1. Juli 2015
Magazin

„Wir haben alle einen an der Waffel“  

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INTERVIEW DES MONATS  

„Wir haben alle einen an der Waffel“  

Sagen Sie mal …   
… Evelyn Subbert, Wirtin im Lokal „Seeteufel“ 

Wirtinnen haben einen ganz besonderen Blick auf Menschen. Was Evelyn Subbert in vielen Jahren Gastronomie erlebte, erzählte sie dem KLÖNSCHNACK in einem ausführlichen Gespräch. 

„Inzwischen kommen viele Kinder meiner alten Stammgäste zu mir.“
„Inzwischen kommen viele Kinder meiner alten Stammgäste zu mir.“
Frau Subbert, wie waren Ihre ersten Erlebnisse, als Sie den „Seeteufel“ vor über 25 Jahren übernahmen?
Bevor ich den „Seeteufel“ von Siggi Schindler übernahm, habe ich in der Altenpflege gearbeitet. Zunächst sollte ich in der Kneipe alles nach Schindlers Vorstellungen machen. Doch das habe ich nicht lange durchgehalten. So habe ich den Vorbesitzer ausgezahlt, so nach und nach meinen eigenen Stil entwickelt.

Wer waren damals die Gäste?
Gleich morgens um 9 Uhr kamen die Studenten aus der Seefahrtsschule und wollten ihren ersten Kaffee trinken. Damals wohnte ich noch in Barmbek, musste also früh raus.

Welche Erfahrungen aus der Gastronomie haben Sie damals mitgebracht?
Ich hatte bei der HO (Handelsorganisation der DDR red.) gearbeitet. Hier in Hamburg hab ich später im „Caesar’s Palace“ an der Bar gearbeitet, um mein Kind durchzubringen. In der DDR habe ich in Sassnitz auf Rügen im „Café Stubnitz“ gearbeitet und in Bergen die Abendschule zur Gaststätten-Leitung besucht.

Eine echte Abendkneipe war der „Seeteufel“ damals noch nicht?
Es kamen tagsüber viele Seefahrtsschüler. Allerdings wurden es im Laufe der Jahre immer weniger und das Publikum veränderte sich. In der Anfangszeit kamen auch ein paar Gäste aus der Nachbarschaft.

Das maritime Interieur gab es damals also auch noch nicht?
Das sah damals innen ganz furchtbar aus. Kahle Wände, nicht mal ein Bullauge gab es. Den Seeteufel zu dem zu machen, was er heute ist, das war Schwerstarbeit.

„Kahle Wände, nicht mal ein Bullauge gab es.“

Woher stammen die vielen Dinge, die an vergangene Zeit an Bord erinnern?
Vieles haben Gäste mitgebracht. Anderes stammt aus ganz unterschiedlichen Quellen. Es ist erstaunlich, dass immer noch was in den kleinen Raum reinpasst. Zu den schönsten Teilen, die ich bekommen habe, gehört ein Kompass, der gleich vorn am Fenster steht.

Wofür interessieren sich neue Gäste am meisten?
Viele kommen aus dem Staunen nicht heraus, wenn sie die alten Bilder, Karten und Geräte sehen. Ganz wunderbar finde ich selbst mein Schiffsdeck, für das ich lange gespart habe. Das alte, aus Plaste und Elaste von meinem Vorgänger haben wir rausgeworfen.

Sie haben viele Stammgäste, die seit über 20 Jahren immer wieder im „Seeteufel“
einkehren.

Inzwischen kommen auch die Kinder vieler dieser Stammgäste zu mir und ich habe mich mit ihnen angefreundet. Das hält auch mich jung. Ich kümmere mich schon um die Anfütterung der ganz Kleinen. Ich wollte mit dem „Seeteufel“ schon immer mehr Bar als Kneipe sein. Das ist mir inzwischen ganz gut gelungen.

Im Seeteufel sitzt der Reeder neben dem Schlepperkapitän, der Kriminalkommissar neben dem Handwerker. Was macht die Faszination ihrer Bar aus?
In der Nähe gibt es zwei Wohngruppen, da wohnen Werber und ähnliche Menschen. Zieht einer aus, zieht sofort jemand neues ein. Die stellen mir inzwischen sogar ihre Mädels vor. Das find ich ganz toll. Den Reiz meiner Bar macht gerade diese Mischung von Jung und Alt, die vielen verschiedenen Berufe der Gäste aus.

„Ich möchte mit den Menschen, die ich liebgewonnen habe, gemeinsam alt werden.“
„Ich möchte mit den Menschen, die ich liebgewonnen habe, gemeinsam alt werden.“
Gibt es unter den Gästen besonders ungewöhnliche?
Ungewöhnlich, wie meinen Sie das? Wir haben doch alle einen an der Waffel. Zu den eigenartigsten gehörte sicher Peter Kruse, dem sein Fischkutter „Sassnitz“ untergegangen ist. Der Mann ist schon lange tot, doch wir erinnern uns gern an ihn.

Sehen Sie sich heute am Ende der Entwicklung als Gastgeberin?
Ich habe über 20 Jahre gesät, jetzt bin ich angekommen. Im Jahr 2009 habe ich zu mir gesagt: Willkommen im Westen.

Mit wesentlichen Veränderungen müssen Ihre Gäste also nicht mehr rechnen?
Ich hatte den Plan, nebenan eine kleine Garderobe einzurichten, doch der Raum ist jetzt weg. Also bleibt der „Seeteufel“ so, wie er ist.

„Das halte ich ohne Zigaretten und Alkohol wunderbar aus.“

Nicht alle Gäste benehmen sich immer zuvorkommend. Wie reagieren Sie auf
nervende Trunkenbolde?

An meinem 50. Geburtstag, nachdem ich so viel Unangenehmes in meinem Leben erfahren hatte, habe ich mir geschworen: Nun ist es gut. Ich will mich nur noch mit positiven Dingen beschäftigen. Als ich mit 56 einen Schlaganfall hatte, ich musste damals sofort aufhören zu rauchen und zu trinken, habe ich mir gesagt, dass es sich nur noch lohnt, seine Zeit mit netten Leuten zu verbringen, die Schlechten einfach zu ignorieren. Ich muss mich in meinen Wohngemeinschaften auf engstem Raum mit allen gut verstehen. Dabei muss ich mich immer wieder auch durchsetzen. Das klappt ganz gut.

Gibt es dabei ein Rezept in Sachen Durchsetzungsfähigkeit?
Die Ansprache ist wichtig. In den ersten zehn Jahren war ich zu unterwürfig, weil ich Angst hatte. Ich musste erst lernen, dass ich entscheiden kann und wie ich damit umgehe.

Heute haben Sie kein Problem, einen Gast raus zuschmeißen?
Auch das musste ich erst lernen. Heute sage ich in einem solchen Fall: „Sie müssen hier ja nicht reinkommen.“

Was war Ihr unangenehmstes Erlebnis mit einem widerspenstigen Gast?
In den ersten Jahren haben die „Einheimischen“ für mich diese Leute rausgeschmissen, damit es hier nicht so wird wie auf „Ich möchte mit den Menschen, die ich liebgewonnen habe, gemeinsam alt werden.“ dem Kiez. Heute habe ich nur noch angenehme Erlebnisse.

Wie ist es, allabendlich in der Bar zu stehen, in der geraucht und getrunken wird, dabei selbst die Finger von beidem lassen zu müssen?
Das halte ich wunderbar aus.

Wie haben sich die Gäste über die Jahre verändert?
Das Trinkverhalten hat sich zum Positiven verändert. Heute ist im Vergleich zu den frühen 90er Jahren alles viel sozialer und familiärer geworden. Die Gäste achten aufeinander, trinken gute Sachen und schießen sich nicht mehr ab.

Für einige Ihrer Gäste ist der „Seeteufel“ fast ein zweites Wohnzimmer.
Das stimmt. Wer einen neuen Freund oder Freundin gefunden hat, zeigt ihm oder ihr den „Seeteufel“. Festgestellt habe ich, dass man den Menschen nicht zu viel Freiraum geben darf, ansonsten können sie sich nicht so gut entscheiden. Es kam schon eine ganze Reihe bekannter Leute zu mir, die ich oft nicht mal erkenne. Die sollen sich benehmen wie ganz normale Leute.

Wie lange wollen Sie noch im „Seeteufel“ Bier zapfen und Wein ausschenken?
Ich möchte mit den Menschen, die ich liebgewonnen habe, den Rest meines Lebens verbringen. Was soll ich zu Hause über meine Krankheiten grübeln? Hier ist mein Leben und ich möchte mit diesen Menschen gemeinsam alt werden.

Frau Wirtin, der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.

Gespräch: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.seeteufel-hamburg.de

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