MOBILITÄT
… und tschüss!
Die Tankstellen in den Elbvororten verschwinden. Was bleibt, was kommt?
Gründe hierfür sind neue Geschäftsmodelle jenseits der Zapfsäule, Konzentration und letztlich auch die Energiewende.
Eine schöne Zeit geht zu Ende“, sagt Monika Jäger. Der Satz klingt wie eine Liedzeile aus „Die Drei von der Tankstelle“, bezeichnet aber keine verstaubte Universum Film-Komödie, sondern die Realität heute: Am 28. März endet der Betrieb der Esso-Tankstelle an der Elbchaussee in Blankenese. Sie folgt dem Schicksal der einst gegenüberliegenden Aral-Tankstelle (2009 abgerissen).
Laut Aussage der Pächterin Jäger hat Esso das Grundstück verkauft. Geplant sei der Bau von Wohnungen auf dem weitläufigen Gelände.
Das Tankstellensterben in Blankenese (neben Aral und Esso gab es in grauer Vorzeit eine weitere Tankstelle vis-à-vis der Esso, heute Weinhandel Ravenborg) ist kein lokales Phänomen, sondern betrifft ganz Deutschland.
Die Branchenstudie „Tankstellenmarkt Deutschland 2016“ zählte zum 1. Januar 2017 14.510 Tankstellen. 1970 waren es noch ca. 46.000.
Auf den ersten Blick wirkt dieser Rückgang paradox, hat sich der Verkehr seit den 70er Jahren doch mehr als verdreifacht (basierend auf der Zahl der angemeldeten Autos). Demnach hätte sich die Zahl der „Tanken“ eher erhöhen müssen.
(Die Entwicklung zu verbrauchsarme Autos ist heutzutage allerdings keine selbstverständliche Entwicklung. In den USA etwa betrug die durchschnittliche Spritersparnis pro Auto zwischen 1973 und 1991 ca. elf Liter. Zwischen 1991 und 2015 konnte nur noch ein einziger Liter eingespart werden. Der Grund hierfür sind schwerere Fahrzeuge. Dieser Trend wird sich dank SUV-Wahns auch in Hamburg in künftigen Statistiken niederschlagen.)
Heute ist Konzentration zu beobachten. Laut der eingangs erwähnten Branchenstudie schließen Aral, Esso u. a. systematisch kleinere, umsatzschwache Tankstellen und investieren in Großtankstellen an entsprechend breiten Straßen.
Aber ist die Blankeneser Esso-Tankstelle wirklich umsatzschwach? An den Zapfsäulen herrscht seit eh und je Betrieb. Benzin und Diesel rauschen durch die Schläuche – und erzeugen Margen nahe der Nachweisgrenze …
Pro Liter Benzin verdienen Tankstellenbetreiber ca. 1,5 Cent. Eine Tankfüllung bringt also rund einen Euro. Bei Diesel sieht es noch düsterer aus. Laut der britschen Beratungsgesellschaft Wood Mackenzie betrug die Marge 2016 eine „schwarze Null“.
Betrachtet man nun erneut den Strukturwandel, dann fallen „Zwerge“ wie die Orlen Tankstelle nicht ins Gewicht. Augenfälliger wird der Wandel bei den „neuen“ Tankstellen an größeren Straßen.
An der Stresemannstraße steht mittlerweile ein veritabler Aral-Supermarkt mit ein paar Zapfsäulen davor. Erhältlich ist hier ein verkleinertes Rewe-Sortiment („REWE To Go“) – außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten, zu Prohibitionspreisen. Vergleicht man das Angebot an der Stresemannstraße mit der kleinen Esso-Tankstelle in Blankenese, dann wird das Problem deutlich: Wenn der Gewinn vermehrt aus dem Shop kommt, dann braucht es auch einen Shop, der diesen Namen verdient. Die „Ladenfläche“ der Esso Tankstelle Blankenese umfasst wenige Quadratmeter.
Nüchterne Abwägungen sind allerdings etwas, mit dem man Pächterin Jäger jetzt nicht kommen sollte. Gefragt nach ihren Plänen für die Zukunft wird die joviale 54-Jährige deutlich: „Ich bin bei Esso seit meinem 19. Lebensjahr. Insgesamt 35 Jahre. Woher soll ich wissen, was als nächstes kommt?“
Zusätzlichen Druck erleben Tankstellen durch derzeit eingetrübte Zukunftsaussichten. Stichwort Energiewende, Stichwort Fahrverbot in Großstädten.
Und es kommt noch schlimmer: Keine Abschiedsparty am 28. März in der Esso-Tankstelle Blankenese.
„Das fehlte noch“, findet Monika Jäger.
Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de