EHRENAMT
Wer packt mit an?
Das Ehrenamt

Der Hanseat kümmert sich. Generell. Bürgerliches Engagement wird „groß geschrieben“, die Perle an der Elbe nicht sich selbst überlassen. Wenn andere noch nach der Obrigkeit heulen, packt der Hamburger selbst an.
Ein schönes Bild. Unschön ist nur: Statistisch betrachtet, stimmt es nicht. Laut einer Erhebung des Bundesamtes für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 2010 steht Hamburg beim ehrenamtlichen Engagement auf dem drittletzten Platz aller Bundesländer und Stadtstaaten. Knapp vor Sachsen-Anhalt, knapp vor Berlin, aber weit hinter Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz.
Das Ministerium weist jedoch in einer Fußnote darauf hin, dass die Erhebung grob ausgefallen ist, die Stichproben klein waren, Ausreißer denkbar sind. Eigene Recherchen deuten nun darauf hin, dass einer der Ausreißer auf den Namen „Hamburger Westen“ hört.



Wer im Februar 2016 Hilfseinrichtungen wie den Runden Tisch Blankenese, die Flüchtlings- Initiative „Willkommen in Lurup“ oder die Luthergemeinde in Bahrenfeld kontaktiert, hört keine Klagen über zu wenig helfende Hände. Im Gegenteil. Helga Rodenbeck, Koordinatorin für Flüchtlinge in Blankenese, berichtet zur Lage des Runden Tischs: „Derzeit suchen wir keine weiteren Ehrenamtlichen – wir verfügen bereits über einen Pool von über 200 Helfern.“ 80 Personen sind laut Rodenbeck derzeit in den Flüchtlingsunterkünften Sieversstücken I und II in Sülldorf tätig.
Ähnliches ist aus der Flüchtlingsunterkunft Holmbrook in Othmarschen zu hören. Christiana Kant vom Unterkunfts- und Sozialmanagament F & W (Fördern & Wohnen) schreibt von überdurchschnittlichem Engagement. Derzeit „besteht gerade kein weiterer Bedarf an freiwilligen Helfern, im Gegenteil: Es gibt noch viele, die sich gern engagieren möchten, für deren Angebote aber derzeit (noch) kein Bedarf besteht.“
„Es gibt noch viele, die sich gern engagieren möchten.“
Auch in anderen Standorten der F & W übersteigt die Zahl der ehrenamtlichen Helfer teilweise die der Bewohner. Grundstätzlich sehen die Verantwortlichen dieses Verhältnis positiv, denn es führt zu einer regelrechten „Einzelfallbetreuung“.
Was trotz vieler Ehrenamtlicher aber fehlt, sind Angebote außerhalb der Wohnheime. Nicht zuletzt die Flüchtlinge selbst wünschen sich ein Durchbrechen der Isolation. Gefragt wird vielerorts nach Möglichkeiten die umliegenden Viertel kennen zu lernen und Kontakte zu Deutschen herzustellen. Sinnvoll wären daher mehr Nachbarschaftscafés, Kultur- und Bildungsvereinigungen außerhalb der Wohnheime oder schlicht nachbarschaftliche Einladungen an Flüchtlinge.



Auch Flüchtlingsfamilien benötigen vor allem Hilfe außerhalb der Wohnheime, gerade bei der Eingewöhnung von Kindern im Kindergarten oder in der Schule.
Das bestätigt auch Sabine Tengler von „Willkommen in Lurup“. An Engagement bestehe generell kein Mangel, wohl aber an praktischer Hilfe bei Behörden- und Arztbesuchen.
Wer nun Ehrenamtliche im Einzelnen trifft, auch solche, die sich nicht mit Flüchtlingen beschäfigt, der sieht überwiegend ältere Jahrgänge. Gespräche mit Passanten liefern rasch eine mögliche Erklärung: In jungen Jahren fehlt vielen schlicht die Zeit zum Ehrenamt. Schüler zeigen ihren time table vor, junge, häufig berufstätige Eltern den krähenden Sprössling. Die Luruperin Melanie Steinbeck mutmaßt, ob ein Ehrenamt generell erst nach Eintritt ins Rentenalter möglich sei.
Bundesweit engagieren sich 23 Millionen Deutsche unentgeltlich.
Eine Veränderung zeigt sich hier jedoch durch die Flüchtlingskrise, von der sich auch viele junge Menschen im Hamburger Westen zur Hilfe motivieren lassen.

Die Flüchtlingskrise überdeckt dabei, dass das Engagement breit gefächert ist. Hauptzielgruppe ehrenamtlicher Hilfe in Hamburg sind zum Beispiel Kinder, gefolgt von Senioren und Menschen mit Behinderungen.
Bundesweit engagieren sich 23 Millionen Deutsche unentgeltlich. Jeder von ihnen wendet hierfür durchschnittlich 16 Stunden im Monat auf. Männer sind stärker repräsentiert, was Forscher auf Baby- und Kinderpausen junger Mütter zurückführen.
Im Folgenden finden Sie Adressen von Hilfseinrichtungen im Hamburger Westen, in denen ehrenamtliches Engagement stattfindet. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Hilfe für Flüchtlinge: Kleiderspenden, Unterbringungen, Sprachkurse, Freizeitgestaltung.
www.blankenese.de/kontakt-433.html
Willkommen in Lurup
Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt auf
http://willkommen.unser-lurup.de/
Luthergemeinde Bahrenfeld
Koordination ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe.
Die Holmbrooker
Arbeitsgruppen mit Flüchtlingen in der Flüchtlingsunterkunft und in der
Überregionale Institutionen und Initiativen im Internet:
www.freiwilligen-zentrum-hamburg.de
www.ff-wedel.freiwilligenforum.de
Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de
