Der „Global Liveability Report“ erscheint jedes Jahr, Herausgeber ist die „Economist Intelligence Unit“, ein Unternehmen, das Prognose- und Beratungsdienste anbietet. Somit richtet sich das Ranking vorrangig an Ökonomen und Konzerne. Dies zeigt sich in der Schwerpunktsetzung der Studie.
Hamburg gilt laut einer Studie des britischen Nachrichtenmagazins „The Economist“ als lebenswerteste Stadt Deutschlands. Im globalen Vergleich hat es Hamburg sogar in die Top Ten geschafft, geschwollener Brust können die Nordlichter sich auf die Schulter klopfen. Erneut hat die Welt erfahren, was die Hamburger längst wissen: Unsere Metropole an der Elbe ist einfach großartig.
Schaut man sich die Top Ten des „Global Liveability Reports“ an, sticht ein Aspekt sofort ins Auge: Mit Ausnahme von Wien auf Rang 2 belegen nur zwei Staaten die ersten sieben Plätze – Australien und Kanada. Was macht eine Stadt lebenswert? Und was scheinen Kanada und Australien besser zu machen als Europa, die USA oder Südostasien?
Terrorismus zählt zu 25 Prozent
Die Antwort ist, zumindest oberflächlich gesehen, simpel. Kanada und Australien sind zu unbeliebt bei Terroristen. Von fünf erwählten Kategorien macht die politische Stabilität – überprüft durch Indikatoren wie Kriminalitätsrate, militärische Konflikte, und Terroranschläge – 25 Prozent aus. Dass dies einen gewaltigen Einfluss auf die Rangliste hat, zeigt der Punktefall von Manchester. Nach dem jüngsten Anschlag auf die Arena während eines Konzerts rutschte die Stadt im Nordwesten Englands im Vergleich zum Ranking 2016 um acht Plätze auf Rang 51. Richard Barrett, britischer Ex-Geheimdienstler und global anerkannter Experte für Terrorismus, kritisierte gegenüber der Zeitung „The Guardian“ den Report, bezeichnete die unmittelbare Verknüpfung von Terror und allgemeinen Lebensbedingungen als „unfair“. „Nur weil es einen Terroranschlag in einer Stadt gab, bedeutet das nicht, dass es auch einen weiteren gibt. Genauso wenig lässt sich sagen, dass eine Stadt gut gesichert ist, nur weil es dort noch nie einen Anschlag gegeben hat.“
Unter diesem Aspekt erscheint nachvollziehbar, dass die syrische Hauptstadt Damaskus auf dem letzten Platz landete. An dieser Stelle könnte vermutlich aber genauso gut Kabul oder Baghdad stehen, denn die Städte in Afghanistan und dem Irak sind ebenfalls von Krisen geschüttelt. Dennoch ist eine Vergleichbarkeit zwischen diesen Städten nicht möglich – schlichtweg weil sie nicht ins Ranking aufgenommen wurden. Die Intelligence Unit begründet, der Report betrachte Städte, in denen Menschen leben wollen oder Gebiete, die für Besucher attraktiv sind – was anscheinend zu einer Auswahl von nur 140 Städten weltweit führte.
Nach welchen Maßstäben?
Die Economist Intelligence Unit verlässt sich bei dem Messen von Lebensqualität auf „harte Fakten“ wie Infrastruktur, Gesundheitswesen, Deckung von Grundbedürfnissen, Qualität der Bildung und politische Stabilität. Außerdem wird der Zugang zu kulturellen Angeboten untersucht. Sich an genau überprüfbare Fakten zu halten, schafft eine Vergleichbarkeit, doch die Frage, ob die Menschen nun lieber in dieser oder jener Stadt leben wollen, lässt sich hiermit noch nicht beantworten. Bei allen statistischen Erhebungen bleibt unklar, was eine Stadt nun lebenswert macht. Umfragen unter Bewohnern würden mit Sicherheit subjektivere Begründungen für Lebensqualität geben als niedrige Kriminalitätsraten oder ein gut ausgebautes Straßennetz.
Dank des Global Liveability Reports weiß die Welt also, welche Städte als besonders lebenswert gelten. Melbourne kann sich seit sieben Jahren mit dem ersten Platz rühmen, Städte wie Damaskus oder Stockholm können im Report einen Spiegel der Anschlagskrisen sehen. Doch dem Fischbrötchenverkäufer am Hafen bringt dieser Report nichts, außer vielleicht die Bestätigung, in einer wunderbaren Stadt zu leben.
Lebenswerteste Stadt Deutschlands – Für wen ist die Studie?
Die Studie richtet sich nicht an die normalen Einwohner einer Stadt, sondern an große Unternehmen. Die Intelligence Unit bietet Klienten aus Wirtschaft, Politik oder dem Finanzsektor seit Jahrzehnten Informationen und Beratungen zu potentiellen Standorten. Neben sozio-demographischen Vorhersagen und Standortanalysen wird ein großes Unternehmernetzwerk geboten. Mitglieder können sich untereinander vernetzen und von zahlreichen Events und Diskussionsrunden profitieren. Die Vermutung liegt nahe, dass auch die erschienene Studie einen Beitrag zur Analyse von wirtschaftlich relevanten Gebieten leistet.
Der 10. Rang ist ein großes und berechtigtes Lob an die Elbstadt und alle Initiatoren, die Hamburg zu einem nachhaltigen, wissenschaftlichen, aktiven und kulturellen Ort machen. Doch neben dem Jubel sollte nicht die Frage außer Acht gelassen werden, wer aus solch einer Studie eigentlich seinen Nutzen zieht.