SCHULE
„Wie schreibt man noch …?“
Jubiläum bei der Rechtschreibung
Generationen von Schülern dürften diesen Satz von ihrer Grundschullehrerin diverse Male gehört haben: „Trenne nie st, denn es tut ihm weh.“ Bei vielen Zeitgenossen hat die, selbstverständlich in früheren Zeiten, falsche Anwendung der Rechtschreibregel eventuell auch zu einer schlechteren Zensur im Schulaufsatz oder Diktat geführt. Der Rotstift wurde erbarmungslos angesetzt. „S und T“ waren so miteinander verschmolzen, dass man als Schüler regelrecht den Schmerz spüren musste, der passiert, wenn dieses perfekte Paar mit Brutalität auseinandergerissen wird.
Die Verzweiflung, beispielsweise einer Grundschullehrerin Mitte der 1980er Jahre, wenn bei einem Schulaufsatz „Wir haben am Wochenende Spagetti mit Tunfischsoße gegessen“ gestanden hätte, kann man nur erahnen. Bei dem Thema mein schönstes Wochenenderlebnis wäre bei dem Satz „Die Schifffahrt auf der Elbe war zwar schön, allerdings habe ich mein Portmonee verloren und es in einer Nussschale wieder gefunden“ spätestens ein Brief im Schulranzen für die Eltern mit den Worten „Kommen Sie bitte demnächst in meine Sprechstunde, die Orthographie ihrer Tochter läßt sehr zu wünschen übrig“, gelandet. Eventuell wäre noch die Bemerkung gefallen, es würde sehr von Vorteil sein, wenn besagte Schülerin einmal ein Buch oder eine Tageszeitung lesen würde, um so ein „Gefühl für Sprache“ zu entwickeln.
Vor diesem Hintergrund dürfte für manchen Pädagogen mit Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung mit Sicherheit eine Welt zusammengebrochen sein. Der Satz: „Trenne ruhig st, denn es tut ihm gar nicht weh“, hat sich nach eingehender Recherche für diesen Artikel in Grundschulen nicht durchgesetzt.
„Trenne ruhig st, denn es tut ihm gar nicht weh…“
An der Frage, ob die neue deutsche Rechtschreibung, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert, Erleichterungen für Schüler und die Bevölkerung unseres Landes gebracht hat, scheiden sich nach wie vor die Geister. Allerdings scheint es mitunter, dass manch ein Befürworter, Namen werden an dieser Stelle bewusst nicht genannt, nicht mehr hundertprozentig von dem Sinn der Reform überzeugt ist. Kritiker haben es da definitiv leichter, denn sie waren ja von Anfang an dagegen und müssen ihre Meinung nicht ändern. Egal ob Befürworter oder Kritiker, eines setzt sich, zumindest in den Weiten des Internets immer mehr durch: Für einige Zeitgenossen gibt es gar keine Rechtschreibregeln mehr, weder alte noch neue. Darf diversen Umfragen geglaubt werden, denkt manch einer, die neue deutsche Rechtschreibung bedeute, es sei alles erlaubt. Diese Tatsache dürfte sowohl Befürwortern als auch Gegnern der Reform einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. Interessante Einblicke zum Thema „ich schreibe, wie es mir gefällt“ bieten unter anderem diverse Bewertungsportale im Internet. Dort finden sich dann so „wunderbare“ Sätze wie „Das Mehr war schön der Kelner unvreundlich und die Wuhrst jeden Tagg gleich“. Lehrer sollten ihre Schüler dringend darauf hinweisen, vor der nächsten Deutschklausur keinesfalls im Internet nach einem Schnäppchen für den nächsten Familienurlaub zu suchen. Die Eltern sparen dann zwar eventuell am Preis für die schönsten Wochen des Jahres, der Lehrer allerdings mit der Vergabe einer guten Zensur für Schüler beziehungsweise Schülerin. Eines ist trotz Rechtschreibreform zumindest in der schönsten Stadt der Welt gleich geblieben: „In Hamburg sagt man Tschüs“- ganz egal, wie man „Tschüs“ nun schreibt.
Autorin: cornelia.hoesch(at)kloenschnack.de