Das könnte ein rufschädigendes Verdikt sein, erstaun – licherweise aber hat der Coach keine so verheerende Reputation wie der Immobilienmakler oder der Ver – sicherungsvertreter. Das könnte daran liegen, dass niemand etwas einzuwenden hat gegen warme Luft. Könnten Sie sauer sein auf jemanden, der ein bisschen neben Ihnen herläuft und dabei erzählt, Sie sollten nicht so viel rauchen, oder Ihnen erklärt, dass Sie selbst Herr Ihres Schicksals sind? Es ist aber auch schwer auf die Floristin sauer zu sein und trotzdem gibt es keine Heerscharen von Floristen.

Meine These also für die Ausbreitung des Coaches: Er hat es herrlich einfach. Es gibt weder eine geregelte Ausbildung noch einen gesetzlichen Schutz der Bezeichnung. Wenn Ihr Friseur morgen keine Lust mehr hat, kann er zum Online Style Coach werden und erzählt den Leuten dann via Webcam, wo kurz und wo lang und das für 49,90 Euro pro Sitzung. Jede Wette, dass Sie und ich uns das Wissen eines Laufcoaches während eines Wochenendes anlesen könnten. Derartig offene Tore locken natürlich nicht gerade die hellsten Kerzen auf die Torte. Ich kenne hochbezahlte Coaches, die einen roten Kopf bekommen, wenn die Frage lautet: das oder dass? Nach meiner Beobachtung ist der typische Coach aber durchaus Akademiker. Er hat einen Bachelor in einer Disziplin, die bei Studenten als „Laberfach“ beliebt ist, wenig bis keine Berufserfahrung, ein Einstecktuch zur Jeans und WordPress als Content Management System. Er könnte Hochzeits – redner werden, aber da wollen die Auftraggeber die Texte häufig vorher lesen, sodass (!) die Dass-Schwäche auffiele.

Hierzu erreichte mich übrigens ein Vorschlag zur Güte, von einem Coach aus Berlin: „Ditte!“

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