2. November 2015
Magazin

THEMA: Gender Mainstream beim Friseur

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TIMS THESEN 

THEMA: Gender Mainstream beim Friseur

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse 
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse 
Letztens gammelte ich vor dem TV herum; es lief die „Heute Show“. Moderator Oliver Welke präsentierte Flüchtlingen deutsche Besonderheiten. Er wies etwa darauf hin, dass Deutsche ab einem gewissen Alter schwer auseinanderzuhalten seien. Eingeblendet wurde dann ein Pärchen um die 50, beide mit der gleichen Funktionsjacke, „Tourenrädern“ und diesem Wohlstandslächeln, das wir von DB-Plakaten kennen. Laut Welke unterscheiden sich Männer und Frauen dieser Altersgruppe nur noch daran, dass er vorne dick ist und sie hinten. Ich brach in schadenfrohes Gackern aus. Tiefschlag, aber treffend! Es sind ja nicht nur die Jacken; es geht bis zu den Haarspitzen. Besuchen langgediente Pärchen den Friseur Hand in Hand oder wie kommen diese Unisex-Fassonschnitte zustande? Auffällig ist auch das Bemühen solcher Paare, die Physiognomie dem Partner anzunähern. Frauen verzichten auf jegliche Kosmetik, Männer rasieren sich schlampig, sodass die Gesichtsbehaarung ausgeglichen ist. Wenn sich ein derartiges Pärchen entschließt, neben den Rädern auch noch Skistöcke mit in die Toskana zu nehmen und dort durch die Weinberge stakst, dann bleibt das mit Sicherheit nicht ohne Folgen.

Ich halte es für plausibel, dass die Wissenschaft des Gender Mainstreamings, nach der unser Geschlecht sozial konstruiert ist, wesentlich von alten deutschen Paaren mit Skistöcken und Windjacken inspiriert wurde. Eine Frage muss nun erlaubt sein: Was soll das alles? Warum lassen verschiedene Geschlechter ihre jeweilige Attraktivität fahren und verwandeln sich in Gender- Knetmännchen mit Tatzen-Logo auf der Schulter? Denkbar wäre eine Enteierung des Mannes, schleichend, über Jahrzehnte. Erst wird morgens der Anzug rausgelegt, dann bekommt er nur noch Taschengeld, rennt jährlich auf ihren Befehl zum Prostata-Klempner und wenn er schließlich fragt: „Mutti, wo ist meine Windjacke?“, dann ist der Prozess abgeschlossen. Aus weiblicher Sicht könnte nachlassende Attraktivität Schuld sein. Wir kennen das alle. Irgendetwas hat einen leichten Defekt, funktioniert noch leidlich, wir schmeißen es aber dennoch auf den Müll, einfach weil wir sauer sind, dass es nicht mehr so schön war wie am Anfang. Das wäre eine freiwillige Kapitulation, eine Absage an die Welt der sozialen Zwänge und der Ästhetik. Eine deprimierende Angelegenheit – wäre man allein! Ein Blick auf die andere Bettseite zeigt dann aber, dass das Leiden gleichmäßig verteilt ist und so lässt es sich befriedigt weiterschlafen. (In der Psychologie heißt der hier geschilderte Paartyp übrigens „geschlossenes System“, was für meine Ohren nicht uneingeschränkt positiv klingt.)

Meine These, warum sich deutsche Männer und Frauen mit den Jahren optisch gleichschalten, ist jedoch eine andere. Die These ist präzise, kurz und landestypisch: Es ist so praktisch!

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