FLÜCHTLINGE
Unter Generalverdacht
Blankenese

Rufen sogenannte Autonome zum „Kettensägenmassaker“, dann ist ihnen Aufmerksamkeit garantiert. Sollen die Sägen in Blankenese angesetzt werden und geht es dabei um ein Flüchtlingsquartier, trotzen Fotografen wie Sympathisanten Stunde um Stunde tapfer der Kälte. Anlass für das Spektakel der rund vier Dutzend per Fahrrad gekommenen Demonstranten war eine Straßenblockade von Anwohnern des Björnsonweges. Die verhinderten so die vorbereitenden Arbeiten für eine Flüchtlingsunterkunft. Die beauftragten Firmen mussten wieder abrücken. Seitdem sorgen sich Blankeneser um den guten Ruf ihres Stadtteils. Denn landesweit wurde der Fall kommentiert und interpretiert.

Dass anderenorts auch, darunter ein linkes Bauwagenprojekt in Berlin, Menschen Flüchtlinge als Nachbarn ablehnen, wird in diesem Fall schlicht vergessen. Es lebe der Holzhammer, das holzschnittartige Bild.
So faseln die zum Kettensägenmassaker angereisten Demonstranten von „Perlenketten“ und „Champagner trinkenden“ Reichen.

Zu den alteingesessenen und sich gern zu Wort meldenden Blankeneserinnen gehört Monika Lühmann. „Blankenese ist bunt und offen.“ Sie ärgere sich sehr über die Vorurteile. Dem langjährigen, ehemaligen Bezirksamtleiter Hans-Peter Strenge ging es ähnlich. Er demonstrierte mit, „damit sich das wahre Blankenese zeigt“. Dem Musiker Rolf Zuckowski ging es vor allem um die „Solidarität“. Blankenese sei „als Ort viel mehr als die Vorurteile der letzten Tage“.
Die Schlagzeilen in der Boulevard-Presse „Schande von Blankenese“ und „Aufstand der Anständigen“ hat mehrere hundert Demonstranten auf die Straße gebracht. Darunter marschierten in der ersten Reihe drei Flüchtlinge mit.

Wie es im Konflikt um das Flüchtlingsquartier am Björnsonweg weitergeht, war bei Redaktionsschluss nicht klar. Das Verwaltungsgericht prüft, ob mit der Baugenehmigung gegen Umweltrecht verstoßen wurde. Nach wie vor stehen die Bäume auf der umstrittenen Fläche.
Denn das angekündigte „Kettensägenmassaker“ zeigte sich eher als Laubsägearbeit.
Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de
Redaktionelle Mitarbeit: Louisa Heyder