29. Juni 2023
Magazin-Tipp

Auf dem Rad entlang der Ostsee

Während andere den Urlaub entspannt im Hotel verbringen, schwingt Winfried Neumann sich aufs Rad. Bei seiner fünften großen Tour fuhr der Pensionär von Tallinn aus die Küste entlang, auch durch Kaliningrad.

Winfried Neumann mit seinem Rad auf Tour

Mit dem Rad quer durch die Welt, das E-Bike kommt frühestens in fünf Jahren!

„Es war einfach keine Unterkunft mehr zu finden, dann habe ich es mir kurzerhand mit meinem Rad im Bushäuschen gemütlich gemacht.“ Ein Satz, den man nicht unbedingt aus dem Mund eines 75-jährigen, pensionierten Polizisten erwartet. Aber andererseits, was wären die Alternativen? „Ich hatte 130 Kilometer auf dem Buckel und war mitten im Nirgendwo zwischen Tallinn und Hapsal an der Landstraße“, erzählt Winfried Neumann. „Es war nicht gemütlich und kalt, aber ich konnte zumindest ein paar Stunden schlafen und bin dann morgens direkt 30 Kilometer weiter in eine kleine Pension.“

2.000 Kilometer in 33 Tagen

Es war seine fünfte große Radtour, zu der „Winni“ im vergangenen Jahr aufbrach. Mit detaillierter Planung hielt er sich im Voraus nicht lange auf: „Ich hab mir vorgenommen, von Tallinn nach Hamburg zu fahren, möglichst entlang der Ostsee, durch die Anrainerstaaten. Viel mehr hab ich nicht geplant und bin dann einfach losgefahren.“

Also ging es los. Mit dem bewährten Trekkingrad, mit 28 Zoll Rädern und einer Acht-Gang-Nabenschaltung und gut gefüllten Satteltaschen. Die wiegen für so eine Tour etwa 25 Kilo. „Man kann ja auch immer zwischendurch was auswaschen, aber mit viel weniger kommt man nicht aus“, erzählt Winni.

Mit dem Bus ging es nach Warschau und Tallinn, an jedem Etappenziel gab es selbstverständlich auch ein bisschen Programm, die Stadt und Umgebung wurden besichtigt. Direkt die Start-Stadt ge-fiel Winni ausgesprochen gut: „Der Kontrast zwischen moderner Innenstadt und historischer Altstadt ist spannend“, sagte er.

Rad bedeutet spontan

Weiter ging es nach Hapsal – mit besagtem Zwischenstopp im Bushäuschen –, dann auf die Inseln Hiiuma und Saaremaa. Mit unerwartet langen Wartezeiten, denn die Fähren sind für Pendler, nicht für Touristen ausgelegt und fahren nur zweimal am Tag. „Da hatte ich zum Glück schon eine Unterkunft gebucht, eine interessante Holzhütte, da konnte ich auch noch nachts einchecken, das Ehepaar hat extra gewartet und war super nett“, berichtet Winni Neumann.

Eine Erfahrung, die er auf der ganzen Tour immer wieder machte: „Alle Menschen waren total freundlich. Fast alle konnten Englisch oder sogar Deutsch oder jemand konnte übersetzen, es gab keinerlei Verständigungsschwierigkeiten und niemand war unfreundlich“, sagt er begeistert. Nur waren die Begegnungen alle sehr kurz, „richtige Bekanntschaften macht man kaum. Klar, abends war ich in Restaurants und habe mit Leuten in den Unterkünften gesprochen, aber das war es dann auch schon fast“, erzählt der Radfahrer. „Auf den Etappen selber war es meistens sehr einsam, oft war niemand unterwegs. Ich bin einmal drei Stunden auf der Landstraße gefahren, kein einziges Auto kam vorbei“, erinnert er sich. „Aber die Natur war wunderbar. Ich konnte fast immer am Wasser fahren – was oft mit heftigem Gegenwind verbunden war – und was ich gesehen habe, war einfach wunderschön.“

Kaliningrad statt Moskau

Sein Highlight war der Besuch im russischen Kaliningrad nach 23 Tagen. „Eigentlich wollte ich 2020 nach Moskau. Das ging wegen Corona nicht und aktuell geht es aus offensichtlichen Gründen auch erstmal nicht“, so Winfried Neumann. Der Teil der Reise war grob geplant, denn ein PCR-Test wurde benötigt. Der Grenzübergang war sowohl aus Litauen kommend, als auch nach Polen fahrend komplizierter als erwartet: „Nicht überall sind die Grenzen offen. Und ich habe es jeweils erst an der falschen Stelle versucht, aber letztendlich hat alles geklappt.“

Über Polen ging es zurück nach Deutschland, mit dem Rad nach Heringsdorf, mit dem Zug nach Rostock, „da hatte ich keine Lust mehr und meine Frau hat mich eingesammelt“, sagte er. Die Lust auf die nächste Tour ist aber schon da: „Dieses Jahr wird es leider nichts, aber ich hab noch einiges vor. Bis ich 80 bin bleibe ich auf meinem Trekkingrad, danach steige ich aufs E-Bike um!“

Winni On Tour

2007 kaufte sich Winfried Neumann ein neues Rad und fuhr ab dann regelmäßig kleine Tagestouren mit seinen Nachbarn. Neun Jahre später brach er zu seiner ersten großen Tour auf:
2016: Jakobsweg-Tour
2018: Nordkap-Tour
2019: Oder-Neiße-Radweg
2020: Tour entlang der ehemaligen
DDR-Grenze
2022: Von Tallinn an der Ostsee entlang

Auf Facebook unter „Winni On Tour“ finden Sie ausführliche Reiseberichte und viele Fotos zu jedem Tag der Touren!

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